Danger Danger
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High Voltage
 
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  Wolfsong

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1Mi Apr 28, 2021 7:58 pm

Es war nicht leicht auf die dunkle Stimme zu hören, beinahe fühlte es sich so an, als ob sein Verstand alles daran setzte alles auszublenden und sich ganz der Panik hinzugeben. Euphoria zitterte, alles schmerzte, alles war zu viel und für einen Moment glaubte er, er wäre endgültig verloren.
Die Nähe zu seinem Geliebten drang erst viel zu spät zu dem schmalen Körper durch, die rauen Hände, die sein Gesicht berührten und die unkontrolliert fließenden Tränen von seinen Wangen wischten.
Der Barde wollte protestieren. Natürlich musste er sich entschuldigen, es war egoistisch und ignorant von ihm, sich gerade in den Mittelpunkt zu stellen, schließlich hatten sie alle das Gleiche durchgemacht! Aschwin selbst hatte doch so viel durchleben müssen in den letzten Tagen, dass es unfair war, hier auf dem Boden zu sitzen und die Seele aus dem Körper zu weinen. Allein dieser Gedanke ließ den gelockten Kopf weiter kreisen, wie Gift schossen die Erkenntnisse durch seine Venen, sein Herz pochte wild in der Brust, während seine Finger sich regelrecht im Teppichboden festkrallten.
Euphoria suchte die grauen Augen seines Gegenübers und versuchte die Ruhe zurückzugewinnen, die ihm der Werwolf doch stets gespendet hatte, versuchte Geborgenheit in seiner Stimme zu finden, die er so dringend brauchte. Zögerlich nickte er und versuchte seiner Aufforderung nachzugehen, auch, wenn seine Lungen auf einmal sich so alt anfühlten, als ob er nach so vielen Jahren zum ersten Mal lernte richtig zu atmen. Alles brannte und er suchte schnappend nach Luft und glaubte wieder zu ersticken.
Der Tiefling konnte nichts sagen, konnte nicht auf das antworten, was sein Geliebter ihm entgegenbrachte, dafür klammerte er sich an den Ring, den er ihm in Myrnia geschenkt hatte. Gott, es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, als sie die Läden durchstreift hatten, sich alle gerade erst vernünftig kennenlernend. Seine goldenen Augen fixierten den Stein, welches vom Kupfer eingefasst wurde, während seine Fingerkuppen über die kleine Gravur im inneren des Ringes strich und er sich an die Ungewissheit und Spannung zurückerinnerte, die die beiden umgeben hatte, wie er mit kleinen Signalen versuchte herauszufinden, wie es um den Dunkelhaarigen stand und er Interesse an dem Barden zeigte.
Für einen kurzen Augenblick war es einfach sich in diesen Gedanken zu verlieren, sodass das Schluchzen langsam abebbte und er versuchte sich der Atmung des anderen anzupassen.
Aschwin war hier, Aschwin war bei ihm und er musste keinen Tag ohne ihn aushalten. War das nicht das Wichtigste?
Langsam blickte der Gelockte erneut auf, blickte in das hübsche Gesicht seines Partners und strich sanft über seine Wange. „I-ich….ich hab dich fast verloren…i-“, Euphoria hielt inne. „Ich wollte nicht mehr sein…ohne euch, ohne dich…“ Mit diesen Worten schlang er seine Arme um den Werwolf, drückte sich so fest an seine Brust, wie es nur möglich war, während seine Finger sich krampfhaft in seiner Kleidung vergruben. „Aschwin, ich weiß nicht, ob ich das noch kann…ob…ob ich so weitermachen kann.“, presste er verzweifelt zwischen seine Lippen. Euphoria schloss seine Augen, so fest er nur konnte, in der Hoffnung, dass es ein Traum war, ein langer, grauenvoller Traum und sie noch die Chance hatten so vieles ungeschehen zu machen. Dass sie die Chance hatten, Aschwins Onkel zu retten, Elda vor dem Tod zu bewahren. Er hätte dafür beide Hörner aufgegeben und noch so vieles mehr, nur, damit nicht die zum Schluss bestraft wurden, die es nie verdient hatten.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1Mi Apr 28, 2021 11:44 pm

