Danger Danger
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Danger Danger

High Voltage
 
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  Wolfsong

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Kauzi
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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 8 Icon_minitime1So Nov 06, 2022 3:21 pm

Mit jedem Wort, das über Euphorias Lippen kam, wurde es nur immer kälter und kälter um Aschwin herum. Er hatte Euphoria nicht nur gebissen. Er hatte auch noch seinen Fluch an ihn weitergegeben, hatte ihn angesteckt. Das erste Mal, dass er seine widerwärtige Krankheit in der Welt verbreitet hatte und es musste ausgerechnet bei Euphoria passiert sein. Die Worte des Barden perlten von ihm ab wie Wasser auf Glas. Aschwin wusste, dass diese furchtbare Möglichkeit die ganze Zeit im Raum geschwebt hatte, dass es sicherlich auch ein Teil dessen war, wogegen sie sich schützen wollten. Aber wirklich an sich herangelassen hatte Aschwin diese Möglichkeit nicht, dass er jemanden der anderen verwandeln könnte.
„Es hat nicht geholfen.“
Seine Stimme war vollkommen ohne jegliches Gefühl, als hätte diese Erfahrung gerade jegliches Leben aus dem Leib des Werwolfs gesogen.
„Wieso hat es nicht geholfen?“
Aschwin wusste, dass sein eigener Fluch ein besonders hartnäckiger war, dass er ihn nur auch noch zementiert hatte mit seinem misslungenen Djinnwunsch. Ein einfacher Zauber hätte es von dem Tiefling nehmen sollen und damit hätte alles gut sein sollen. Wieso hatte es nicht funktioniert? Seine Augen starrten leblos ins Leere, hatten sich automatisch von Euphoria abgewandt. Ihn jetzt anzusehen, hätte Aschwins Herz entzweigerissen. Langsam senkte sich sein Kopf und er starrte auf seine Hände, an denen immer noch versteckte Reste von eingetrocknetem Blut klebten. Erst jetzt wurde Aschwin langsam bewusst, dass er Metall schmeckte und nach wenigen Sekunden hatte er sich von Euphoria abgewandt, Blut und Galle auf den Waldboden erbrechend.
„Nein, nein, das kann nicht wahr sein…“
Es waren so viele negative Gefühle auf einmal, die ihn übermannten, dass der Körper des Jägers sich zusammenkrümmte wie unter größten Schmerzen. Euphoria war sein ein und alles und nun hatte er ihn unter dem Blutmond zum Werwolf gemacht. Der Gedanke traf ihn mit voller Wucht ins Gesicht und ein gequälter Schrei, gemischt mit einem qualvollen Schluchzen, rang sich aus seiner Kehle.
„Ich bin ein Fluch, i-ich….“
Sein Kopf erhob sich und zum ersten Mal blickte er Euphoria direkt an. Aschwin wünschte, er hätte es nicht getan. Er sah nicht gut aus, blass und kränklich, und seine Körperhaltung verriet, dass er Schmerzen hatte. Es war sein eigenes Werk, was er hier betrachtete. Alles, was er hier tun konnte, fühlte sich falsch an. Weder konnte er Euphoria hier allein lassen, damit er sich abgelehnt und allein fühlte, noch ertrug Aschwin es, in den Scherben zu stehen, die er verursacht hatte. Wieso hatte sie ihn nicht einfach dort niedergestreckt? Dann hätte er nicht spüren müssen, was er jetzt verspürte.
„Der Blutmond ist schuld, ich hätte mich fernhalten müssen“, krächzte Aschwin heiser. Für einen kurzen Moment streckte er seine Hand dem anderen entgegen, aber er zuckte zurück aus Angst, dass er Euphoria noch mehr Schmerzen zufügen würde. Noch nie hatte er sich so leer gefühlt.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 8 Icon_minitime1So Nov 06, 2022 7:40 pm

Hilflos zuckte der Barde mit den Schultern. Er wusste nicht, wieso es nichts gebracht hatte, wieso Eascas Zauber an ihm abgeprallt war. Vielleicht brauchte es nur Zeit, vielleicht mussten sie es zu einem anderen Zeitpunkt einfach noch einmal versuchen? In seinen Augen war er nicht verloren und er wünschte sich so sehr, dass der Werwolf es genauso sah.
Doch man brauchte kein Experte zu sein, um zu sehen, wie stark ihn all das mitnahm, die Gewissheit, dass er letzte Nacht den Tiefling gebissen hatte, dass er ihn offenbar zu einem Werwolf gemacht hatte.
„Wir...wir versuchen es einfach später noch einmal, vielleicht liegt das am Blutmond, vielleicht hat er auch einen Einfluss auf unsere Zauber!“, redete der Gelockte auf seinen Geliebten ein. So abwegig war der Gedankengang nicht, wenn er darüber nachdachte wie ihre Magie gestern mehrfach misslungen war, wie sie gescheitert waren.
Ihm wurde unwohl bei dem Gedanken, was als nächstes passieren würde, er wollte doch so gerne Aschwin einfach nur in seine Arme nehmen, ihm klarmachen, dass alles wieder gut werden würde. Wunden verheilten und Flüche konnten gebrochen werden, nichts war verloren. Doch so einfach war es wohl nicht.
Es war beinahe zum Verzweifeln jede Regung seines Partners zu beobachten, wie ihm übel wurde, seinen Worten zu lauschen. Der Schrei erschütterte den schmalen Körper aufs Äußerste, Tränen rannen über sein Gesicht und er wünschte sich nichts mehr, als den Schmerz von diesem armen Mann nehmen zu können. Es tat ihm so unendlich leid, dass es geschehen war, tat ihm leid, dass er nicht in der Lage war sich zu wehren, seinem Biss auszuweichen! Wäre er doch nur schneller und gefasster gewesen, hätte er doch einen besseren Plan geschmiedet, sodass all dies niemals passiert wäre.
„Aschwin....nein...sag bitte sowas nicht, das stimmt doch nicht.“ Seine Stimme war dünn, belegt von all den Emotionen, die ihn beinahe schwindeln ließen.
Euphoria war dankbar dafür, dass der andere ihn endlich wieder anschaute, dass er das vertraute Grau sehen konnte, auch, wenn es ihn innerlich zerriss zu sehen, wie sehr er unter all dem litt.
„Wir wussten alle nicht, dass der Blutmond so mächtig ist...es...wir hätten uns mehr Gedanken machen müssen.“ Noch bevor Aschwin seine Hand wieder zurückziehen konnte, hatte er bereits seine ausgestreckt, sie fest umfasst. „E-s war so chaotisch, keiner kann etwas dafür. Und...wir bekommen das schon hin, ja? Wir stehen das gemeinsam durch, okay?“ Der Tiefling wagte es näher an den Dunkelhaarigen zu treten, nahm auch seine andere Hand. „Wir schaffen das, Aschwin...wir schaffen das schon, es gibt für alles eine Lösung und wir haben genügend Zeit!“ Es war einfach seine Erschöpfung, den pochenden Schmerz zu ignorieren, wenn er wusste, wie wichtig es war seinen Geliebten so gut es ging aufzubauen. Er wollte ihn nicht hängen lassen und er wollte alles auf der Welt daran setzen, dass er sich nicht verschloss, dass er sich nicht noch mehr Schuldgefühle einredete. Euphoria wollte nicht, dass es einen Keil zwischen sie brachte, wie sollte er denn auch jemals ohne Aschwin auskommen, vor allem jetzt brauchte er den Werwolf mehr denn je.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 8 Icon_minitime1So Nov 06, 2022 11:19 pm

Er wusste, dass Euphoria nur helfen wollte, dass sein unendlicher Optimismus und seine stetig aufbauenden Worte seine Art waren, mit dieser Sache umzugehen. Aber es war nicht richtig. Aschwin wollte, dass er wütend auf ihn war, dass er ihn anschrie, denn das alles war sein gutes Recht. Wenn er den Tiefling wirklich unwiderruflich zu einem Werwolf gemacht hatte – allein der Gedanke drehte Aschwin den bereits leeren Magen noch einmal um -, dann hatte er sein Leben so einschneidend verändert, dass ein wenig Zorn nur angemessen gewesen wäre.
„Wie kannst du so ruhig bleiben?“, rutschte es ihm schließlich heraus und seine Hände, die Euphoria umfasst hatte, verkrampften sich unweigerlich.
„H-Hast du nicht verstanden, was ich dir angetan habe?“
Noch immer war seine Stimme so kalt, schaffte er es nicht, seine Emotionen wieder dort hineinzulegen. Diese Nacht hatte ihn alles gekostet.
„Natürlich war es der Blutmond, wir…wir hatten einen Plan und das alles hat nicht ausgereicht!“
Schon eine Sekunde, nachdem er seine Hand weggezogen hatte, bereute er es, aber Aschwin konnte es einfach nicht ertragen, dem Tiefling so nah zu sein. Wenn er ihn nicht für sein grauenvolles Vergehen abstrafen wollte, musste er es selbst tun.
„Du weißt nicht, wozu ich dich verdammt habe“, krächzte er und starrte wieder leer auf seine eigenen Hände. Er mochte es jetzt schon so lang von außen beobachtet haben, aber Euphoria wusste nicht, wie es war, wenn man sich selbst verwandeln musste. Er hatte noch nicht in blinder Rage Leute angefallen, die ihm wichtig waren.
„Hör auf so zu tun, als wenn alles gut wäre! Es ist nicht gut, Euphoria! Und wenn wir alle endlich einsehen würden, dass ich ein Monster bin, das nicht einmal vor seinen Freunden zurückschreckt, wärt ihr vielleicht alle etwas sicherer!“
Er hatte nicht gewollt, dass seine Stimme so anschwoll, aber die Verzweiflung und der Schmerz ließen ihn so laut werden und vielleicht wäre Euphoria dann endlich böse auf ihn, vielleicht würde er ihn dann endlich beschimpfen als das Monster, was er war.
„Wie soll ich dir beistehen? Ich kann dir nichts beibringen außer Blutlust und Raserei!“
Aschwin ertrug es nicht, die Gefühle erdrückten ihn, jedes Geräusch, jeder Blick des anderen und mit einem Ruck wandte er sich ab. Ein großer Teil in ihm schrie laut und wehmütig auf, wollte einfach Euphoria in die Arme nehmen, sodass sie sich gegenseitig stützen konnten. Er hatte gelernt, wie das ging, er hatte gelernt, dass es sie über kurz oder lang glücklicher machte, aber er hatte keine Umarmung verdient, kein Mitleid und keine sachten Worte der Bestärkung.
„Bitte, lass mich.“
Seine Stimme war trocken wie das Herbstlaub unter ihren Füßen, als er sich abwandte. Er brauchte Abstand vom Lager. Er würde nicht weit gehen, aber seine Schritte trugen ihn weg von der Wärme und als Aschwin wusste, dass er nicht mehr in Sichtweite war, knickten seine Beine beinahe unter ihm weg. Den Rücken an einen Baum gelehnt und die Hände vor dem Gesicht zusammengeschlagen rutschte er langsam Richtung Waldboden. Es passierte selten, noch seltener, als dass er lachte, aber dicke Tränen rannen über Aschwins Wangen. Was hatte er bloß getan? Sein Leben hätte er gegeben, um Euphoria vor Leid zu bewahren. Nun hatte er Euphoria die schlimmste Bürde in seinem gesamten Leben auferlegt und er wusste nicht, wie er mit diesem Wissen weitermachen sollte.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 8 Icon_minitime1So Nov 06, 2022 11:50 pm

Euphoria hatte gehofft, dass seine Worte irgendwie ankamen, dass der andere vielleicht verstand, dass er sich nicht in ein noch tieferes Loch stürzen wollte. Es war nun einmal seine Art so optimistisch und positiv wie möglich an jede Sache heranzugehen. Denn wenn er es nicht tat, wie sollte man sonst über all das hinwegkommen, was ihnen in der Vergangenheit widerfahren war?
Worte blieben ihm in der Kehle stecken, als jedoch genau das Gegenteil geschah und Aschwin nicht einmal ansatzweise auf das einging, was er gesagt hatte, dass es ihn beinahe schon wütend machte, dass der Barde versuchte all dies in einem besseren Licht zu betrachten.
„Was...wie soll ich denn sonst sein?“, fragte der Gelockte leise, verstärkte dabei den Händedruck noch ein wenig mehr. Doch es reichte nicht aus, dass Aschwin bei ihm blieb, dass er sich nicht von seinem Griff loslöste. Beinahe schmerzte ihn das mehr als jede Wunde, die sein Körper erfahren hatte...wollte der Werwolf etwa wirklich mehr Abstand gewinnen, wollte er, dass er ihn verfluchte und verdammte, dass er am liebsten hier und jetzt ihm den Rücken zukehrte und nie wieder auch nur ein Wort mit ihm sprach?
Die laute Stimme des anderen hallte noch in seinen Ohren, dass es beinahe schon schmerzte. Genau davor hatte der Tiefling sich so schrecklich gefürchtet, er wollte nicht, dass es so ausarten würde, wollte nicht den anderen so sehen und schon gar nicht so hören.
„Was bringt es mir jetzt in Panik zu verfallen? Was soll ich denn tun?“ Hilflos starrten die goldenen Augen in das bärtige Gesicht, unwissend, was er von ihm wollte oder gar erwartete. Wenn er als Monster bezeichnet werden würde, konnte er lange auf diesen Tag warten, denn diese Gedanken waren noch nie im Lockenkopf aufgekeimt, er hatte noch nie seinen Geliebten in solch einem Licht gesehen.
Konnte er ihn nicht einfach in die Arme nehmen, ihn festhalten und einsehen, dass es nichts brachte all dies auszudiskutieren?
„Warum möchtest du es denn noch schlimmer machen, als es ist? Das führt doch zu nichts! Das weißt du doch selbst....Aschwin, bitte...“ Der schmale Körper begann zu beben, aus Angst und Verzweiflung, gepaart mit zu wenig Schlaf und zu viel Schmerz, der durch seine Glieder zuckte.
Es war beinahe schon hoffnungslos zu glauben, dass sie irgendwie auf einen Nenner kommen konnten. Euphoria tat es so endlos leid, dass der Werwolf in dieser Position war, dass all die Gefühle und Eindrücke es ihm so stark erschwerten, auch nur etwas Positives zu denken und gleichzeitig nicht akzeptieren zu können, was geschehen war.
Er wollte ihm hinterherrennen, stattdessen blickte er ihm nur hilflos hinterher, rief seinen Namen, doch Aschwin blieb nicht stehen, ließ ihn hier einfach zurück, während die anderen ihm ebenfalls besorgt hinterher schauten. Wenigstens hatten sie genug Anstand sich in das Gespräch nicht hineinzumischen und hielten den Barden auch nicht davon ab, nur wenige Augenblicke später dem Dunkelhaarigen hinterher zu eilen.
Er war noch schwach auf den Beinen, brauchte länger, um den Jäger zu finden und als er ihn dort neben einem Baum kauern sah, blieb er mit etwas Abstand stehen.
„Wo möchtest du denn hin? Denkst du davonlaufen bringt irgendwas?“, es war schwierig diese Worte über die Lippen zu bringen. „Es...es ist passiert, es durfte nicht passieren. Verdammt, ich weiß doch auch, dass es das Letzte war, was jemals hätte vorfallen dürfen! Aber wir können nichts mehr daran ändern. Aschwin...ich kann nicht zornig auf dich sein, ich kann es einfach nicht! Du kannst mich zu keinen Emotionen zwingen, die nicht da sind!“
Seine goldenen Augen konnten kurz Tränenspuren auf dem Gesicht seines Geliebten erkennen und spürte, wie sein Herz in tausend Teile zerbrach.
„Ich hasse dich nicht, ich habe nie diesen Teil in dir gehasst, ich werde es auch jetzt nicht tun....ich weiß nicht, was mit mir passieren wird, ich weiß nur eines- wenn du...wenn du nicht bei mir bleibst und diese Situation akzeptierst, dann werde ich es nicht schaffen, Aschwin! Was bringt es mir, dich zu verfluchen, dich anzuschreien? Macht es das weg? Verschließt es meine Wunde? Du...du musst doch selbst verstehen, dass das zu nichts führt außer mehr Schmerz und Tränen!“
All die Worte schmerzten in seiner Brust, mit jedem Atemzug, den er dazwischen machte, dass er sich kurz an einem Baum stützen musste, für einen kurzen Augenblick die Augen schloss, um tief durchzuatmen. „Du...du hast mich verletzt. Doch dann geh nicht weg sondern versuch die Wunde zu flicken.“

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 8 Icon_minitime1Mo Nov 07, 2022 7:24 pm

Es dauerte nicht lange, bis knackende Zweige den Tiefling ankündigten. Er war noch nie besonders gut darin gewesen, sich im Wald still und leise fortzubewegen. Da dachte Aschwin nur zu gern an ihre frühe gemeinsame Zeit zurück. Dass er es nicht ruhen lassen konnte, war für den Werwolf auch nichts Neues. Er gab sich Mühe, aber es war nicht das erste Mal, dass sie über ihre doch sehr unterschiedliche Art, an Probleme heranzugehen, in Streit gerieten. Aber noch nie war etwas so schwer und gravierend gewesen wie das, was heute Nacht passiert war. Er wollte doch nur etwas Zeit für sich haben, etwas Ruhe, und er wusste genau, dass der Barde genau das Gegenteil brauchte. Das er reden musste, dass er Nähe brauchte. Es kostete Aschwin viel, sich zusammenzureißen und still zu bleiben. Hastig wischte er sich die Tränenspuren von den Wangen, wobei es hier eh dunkel genug war, dass er sich nicht sofort selbst verraten würde.
„Ich weiß, dass Weglaufen nichts bringt, Euphoria. Ich habe es versucht.“
Er wandte den Kopf in die Richtung des Tieflings. Hinter ihm flackerte in einiger Entfernung das Lagerfeuer und irgendwo sehnte Aschwin sich nach der Wärme. Mehr noch sehnte er sich nach der Welt von vor wenigen Stunden.
„I-Ich weiß, dass ich dich zu keinen Emotionen zwingen kann, aber vielleicht kann ich dich wenigstens ein bisschen zur Besinnung bringen! Dann siehst du vielleicht von selbst, was ich angerichtet habe!“
Wieso konnte Aschwin denn nicht einfach gehasst werden? Dann hätte er wieder allein sein können und hätte wenigstens niemandem mehr wehgetan. Langsam näherte er sich dem Tiefling wieder an.
„Es wäre aber gerecht! Ich kann damit umgehen, wenn du wütend auf mich bist, wenn du mich anschreist, dann würde ich mich vielleicht auch nicht immer so fühlen, als wenn du mich in Watte hüllst, und das habe ich nicht verdient!“
„Wieso kannst du nicht einfach wütend auf mich sein?“
Wieso musst du in allen Hinsichten so viel besser sein als ich?
Aber diesen Gedanken brachte Aschwin nicht über die Lippen. Sein Herz stockte bei dem Gedanken, diese Worte auszusprechen.
„Ich hab Angst, dass ich das nicht kann. Die Wunde flicken“, flüsterte er leise. Verstand Euphoria denn einfach nicht, wie wenig er Kontrolle über all das hier hatte? Kurz blickten die grauen Augen sich um, dann griff er Euphorias Hand und zog ihn in Richtung eines mondhellen Fleckchens im Wald, wo er ihn auf einen umgefallenen Baumstamm drückte. Vorsichtig streifte er die Kleidung von Euphorias Schulter und wollte sich am liebsten gleich wieder abwenden bei dem Anblick der Wunde. Sie war mit Heilmagie versorgt worden, doch Aschwin wusste, dass es dennoch schmerzen musste. Er wollte nicht, dass Euphoria litt. Easca und auch Euphoria selbst waren bessere Heiler als er und dennoch ließ er seine schwach glimmernde Magie durch die Wunde fahren. Aus seiner Tasche zog er ein Säckchen mit getrockneten Kräutern. Aschwin schob sich eine kleine Menge zwischen die Lippen, kaute sie etwas durch, bevor er den Brei auf der Wunde verteilte und seine Handfläche fest darauf drückte. Er spürte, wie der Barde zusammenzuckte, doch Aschwin ließ nicht locker, bis sich die Haltung des Barden etwas entspannte.
„Das sind die Kräuter, die Xora und du für mich gefunden habt. Ich dachte, es könnte etwas helfen“, murmelte Aschwin. Noch immer war seine Stimme emotionslos, aber er war zu mehr nicht in der Lage.
„Lass uns zurück zum Lager gehen.“
Aschwin konnte einfach nicht mehr verspüren, egal, wie sehr er sich dazu zwang. Er fühlte sich kalt und leer und nichts, was der andere sagte, konnte im Moment zu ihm durchdringen. Aber er würde tun, was Euphoria von ihm wollte, so gut er konnte, einfach, damit er irgendwie wieder gutmachte, was er angerichtet hatte.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 8 Icon_minitime1Mo Nov 07, 2022 11:43 pm

Euphoria konnte nicht verstehen, wieso es so wichtig für den anderen war, dass er Zorn ihm gegenüber empfand. Wie sollte das nur helfen und wie sollte er jemals zu so etwas wahrlich in der Lage sein? Er wollte doch auch nur, dass alles wieder im Lot war, er wollte nicht, dass es ihn so stark zerriss, dass er so stark die Kontrolle über seinen inneren Wolf verloren hatte.
„Ich bin bei Besinnung! Ich weiß, was das alles zu bedeuten hat, die Konsequenzen, alle Konsequenzen!“, erwiderte der Barde frustriert. Er war nicht dumm, ihm war bewusst, dass ziemlich harte Zeiten auf sie zukommen würden und dass Aschwin wahrscheinlich besonders viele Schwierigkeiten haben würde, mit all dem vernünftig umgehen zu können, ohne sich seiner Schuld bewusst zu sein. Wollte er denn noch mehr leiden, als ohnehin schon? Wollte er, dass Euphoria ihm tagtäglich noch mehr Schuldgefühle machte?
Nein, beim besten Willen, wenn sie ihre Rollen getauscht hätten, wäre Aschwin doch auch nicht in der Lage so mit dem Tiefling umzugehen. Und genau deswegen war es unfair so etwas auch nur zu denken.
„Weil ich es nicht kann! Es tut mir leid...ich...ich kann es einfach nicht! Und...ich hab doch auch Angst...“ Angst, dass es sie zerreißen würde, dass es sie auseinander trieb und sie nicht mehr die Nähe verspüren konnten, die sie vorher gespürt hatten.
Der Barde musste schlucken, es war nicht leicht einen klaren Gedanken zu fassen, sein Verstand war überfüllt von Eindrücken, Gefühlen und Sorgen.
Fast schon hatte der Lockenkopf losgeweint bei der Berührung des anderen, so sehr sehnte sich sein Körper nach der Nähe, nach seinen Armen, seinen Duft, wenn er ihn in die Arme schloss und er seine Nase in seinen Mantel vergraben konnte. Doch der Werwolf zog ihn nicht in seine Arme, setzte ihn stattdessen auf einen Baumstamm ab und kümmerte sich um die Wunde.
Sie hatten nicht viele Ressourcen, um die Wunde optimal zu verheilen, nutzten das, was noch übrig war und Euphoria wusste, dass eine große Narbe wohl auf ewig ihn an diese Nacht erinnern würde. Nicht nur ihn, auch Aschwin.
Der Tiefling liebte keine seiner Narben, sie alle waren nur Zeichen von Schmerz und einer Zeit, die er am liebsten auf ewig vergessen wollte, das hatte er mehrfach gesagt, diese jedoch wollte er am liebsten loswerden, damit der Dunkelhaarige sich nicht sein Leben lang daran erinnern musste.
Gepackt von diesen Sorgen, dieser Angst, dass er ihn vielleicht deswegen nicht einmal mehr anfassen würde, hatte er gar nicht wirklich aufgepasst, was sein Partner gerade anstellte und zuckte im nächsten Moment schmerzerfüllt zusammen, als er seine Hände auf seine Schulter presste.
Mit einem Zischen kniff er seine Augen zusammen, krallte sich mit seiner anderen Hand in Aschwins Oberteil fest, bis das Pochen ein wenig nachließ und er sich etwas entspannen konnte.
„Danke...ich bin mir sicher, dass sie helfen werden.“, der Gelockte zwang sich zu einem Lächeln, welches jedoch schnell wieder abebbte bei der Tonlage und dem Ausdruck in den grauen Augen seines Gegenübers. Es war beinahe so, als hätten alle Emotionen diesen Körper verlassen und der Kälte Platz gemacht.
Euphoria nickte nur, schob etwas unbeholfen den Stoff seiner Kleidung wieder über die Wunde und erhob sich langsam.
Sie hatten kein Wort gewechselt, als sie zurück ins Lager kehrten und er konnte nicht anders, als immer wieder zu seinem Geliebten herüberzuschauen.
Alles an seiner Haltung, wie er sich ihm gegenüber verhielt...es war nicht richtig. Doch er wollte ihn nicht wieder in eine Ecke drängen, wollte ihn nicht zornig machen.
Doch dann wiederum wünschte er sich lieber Zorn, als was auch immer es war, was er ihm gerade entgegen brachte.
„Brauchst du etwas Zeit für dich? Ich...ich kann mich kurz hinlegen oder so, ich...ich will dich nicht unter Druck setzen, nicht noch mehr. Du...ich weiß, dass du manchmal Abstand brauchst und ich dich häufig genug mit meiner Art erdrücke.“ Was, wenn er ihm böse war? Was, wenn es nur wieder ein Zeichen davon war, wie unfassbar unvorsichtig Euphoria doch war, wie er immer in dumme Situationen kam und immer wieder sich andere um ihn kümmern mussten. War es nicht im Kaiserreich nicht anders? Vielleicht war er das Problem? Vielleicht hatte sein Vater doch recht gehabt und er verbreitete nichts als Chaos?

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 8 Icon_minitime1Di Nov 08, 2022 5:51 pm

Es fühlte sich falsch an, so kalt und leer mit Euphoria zu reden, aber vielleicht war das ja genau das, was er verdient hatte. Wenn der Tiefling nicht zornig sein wollte, vielleicht musste er sich dann einfach selbst für eine Weile seiner Nähe berauben? Er schüttelte abwesend den Kopf, während er an der Seite des Tieflings zurück zum Lagerfeuer trottete. Damit würde er gleichzeitig auch Euphoria verletzen. Wie konnte er so etwas überhaupt in Betracht ziehen? Sein Freund hatte alles verdient, nur nicht noch mehr Schmerz. Der Anblick von Euphorias Verletzung hatte sich schier eingebrannt. Vermutlich würde eine Narbe bleiben und er konnte es einfach nicht verhindern. Dafür war seine Heilmagie bei weitem nicht stark genug. Was konnte er überhaupt für Euphoria tun? Er konnte ihm nichts beibringen über das Dasein als Werwolf, jedenfalls nichts, was die allmonatliche Verwandlung erträglicher machen würde. Noch konnte er ihn mit so vielen warmen Worten auf andere Gedanken bringen. Aschwin war selbst kaum bei Sinnen, wie also sollte er für Euphoria da sein?
Sie traten wieder in den Schein des Lagerfeuers und Aschwin schaute leer in die Flammen. Nur langsam drangen die Worte des anderen an seine Ohren, musste sich wie durch Watte zu seinem Verstand durchdringen. Langsam drehte er den Kopf zu ihm herum und blickte in die traurigen Augen des anderen. Egal, was auch passierte, Aschwin wusste nicht, wie Euphoria jemals etwas anderes sein konnte als das schönste Wesen auf dieser ganzen Erde. Aschwin wollte nicht, dass er sich so quälte.
„Ich brauch keine Ruhe vor dir“, entgegnete er mit rauer Stimme und trat wieder etwas näher an ihn heran. Fast hatte er ein wenig Angst, dass der andere vor ihm zurückzucken würde. Was hätte er dann getan? Aschwin wollte es sich nicht vorstellen, der pure Gedanke ließ das Blut in seinen Adern gefrieren.
„Aber du hast Recht, du solltest dich ausruhen und dich hinlegen.“
Der Werwolf löste sich kurz von Euphoria und trat zu Dhanals Zelt heran. Sicherlich schliefen die anderen sowieso alle nicht, nachdem er und Euphoria hier lautstark diskutiert hatten. Mit so wenig Worten wie nötig bat er den anderen um die nächste Nachtwache, bevor er sich wieder zu dem Barden herumdrehte. Die tiefen Schatten unter seinen Augen waren nur umso deutlicher zu sehen und Aschwin nahm sacht seine Hand und zog ihn zu ihrem gemeinsamen Zelt. Geduldig wartete er, bis Euphoria sich die Position gesucht hatte, die für ihn am bequemsten erschien, bevor er sich ebenfalls auf ihr Lager bettete.
Für einige grauenvolle Minuten lag Aschwin nur bei Euphoria, starrte auf seinen Rücken und versuchte den Mut zu sammeln, ihm wieder nahe zu sein. Vermutlich war es Euphorias Zugeständnis an ihn, dass er nichts sagte und auch nicht von selbst zu ihm heranrückte. Es war besser so, so konnte sich der Werwolf langsam an die Berührung herantasten, rutschte immer näher an Euphoria heran, bis sie nur noch ein Hauch voneinander trennte.
„Ich werde es wieder gut machen, i-ich verspreche es dir“, presste Aschwin hervor und mit einem letzten Ruck legte er seine Arme um Euphorias Taille und zog ihn eng in die Mulde seines Körpers. Er drückte sein Gesicht in den Nacken des anderen, spürte die weichen Locken auf seiner Haut, roch seinen Duft, der für ihn Zuhause war. Aschwin konnte nicht anders, dicke Tränen rannen über seine Wangen und Schluchzer schüttelten den großen Leib, während er sich an den Tiefling klammerte.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 8 Icon_minitime1Mi Nov 09, 2022 12:32 am

Er hätte es nicht übel genommen, wenn Aschwin Abstand brauchte, wenn er für sich sein wollte und er ihn in Ruhe lassen sollte. Schließlich konnte er ihn schlecht dazu zwingen, die ganze Zeit an seiner Seite bleiben, vor allem nicht dann, wenn es ihn emotional nur noch stärker auslaugen würde.
Fast hatte der Barde sich schon darauf eingestellt, allein in ihr Zelt zu trotten und zu warten, bis die Nacht vorüber war, bis der nächste Tag einkehrte und er nicht mehr so tun musste, als würde er schlafen.
Doch Aschwin war nicht von seiner Seite gewichen und ein dankbarer Ausdruck legte sich über das schmale Gesicht. „Dann lass uns etwas Ruhe finden.“, erwiderte seine Stimme und er traute sich kurz in die grauen Augen zu blicken.
Die Nacht war so lang gewesen, so auslaugend, dass es ihn irgendwo danach sehnte, sich einfach im Zelt einzumummeln und alles zu vergessen, was geschehen war, was sie erlebt hatten und was sie wahrscheinlich noch eine Weile lang begleiten würde.
Er wollte einfach nur bei dem Werwolf sein, wollte ihn in die Arme nehmen und nie wieder loslassen.
Geduldig hatte er auf seinen Partner gewartet, zwang sich Dhanal wenigstens kurz anzulächeln, ehe er bereitwillig die Hand des Dunkelhaarigen annahm und sich in das Zelt hineinziehen ließ.
Die Illusion von Privatsphäre, die sie hier hatten, würde vielleicht beiden ein wenig guttun.
Langsam schälte der Tiefling sich aus seinen Stiefeln, in jeder anderen Nacht hätte es länger gedauert, bis er mit all seinen nächtlichen Ritualen durch war, heute jedoch war dies nicht der Fall. Jedoch fiel es ihm dieses Mal schwerer eine bessere Position zu finden, in der er zum einen ruhig liegen konnte und zum anderen seine Wunde nicht belastete. Im Normalfall hätte der Gelockte darauf gewartet, dass sein Geliebter sich zum gesellte, hätte seine Arme um den breiten Oberkörper geschlungen, ein Bein zwischen seine geschoben und hätte ihn bis zum Morgengrauen nicht mehr losgelassen.
Ob sie das wieder tun könnten? Würde Aschwin ihn wieder so nah an sich heranlassen?
Fast schon unangenehm erschien ihm die Position, in der er ausharrte, und obwohl der andere sich neben ihn gelegt hatte und er spüren konnte, dass er bei ihm war, war es trotzdem nicht dasselbe. Ihm fehlten seine Arme, sein ruhiger, warmer Atem auf der dunklen Haut, wie es ihm immer wieder angenehme Gänsehaut bereitete.
Es kostete Euphoria so viel Überwindung, sich nicht herumzudrehen und die Nähe zu suchen oder gar ein Wort zu verlieren. Doch er wollte den Jäger auf keinen Fall erdrücken, wollte ihn nicht nur noch mehr von sich stoßen.
Krampfhaft hielt er die goldenen Augen geschlossen, krallte sich an seine Decke fest, die ihm kaum Trost oder Komfort schenkte. Allein der Gedanke, dass sie vielleicht für eine Weile lang so ausharren müssten, bereitete ihm furchtbare Schmerzen in der Brust.
Umso stärker trafen ihn die Worte, die die dunkle Stimme aussprach und als er im nächsten Moment endlich einen Arm um ihn legte, ihm die Nähe schenkte, nach der sich der Tiefling so sehr gesehnt hatte, war es um ihn geschehen.
Tränen kullerten über sein Gesicht, tropften auf sein Haar, seinen Schlafsack und er musste sich auf die Unterlippe beißen, um ein Schluchzen zu unterdrücken.
„Wir...wir bekommen das hin.“, seine Stimme war belegt von all den Emotionen, die mit einem Schlag auf ihn hernieder prasselten. Die Tränen seines Geliebten, das Schluchzen verstärkten es nur noch.
Krampfhaft umfasste er die Hand des anderen, ehe er gar nicht anders konnte, als sich herumzudrehen, um besser in sein Gesicht blicken zu können.
Es war genauso tränenverschmiert wie das des Tieflings und trieb ihm nur noch mehr Tränen in die Augen.
Es war schwer etwas zu sagen, was hätte er auch noch sagen können, was Aschwin einen Hoffnungsschimmer verschaffte. Es war nicht fair, dass er so sehr darunter litt, es war einfach nicht fair, dass er dies durchleben musste. Wie sehr wünschte sich Euphoria doch all seinen Schmerz einfach nehmen zu können.
Sachte fuhr er mit seinen Fingern über die raue Wange, wischte die Tränenspur davon, ehe er es wagte, ihn zu küssen, in der Hoffnung, es könnte ihm ein wenig halt geben.
Schnell hatte er den Körper an sich gezogen, rutschte in eine Position, wo er Aschwins Kopf an seine Brust drücken konnte.
Der Barde konnte nicht sagen, wie lange sie dalagen, Tränen vergossen, wie häufig er sachte durch das dunkle Haar gefahren war, doch Zeit war komplett egal, er hätte eine Ewigkeit bei seinem Partner liegen können, hätte Berge verschoben, um bei ihm zu sein.
„Ich weiß, dass du es wieder gut machen kannst, du...du hast mir seit dem ersten Tag an immer geholfen.“, seine Stimme war ein leises Wispern. „Vergiss niemals, egal was ist, ich liebe dich so so sehr, Aschwin. Nichts auf der Welt wird jemals etwas daran ändern, hast du das verstanden? Gar nichts.“ Er brauchte diesen Mann so sehr, selbst jetzt, wo sie mit der Situation zu kämpfen hatte. Er wollte nicht, dass nichts weiteres als Kälte zurückblieb, er wollte nicht, dass Aschwin jeglichen Emotionen beraubt wurde.
Lieber weinte er mit ihm, weinte so lange, bis die Erschöpfung sie einnahm und sie einschliefen, als dass er jemals wieder die tonlose Stimme und die leeren Augen seines Geliebten ertragen musste.
Nichts tat mehr weh, als Leere.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 8 Icon_minitime1Mi Nov 09, 2022 11:25 pm

Es dauerte nicht lang, bis sich Euphoria zu ihm herumdrehte. Aschwin hatte damit gerechnet, als würde Euphoria es jemals zulassen, dass sie einander zum Weinen brachten und sich dann nicht einmal ansahen. Der Barde hatte die Welt verdient und nun war es nun einmal der Werwolf, den er bekommen hatte. Und Aschwin wusste auch, dass es niemals anders sein konnte. So sehr er es sich auch für Euphoria gewünscht hätte, dass er sein Herz an einen Mann verloren hätte, der ihm ein komfortables und sicheres Leben garantieren konnte, wusste Aschwin doch, dass nichts anderes den anderen glücklich machen würde als er selbst. Mit dieser Gewissheit war es einfacher, sich seinen Emotionen zu stellen und er zog den Tiefling nur noch enger in seine Arme, wollte ihm ebenfalls Halt geben, statt sich nur noch enger in seine Arme zu schmiegen. Seine Hände strichen über seinen Rücken, fanden immer wieder seine Wangen und wischten die Tränen von seinem Gesicht. Irgendetwas musste er doch tun, das war er Euphoria schuldig. Aber gerade schien er nicht zu mehr in der Lage als hier zu liegen und dankbar zu sein, dass der Tiefling ihn überhaupt noch halten wollte. Dass sie sich immer noch in den Armen liegen konnten. Nichts in der Welt wollte Aschwin mehr. Es war vielleicht ganz gut, dass sie für eine Weile nicht redeten, denn Aschwin wusste nicht, ob er einen Ton über die Lippen gebracht hätte. Welche Worte sollte er finden für das, was ihnen wiederfahren war heute? Wenigstens hatten sie einen ganzen Monat Zeit, um sich auf das Schlimmste vorzubereiten, aber Aschwin wusste trotzdem nicht, ob er dazu bereit war.
„Du weißt, dass ich alles für dich tun würde“, murmelte er in seine Kleidung. Er war so unglaublich müde und schwach, als wäre er tagelang nur gerannt.
„I-Ich werde alles tun, um das hier in Ordnung zu bringen. Alles.“
Es tat so gut, den Barden wieder zu küssen, zu wissen, dass er ihn nach all dem immer noch lieben wollte. Dass er es konnte, nachdem Aschwin ihn so angefallen hatte. Zu sehr durfte er nicht darüber nachdenken, sonst würde er in dieses kalte Loch zurückfallen.
„Ich liebe dich mehr als….als irgendetwas anderes, was jemals in mein Leben gefunden hat, Euphoria.“
Die Worte waren schwer für den Werwolf, aber Euphoria musste wissen, dass er sein Leben war, egal, in was für einer Lage sie steckten. Aschwin zog die Decke etwas enger um sie, sperrte die Kälte aus, die vom Zelteingang zu ihnen hinüberwallte.
„W-Wir lernen zusammen, ja?“
Die raue Stimme des Werwolfs begann etwas zu bröckeln.
„Ich habe so sehr Angst, dass ich dir keine Hilfe sein kann. Dass ich gar nicht anders kann, als dich mit diesem Fluch allein zu lassen. Weil ich es selbst nicht kann“, presste er hervor. Es war nicht so, dass er ihm nicht helfen wollte, aber er hatte solch eine Sorge, dass er gar nicht dazu in der Lage war.
„Bitte glaube mir, dass ich alles für dich tue, was ich kann, Euphoria. I-Ich versuche es wirklich, i-ich…“
Früher war es immer einfacher gewesen, allem, was ihn band, den Rücken zuzukehren, aber nun musste Aschwin feststellen, dass die wahre Herausforderung war, zu bleiben. Es war so schwer, nicht daran zu zerbrechen. Aschwin machte sich klein, als könnte er ganz in der Mulde von Euphorias Körper verschwinden. Die Tränen wollten nicht versiegen.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 8 Icon_minitime1Mi Nov 09, 2022 11:52 pm

Es war nicht leicht die richtigen Worte zu finden, irgendwo hatte der Tiefling auch das Gefühl, dass vielleicht gar keine richtigen Worte existierten, zumindest nicht für solch eine Situation. Doch dann wiederum wollte er auch keine falschen Versprechungen machen, etwas Süßes dem anderen vorgaukeln. Sie wussten beide nicht, was auf sie zukam, zumindest nicht genau, und wie Euphoria all dies hinbekommen würde. Eines war jedoch klar, alleine wäre er mehr als nur aufgeschmissen.
Ein schwaches, jedoch liebevolles Lächeln umspielte die dunklen Lippen und er presste seinen Geliebten noch enger an sich heran. Es tat gut zu hören, dass sie immer noch so viel Liebe füreinander empfanden, dass sie sich so wichtig waren und niemals von ihrer Seite weichen würden. Wieso sollten sie auch jetzt einen Rückzieher machen? Ausgerechnet jetzt? Sie hatten so vieles schon durchgemacht und so viel überstehen müssen, er konnte nicht glaubten, dass sie daran wahrlich zerbrechen sollten.
Aschwin war sein Leben, der erste Gedanke, wenn er seine Augen öffnete und der Letzte, wenn er sie nachts wieder schloss. Er war sein Herz, sein bester Freund und einfach das Beste, was ihm jemals passieren konnte. Selbst jetzt empfand er nicht anders.
„Wir lernen zusammen...“, wiederholte die Stimme leise, drückte seine Lippen auf das dunkle Haar, ehe er zu ihm hinunterblickte.
Der Barde konnte seine Sorgen und Ängste verstehen, niemals glaubte er, dass es unnötig war so stark darüber nachzudenken und diese Angst zu empfinden, sie beide wussten, wie schwer es ihm fiel in seiner anderen Form die Ruhe zu bewahren, irgendwie im Einklang mit dem Biest zu sein. Und irgendwo hatte Euphoria Angst, dass es ihm ebenfalls schwerfallen würde. Aschwin hatte immerhin sein Leben lang damit zu kämpfen gehabt, wie schlimm würde es also werden, wenn man zum ersten Mal damit konfrontiert werden konnte. Der Tiefling war so ungemein emotional, dass es manchmal schwer war, sich davon loszulösen und vernünftig zu denken. Was, wenn er als Werwolf sich noch stärker auf Emotionen stürzte und es ihn rasend machte? Es waren Fragen, die keiner von ihnen beantworten konnte, noch nicht zumindest und er wollte seinen Geliebten auch nicht mit dieser Bürde zusätzlich belasten.
Darüber hinaus, vielleicht brauchten sie nur einander?
„Wir...wir stellen sicher, dass ich nicht allein bin...wenn wir zusammen sind, ist es vielleicht einfacher? Vielleicht können wir uns aufeinander konzentrieren.“
Als die nächsten Worte erklangen, spürte der Gelockte einen weiteren Stich im Herzen, eine Welle von Sorge und Traurigkeit. „Ich weiß es doch, Aschwin...i-ich weiß, dass du für mich da bist. Wir...wir sind füreinander da und...wir üben früh! Der nächste Vollmond dauert...wir können uns vorbereiten.“
Immer wieder strichen die Finger sachte über Aschwins Rücken, pressten ihn enger an sich heran. Er versuchte ihn mit leichten Küssen auf seinem Haar zu beruhigen, selten hatte der Barde ihn so erlebt und selten fühlte er sich so hilflos, beinahe schon nutzlos. Er wollte seinem Partner helfen, er wollte ihm die Ruhe verschaffen, die er verdient hatte.
Nur eine Sache war dem Tiefling in den Sinn gekommen, die vielleicht helfen konnte, die seine Gedanken kurz ablenkte und vielleicht Schlaf herbeirufen konnte.
Erst war seine Stimme nur ein Wispern, schwach vor Erschöpfung, ehe er neue Kraft tankte und begann leise neben seinem Ohr zu singen, so leise, dass nur er es vernehmen sollte. Aschwin mochte es, wenn er sang, es hatte ihm häufig genug die innere Ruhe gespendet, die er benötigte und Euphoria betete zu all den Göttern da draußen, dass es diesmal auch helfen konnte.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 8 Icon_minitime1Fr Nov 11, 2022 4:36 pm

Die Nacht war lang gewesen und viel Schlaf hatten sie wohl beide nicht gefunden. Aber irgendwie hatten sie sich gegenseitig über Wasser gehalten, sodass sie in den frühen Morgenstunden in den Armen des anderen eingenickt waren. Dennoch fühlte sich Aschwin am nächsten Morgen wie gerädert und Euphoria sah nicht aus, als wenn es ihm viel besser gehen würde. Wenigstens schienen die Schmerzen langsam etwas nachzulassen. Aschwin jedenfalls ging sicher, dass seine Schulter ständig mit Kräutern verbunden war, schaffte es zu mindestens, wieder etwas sachter mit ihm zu sein. Dennoch drückte die Schuld ihm weiter schwer aufs Gemüt. Auch so war der Werwolf kein besonders gesprächiger Mensch, aber jetzt schien er bis auf wenige Worte, die er mit dem Tiefling wechselte, vollkommen verstummt. Er wusste einfach nicht, was er den anderen sagen sollte, wie er sich für alles entschuldigen konnte. Außerdem war es ihm wichtiger, Dinge zu tun, die Euphoria tatsächlich helfen würden und Reden gehörte nicht zu den Dingen, die er tun konnte, um ihm zu helfen.
Die Sonne stand hoch am Himmel, brach aber nur an den lichtesten Stellen durch die Wipfel des Waldes. Sie hatten für den Moment ein Lager auf einer Lichtung aufgeschlagen und wollten sich ein paar Tage Ruhe gönnen, die sie alle dringend benötigten. Aschwin hatte Euphoria am frühen Nachmittag mit sich in den Wald gebeten, weg von der Lichtung, weg von ihren Freunden. Irgendwo mussten sie beginnen und er war es Euphoria schuldig, dass er ihm zeigte, wie alles ging. Und was seine Verwandlung in einen Wolf betraf, hatte sich Aschwin eigentlich immer sehr sicher gefühlt. Leider war selbst diese Verwandlung mit Schmerzen verbunden, dass Aschwin sich dennoch schwer damit tat, den Barden aktiv zu dieser Prozedur zu ermutigen. Außerdem, jetzt, wo er hier stand und Euphoria ihn von seinem Platz auf einem Baumstamm aus mit großen Augen anblickte, musste der Jäger feststellen, dass Erklären leider auch Worte und Reden erforderte.
„A-also ich dachte, vielleicht zeig ich dir das…das mit dem normalen Wolf zuerst?“, begann Aschwin etwas unsicher. Es war, als wenn man jemandem das Atmen erklären musste, etwas, was er selbst so natürlich tat, dass er gar nicht große über die Mechanismen dahinter nachdachte.
„Es tut etwas weh, aber nicht besonders und ehrlich gesagt, ist es wenigstens die Wolfsform wert“, gestand er ihm und trat etwas näher zu ihm heran.
„Normalerweise müsstest du fühlen können, dass du dich verändern kannst? Gib dem Ziehen nach, aber…aber nur dem schwachen Ziehen, nicht dieser Wut und Raserei, die in deinem Inneren brodelt. Aber du musst es dann auch durchziehen.“
Aschwin überlegte, was er dem anderen noch mit auf den Weg geben konnte und griff schließlich nach dem Amulett um seinen Hals, es abnehmend und vorsichtig Euphoria um den Hals legend.
„Damit das mit der Kleidung nicht so ein Problem ist“, fügte er hinzu und griff nach der Hand des Barden.
„Und ich verwandel mich direkt nach dir, dann ist es….einfacher sich zu verständigen.“
Aschwin drückte die Hand des anderen etwas fester und nickte ihm bekräftigend zu. Vermutlich hätte Euphoria das alles so viel besser und liebevoller erklären können, aber Aschwin konnte den anderen nur aus grauen Augen ermutigend anblicken.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 8 Icon_minitime1Sa Nov 12, 2022 1:12 am

Müdigkeit hatte sich irgendwann auf den schmalen Körper gelegt und ihn dazu gezwungen einzuschlafen. Kurz hatte er Sorgen gehabt, dass vielleicht schlimme Träume den Tiefling plagen würden, der wummernde Schmerz seiner Wunde sich irgendwie auf den Schlaf übertrug, doch zu seiner Überraschung war die Nacht ruhig und traumlos gewesen, wenn auch ein wenig kurz.
Er war dankbar dafür, dass er nicht allein war, dass er sich ganz nah an Aschwin halten konnte, seine Wärme spürte, die ihm Ruhe und Geborgenheit spendete.
Sie wussten nicht, was die nächsten Tage mit sich bringen würden und der Barde wusste, dass sie nicht einfach so ihrem Alltag nachgehen könnten. Abgesehen davon brauchte er ein wenig Zeit, bis seine Wunde verheilte und langsam aber sicher glaubte Euphoria auch, dass es schon bald wieder nicht mehr schmerzen würde.
Ihm war aufgefallen, dass der Werwolf seine Worte ungemein reduziert hatte, vor allem den anderen gegenüber, doch niemand erwartete von ihm, dass er viel zu ihnen sprach, immerhin wusste jeder, dass Aschwin ein wortkarger Mann war, insbesondere in Situationen, wo er sich nicht allzu wohl fühlte. Euphoria kreidete es ihm keineswegs an, immerhin war er immer noch für ihn da, sprach zu ihm und half ihm bei jeder Sache.
Erst hatte der Lockenkopf gar nicht wirklich gewusst, ob sich an seinem Körper etwas geändert hatte, doch als sie einige Stunden im Wald marschierten, um nach einem guten Lager zu suchen, merkte er schnell wie intensiv sich alles anfühlte. Der Duft, die Geräusche....es war so ungewohnt, so stark, dass er nicht zu selten kurz stehen blieb und sich fragte, ob er wirklich gerade etwas gehört hatte.
Auch, als der Dunkelhaarige ihn etwas weiter weg von ihrem neuen Lager führte, war er fast schon zu abgelenkt von den Eindrücken, die auf ihn einprasselten. Fühlte sich der andere täglich so?
Erst, als die dunkle Stimme in seinen Ohren erklang, schauten die goldenen Augen auf, blickten fragend und interessiert in das hübsche Gesicht seines Partners.
„Oh, das klingt nach einer super Idee!“, erwiderte der Barde mit einem Lächeln. Als normaler Wolf war er immer ruhig gewesen, oder schien zumindest sich gut unter Kontrolle haben zu können. Zu gerne wollte der Tiefling wissen, ob er auch zu so etwas imstande war.
Aufmerksam lauschte er, was ihn erwarten würde und nickte andächtig. „A-also ich...ich glaube ich weiß, was du meinst?“, Euphoria hatte dieses Gefühl eher als undefinierbar empfunden, als ob seine Kleidung nicht vernünftig saß und gerichtet werden musste. Doch wenn er länger darüber nachdachte, dann war es auch vielleicht der Drang wahrlich nicht mehr in dieser Haut zu stecken. Ein seltsamer Gedanke. „Okay also...ich muss mich diesem Drang hingeben, aber nicht zu stark? Ich...ich versuche mein Bestes!“ Er wollte Aschwin nicht enttäuschen und hoffte so sehr, dass er es nicht vermasselte, nicht so schnell.
Mit großen Augen umfassten die schlanken Finger das Amulett, ehe er in die grauen Augen blickte. „Danke, daran habe ich gar nicht gedacht.“ Es tat gut die Hand des anderen zu halten, seinen ermutigenden Blick zu spüren, denn langsam bekam der Lockenkopf es doch ein wenig mit Angst zu tun. Es war nicht wie ein Zauber, den er auf sich wirken konnte, es war mit weitaus mehr Konsequenzen verbunden und er wollte um alles in der Welt es nicht vermasseln!
Der Barde atmete noch einmal tief ein und aus, schloss kurz seine Augen und versuchte sich auf die Verwandlung zu konzentrieren, auf das, was in seinem Inneren hintergründig zu brodeln schien.
Es war nicht leicht sich nicht von diesem Kochen, dem Wilden hinzugeben, was sich nach ihm ausstreckte und kaum hatte er das Gefühl gehabt, er hätte den Trick rausbekommen, merkte er bereits, wie seine Knochen die mit Abstand unangenehmsten Geräusche von sich gaben, laut in seinem Körper zu knacken und sich zu verformen begannen.
Ruckartig hatte er die Hand seines Geliebten losgelassen, der Schmerz ließ ihn keuchend zu Boden gehen, ehe er mit einem Ächzen und Stöhnen nach und nach die Form änderte, die violette Haut dichtem Fell wich.
Es hatte sich wie eine Ewigkeit angefühlt, sich zu verwandeln, doch in Wirklichkeit war nicht einmal eine Minute vergangen, als anstelle eines Tieflings ein golden gefärbter Wolf vor dem Dunkelhaarigen stand. Kleine gedrehte Hörner, eines nur halb präsent, und strahlend goldene Augen waren wohl die einzigen Merkmale, die irgendwie darauf hinwiesen, dass es sich hierbei um den Barden handelte.
Groß war der Wolf, schlank und stand auf unsicheren Beinen, während er den Kopf schief legte und fragend in Aschwins Richtung blickte.
Sein Verstand war nicht ganz klar, er war erfüllt von Aufregung und Neugierde, merkte nicht einmal, wie der puschelige Schweif hin und her peitschte.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 8 Icon_minitime1So Nov 13, 2022 12:54 am

Obwohl Aschwin nicht das Gefühl hatte, dass er die Vorgänge der Wolfsverwandlung besonders geschickt artikuliert hatte, schien Euphoria wenigstens verständnisvoll zu nicken und gab ihm damit das Gefühl, dass seine Worte nicht vollkommen jenseits der Realität waren. Er nickte ihm bedächtig zu und hielt seine Hand so lang, bis Euphoria sie wegziehen musste. Es schmerzte den Jäger, ihn leiden zu sehen, wusste er doch selbst nur allzu gut, wie sehr es schmerzte. Für ihn war diese Pein mittlerweile ein bekanntes Übel, aber er konnte Euphoria ansehen, wie sehr er mit sich zu kämpfen hatte. Aschwin hielt seine Hand so lang, wie es ging, und ging anschließend vor ihm in die Hocke, um ihm so nah zu sein wie möglich, ohne ihn zu beengen.
Noch nie hatte er darüber nachgedacht, wie Euphoria als Wolf aussehen könnte, aber überrascht war er auch nicht, als sich unter Knacken und Ächzen aus dem Tiefling ein schmaler, heller Wolf mit Hörnern formte. Anscheinend musste der Tiefling in jeder Form einfach ein extravagant sein. Die strahlend goldenen Augen waren unverkennbar die seines Freundes und Aschwins Herz erwärmte sich bei all dem Elend, das Euphoria einfach immer er selbst war. Es erschien dem Jäger nicht so, als wenn Euphoria nach der Verwandlung noch Schmerzen hatte, wenn er so mit dem Schwanz wedelte, und Aschwin schenkte ihm ein warmes Lächeln, streckte vorsichtig die Hand nach ihm aus. Er war gut darin, die Körpersprache von Tieren zu lesen, und dass sich hinter dieser pelzigen Stirn Euphorias Verstand befand, machte es ihm nur umso einfacher.
„Nicht schlecht für den ersten Versuch“, entgegnete er Euphoria mit einem Lächeln und fuhr über das dichte Fell zwischen seinen Ohren. Dann schälte er sich langsam aus seiner eigenen Kleidung, um sie nicht zu beschädigen und legte sie fein säuberlich auf den Baumstamm, den eben noch der humanoide Euphoria besetzt hatte. Schon lange hatte er sich schon nicht mehr entkleiden müssen, um sich zu verwandeln und es war irgendwo ein ungewohntes Gefühl. Aschwin kostete es weniger Überwindung, seine Form zu ändern, verzog dabei auch kaum das Gesicht. Mit dem Knacken seiner Knochen stand er kurze Zeit später ebenfalls als Wolf auf der Lichtung.
In Menschengestalt war es ihm nicht so extrem aufgefallen, doch Euphoria war ein ganzes Stück kleiner als er, und noch dazu schmaler gebaut. Jetzt, wo sie beide in Wolfgestalt waren, sprachen sie wenigstens wieder die gleiche Sprache.
„Du bist klein“, stellte er schließlich mit einem Brummen fest und ließ sich vor ihm auf den Boden sinken, um mit dem anderen auf eine Augenhöhe zu gelangen.
„Wenn du willst, können wir den Wald etwas erkunden, du hast jetzt bessere Sinne als vorher. Oder du versuchst, dich ein bisschen an deine Form gewöhnen“, fügte Aschwin mit einem Räuspern hinzu. Euphoria bewegte sich wie ein neugeborenes Reh und es war irgendwo lustig, ihm dabei zuzusehen, wie er unbeholfen über die Lichtung stakste.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 8 Icon_minitime1So Nov 13, 2022 12:04 pm

Es war nicht einfach zu beschreiben, was der Tiefling gerade fühlte. Einerseits glaubte er er selbst zu sein, seine Gedanken waren seine und wenn er so der Stimme des anderen lauschte, verstand er auch jedes Wort. Und dennoch waren die Empfindungen intensiver, anders als alles, was er vorher je empfunden hatte. Wo er in Normalfall Aschwin ein sanftes Lächeln geschenkt hätte, schien beinahe sein gesamter Körper freudig zu wackeln, als die rauen Finger durch sein Fell fuhren. Wieso fühlte es sich so gut an? Euphoria konnte nicht anders, als ein zufriedenes Brummen auszustoßen, ehe sich die Ohren beinahe schockiert aufstellten, als sein Freund einfach so mit diesen wunderbaren Berührungen aufhörte?
Es war nicht leicht einfach nur auf den Beinen zu stehen, sodass der Wolf sich auf dem Waldboden hinsetzte, den Dunkelhaarigen dabei beobachtend, wie er sich seiner Kleidung entledigte und kurzer Zeit später seine menschliche Gestalt der eines großen Wolfes wich.
Der Barde wusste wie groß dieses Wesen war, jetzt wurde ihm allerdings bewusst, dass er ihn hier immer noch ziemlich überragte.
„Du bist zu groß!“, Euphoria hinterfragte gar nicht, wie sie in der Lage waren sich zu verständigen, es fühlte sich einfach alles natürlich und richtig an. Langsam trat er näher an seinen Geliebten heran, war erneut auf den wackeligen Beinen. Ob er sich schnell daran gewöhnen würde?
„Ich werde das schon auf dem Weg irgendwie herausfinden! Lass uns erkunden gehen!“ Er konnte spüren, wie sein Körper vor Aufregung gar nicht aufhören wollte sich zu bewegen, wie er immer wieder über irgendeine Wurzel stolperte, während er versuchte zu demonstrieren, dass es schon irgendwie funktionieren würde. „So viele Beine...wie machst du das?“ Die goldenen Augen blickten seinen Gegenüber an, musterten ihn noch einmal genauer. Nicht nur, dass Aschwin größer war, er war auch noch breiter gebaut, da konnte man nicht anders, als darauf zu warten, was er machte, damit er ihm folgen konnte. Außerdem hatte er wohl auch mehr Ahnung und Erfahrung.
Liebevoll stupste der Tiefling seinen Geliebten mit der Schnauze an, er wusste gar nicht, wieso er so wenig Geduld hatte, doch sein Körper schien mit neuer Energie gefüllt zu sein und er wollte sie am liebsten loswerden, wollte am liebsten wild durch den Wald rennen, sich ganz den Sinnen hingeben, auch, wenn er nicht genau wusste, wie er sich jemals auf eine Sache konzentrieren konnte. Immer wieder waren neuartige Gerüche in seine Nase gekrochen oder seine Ohren waren erfüllt von den zahlreichen Geräuschen, dass er gar nicht wusste, wohin er sein Augenmerk zuerst legen sollte.
„Wie...wie konzentrierst du dich auf irgendwas, hier ist so viel los!“, der Wolf stieß ein fast schon frustriertes Grummeln aus. Er musste wohl wahrlich alles lernen.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 8 Icon_minitime1Mo Nov 14, 2022 12:42 am

Während Aschwin ruhig den großen Kopf drehte und den hektischen Bewegungen seines Freundes folgte, konnte er nicht umhin, leicht in sich hinein zu schmunzeln. Es war wirklich, als wenn Euphoria noch nie in seinem Leben einen Fuß vor den anderen gesetzt hätte, oder in diesem Fall, eine Pfote vor die andere. Für den Jäger war diese Situation keine, in die er sich hineinversetzen konnte, das Leben in mehreren Formen war ihm schon von Geburt an in die Wiege gelegt worden.
„Das mit den vielen Beinen kommt irgendwann von ganz allein“, entgegnete er ihm mit einem Hauch von Belustigung in seiner Stimme und erhob sich auf alle Viere. Euphorias Kopf ging ihm nicht einmal ganz bis zur Schulter und war vielleicht halb so massig. Wenigstens war der Unterschied zwischen ihnen in menschlicher Gestalt nicht so dramatisch, Aschwin wusste nicht, wie er es gefunden hätte, seinen Partner so sehr zu überragen. Ungeduldig stupste der kleine goldene Wolf ihn mit seiner Schnauze an und ohne, dass Euphoria noch viel mehr sagen musste, merkte Aschwin, wie sich seine kribbelige, aufgeladene Energie auf ihn übertragen wollte. Es war zum Verrücktwerden, wie wenig Ruhe in dem kleinen Körper zu stecken schien, dass er zu explodieren schien vor Energie.
Spielerisch und ohne Gewalt, aber dennoch energisch legte Aschwin eine schwere Pfote auf die Schultern des Kleineren, zwickte ihn leicht mit den Zähnen ins Ohr, damit er sich wenigstens für kurze Zeit ruhig hinlegte.
„Schließ die Augen“, diktierte er ihm.
„Und bleib still sitzen. Still hab ich gesagt.“
Selbst jetzt schien der ganze Körper des Wolfes noch zu vibrieren. Wo war er stehen geblieben? Es war gewiss nicht einfach, sich auf einen Gedanken zu konzentrieren, wenn Euphoria solch eine Unruhe verbreitete!
„Deine Nase ist das Wichtigste, was du hast. Versuch, dich erst mal nur darauf zu konzentrieren.“
Aschwin reckte selbst seine Schnauze in die Luft und ließ die Gerüche einströmen. Es roch nach Wald, da waren viele Nuancen, die sich zu einem Gesamtbild zusammenfügten. Aschwin konnte die Blätter riechen, das Baumharz, die Pilze, das modrige Laub unter der obersten Schicht….Er konnte all diese Dinge einzeln riechen, aber er ließ zu, dass sie ineinander verschwommen, bis er einen von ihnen herausfiltern musste. Der Geruch von Wildtieren lag scharf über dem des Waldes. Ein paar Rehe waren ganz in der Nähe, vielleicht war das etwas, womit er Euphoria ein bisschen auspowern konnte.
„Riechst du das Wild? Die Rehe?“
Der Tiefling brauchte etwas länger, aber bestätigte schließlich seine Frage.
„Gut, darauf konzentrierst du dich. Deine Ohren, deine Augen, das ist erstmal nebensächlich. Folg dem Geruch.“
Jetzt war es Aschwin, der den anderen mit der Schnauze anstieß und ihm ein Zeichen gab, sich zu bewegen. Er verfiel in einen langsamen Trott, nicht so schnell, wie er ohne einen Begleiter gewesen wäre, aber schnell genug, dass er seine Muskeln strecken konnte und den Wind in seinem Fell spürte.
„Hör auf zu denken, deine Beine wissen schon, was sie tun“, knurrte er Euphoria zu, während er sich durchs Unterholz duckte, dem verführerischen Geruch entgegen. Ob der Tiefling sich langsam besser in diesem Körper zurechtfand? Ob es ihm gefiel? Wenn Aschwin sonst schon nur für Elend sorgte, wollte er wenigstens diese erfreuliche Erfahrung mit seinem Freund teilen.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 8 Icon_minitime1Di Nov 15, 2022 2:34 pm

Euphoria war schon immer ein Energiebündel gewesen, war immer von einer gewissen Unruhe umgeben. Doch dass es in der Wolfsform noch stärker sein würde, hätte wohl keiner ahnen können. Am liebsten wäre er auf und ab gehüpft, wäre durch die Lichtung mit seinem Partner gerannt, bis keine Kraft mehr in den langen Beinen steckte. Doch immer noch fiel es ihm schwer, sich ganz in diesem neuen Körper zurechtzufinden, mit all den Eindrücken vernünftig klarzukommen.
Umso dankbarer war er, dass Aschwin viel ruhiger war als der schmale Wolf, dass er wusste, was zu tun war und ihm helfen konnte.
Der Tiefling setzte sich unweigerlich wieder hin, blickte fragend zum anderen hinauf. Es war schwer still zu halten und auch, wenn er nur so saß, spürte er, wie sein Schwanz immer noch aufgeregt zu wedeln schien.
Stumm folgte er den Anweisungen des Werwolfs, schloss die goldenen Augen und streckte seine Schnauze gen Himmel, in der Hoffnung so alles besser in sich aufnehmen zu können.
Der Wald war erfüllt von so vielen Gerüchen, die seine normale Nase nie im Leben auch nur ansatzweise hätte aufnehmen können. Es war für den ersten Moment fast schon erschlagend, bis er sich schnell an alles gewöhnte und glaubte, dass er sogar wusste, welche Gerüche wozu gehörte.
Als Aschwins Stimme erklang, strengte sich der schmale Wolf umso stärker an, suchte den Duft heraus, der leicht zu ihnen herüberwehte. Es hatte wahrscheinlich länger gebraucht, doch Euphoria fühlte sich nicht schlecht, dass er erst später dem anderen entgegen nickte. „Ich glaube ja!“, erwiderte er, fast schon stolz auf sich selbst.
Hastig erhob sich der schmale Körper, trottete so schnell er konnte seinem Geliebten hinterher. Es war anfangs nicht leicht ein Tempo zu finden, ab und an stolperte er doch über überstehende Wurzeln, doch mit jedem Schritt, den er in den Wald hineinwagte, fühlte er sich immer sicherer, versuchte den Anweisungen des großen Wolfes zu folgen. Immerhin dachte er in seiner eigentlichen Gestalt auch nicht darüber nach, was seine Beine taten, wozu seine Arme in der Lage waren.
Der Barde hielt kurz inne, streckte noch einmal seine Schnauze aus, um den Geruch weiter folgen zu können. „Ich glaub ich verstehe das langsam.“, sein Blick wanderte zu Aschwin, ihn mit großen, freudigen Augen anblickend.
Sobald die ersten Hürden überwunden waren und er glaubte sicherer auf den Beinen zu sein, schnellte er voran, etwas, was er noch nie vorher konnte, genoss es all seine Energie zu investierten die Rehe zu suchen, dessen Geruch immer intensiver zu werden schien.
Kurz vorher hielt der Wolf jedoch inne, streckte seinen Kopf zu seinem Nebenmann aus, ihn dabei fragend anblickend. Er wusste gar nicht, was sie vor hatten. Wollten sie jagen? Wollten sie ihnen nur hinterherlaufen oder war es nur eine Hilfestellung, die Euphoria das Wolfsein besser erklären konnte? „Sie sind nicht weit, oder? Was machen wir jetzt?“ Er war näher an den anderen Wolf herangetreten, lehnte sich ihm leicht entgegen. Selbst hier war es schwer sich allzu lange von Aschwin zu trennen, seine Nähe nicht zu suchen.
Der Tiefling wollte mehr erfahren, wollte am liebsten durch den gesamten Wald rennen, Aschwin hinterherjagen und diese neuen Eindrücke erfahren. Es war vielleicht alles neu und ungewohnt, doch genau das machte es umso spannender und aufregender für den goldenen Wolf.

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Danger Danger :: Kategorie :: Stories-
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