Aschwin beobachtete, wie seine Methode zu mindestens für einen Moment Wirkung zu zeigen schien. Euphorias Atem wurde etwas ruhiger und sein Blick haftete an dem Ring, ließ seine Finger darüber kreisen. Mit sachten Berührungen an seinen Unterarmen wollte Aschwin dem anderen das Gefühl vermitteln, dass er nicht allein war und der Jäger ihn nicht verlassen würde. Niemals wieder wollte er den Tiefling mit seinen Ängsten allein lassen. Denn nichts schien Euphoria gerade mehr zu plagen als die Angst vor der Einsamkeit. Man konnte es in seinem Gesicht lesen, als er zu ihm aufblickte und durch sein Gesicht strich. Aschwin legte seine Hand an die des Barden, wollte ihm einfach Nähe vermitteln.
„Ich bin aber noch da. Wir sind alle noch da, Euphoria.“
Da waren sie wieder, die Worte, die so schwer zu finden waren und Aschwin war schon beinahe froh, als Euphoria sich so plötzlich an ihn drückte und seine Nähe suchte. Ihn zu halten war einfacher als zu reden und Aschwin schlang automatisch seine Arme um ihn und zog Euphoria in eine noch festere Umarmung. Sein Körper rückte sich so zurecht, dass er den anderen so gut es ging in die Mulde seines Körpers ziehen konnte, auf dass sie kein Zentimeter mehr trennen sollte.
„Wir müssten das alles hier nicht machen“, murmelte er in die weichen Locken des anderen hinein und umfasste vorsichtig seinen Hinterkopf.
„Ich würde überall mit dir hingehen. Solange wir zusammen sind.“
Es schmerzte Aschwin, aber er war nicht für ein ruhiges Leben geschaffen. Jedenfalls nicht so, wie es gerade war. Wie sollte er jemals ein beschauliches Leben führen, wenn er mindestens einmal im Monat eine Gefahr war für sich und alle, die ihm nahe waren? Aber das musste der Barde gerade nicht hören. Und dass Aschwin alles tun würde, um den Barden glücklich zu machen, war ebenfalls keine Lüge. Euphoria hatte immerhin schon viele Dinge möglich gemacht, die er zuvor nicht für machbar gehalten hatte.
„Aber wir sind ziemlich gut in dem hier. Wir haben Zeit, Euphoria. Du musst nicht gleich…funktionieren.“
Aschwin raffte den Körper näher an sich und erhob sich, den Barden in den Armen, wie er ihn schon den ganzen Tag über getragen hatte. Seine Arme wurden dessen nicht müde. Euphoria zu tragen, seine Last zu tragen, das war, was er tun wollte. Vorsichtig setzte er den Tiefling aufs Bett, blieb nur für einen kurzen Augenblick von ihm getrennt, bevor er zu ihm aufs Bett rutschte und Euphoria nah an seine Brust zog.
„Es vergeht, Euphoria, glaub mir. Die Angst, die Panik. Ich bleibe bei dir, bis sie fort sind.“
Bei jedem Schluchzen strich der Werwolf vorsichtig über seinen Rücken, versuchte, sein langsames Atmen an ihn anzugleichen, damit Euphoria sich beruhigte.
„Willst du ein Bad nehmen? Um das alles loszuwerden?“

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1Do Apr 29, 2021 12:16 am

Sie waren hier, sie waren bei ihm und wohlauf und irgendwo wollte etwas in ihm daran glauben, dass er nicht nur Tränen vergoss vor Angst und Panik, sondern auch vor Erleichterung und der unendlichen Dankbarkeit, dass sie wohlauf waren, dass die Tage, in welchen Euphoria geglaubt hatte alles endgültig verloren zu haben, nun endgültig vorbei waren.
Jedoch schien es nicht so einfach zu sein und der Barde verstand selbst nicht, weswegen es ihm so unfassbar schwerfiel von diesen grauenvollen Gedanken abzulassen, war es doch nicht das erste Mal, dass etwas Schlimmes in seinem Leben passiert war. Doch vielleicht war dies auch der springende Punkt?
Bei den nächsten Worten, die über Aschwins Lippen glitten, drückte er sich noch enger an ihn heran. Wie gerne hätte er ihn bei der Hand genommen und wäre fortgegangen, irgendwohin, wo ihnen niemand mehr wehtun konnte, wo keine lebensgefährlichen Aufträge ihr Alltag war und wo sie nicht für Revolutionen und andere größere Ereignisse sorgen mussten. Er wollte nicht mehr, er wollte seine Freunde nicht verlieren, zwei waren schon zu viele. Was, wenn sie das nächste Mal nicht so viel Glück hätten?
„W-was, wenn ich nicht mehr funktionieren werde?“, aus großen Augen heraus suchte er den Blick seines Geliebten. Würden die anderen ihn noch bei sich haben wollen? Würde Aschwin ihn bei sich haben wollen? Hastig versuchte der Gelockte diese Fragen wegzuschütteln, er wollte nicht so düster denken und wusste er doch auch, dass Aschwin ihn niemals für so etwas verlassen würde, dass er für ihn da wäre.
Euphoria schlang seine Arme um den Hals seines Geliebten, ließ ihn wie bereits in dieser verfluchten Festung tragen. Er hatte nicht die Kraft und nicht das Verlangen zu protestieren, er wollte von ihm gehalten werden, so häufig und so fest es nur möglich war.
Kaum lagen sie auf dem Bett, schmiegte sich der Tiefling eng an den Werwolf heran, leise schniefend. „Ich habe Angst, dass ich so bleibe…ich möchte nicht so bleiben.“, Euphoria vergrub sein Gesicht in der Brust des Dunkelhaarigen, kniff noch einmal die Augen zusammen, als sie begannen zu brennen. Sein Gesicht musste so grauenvoll gerade aussehen.
„Ich werde dich nie wieder loslassen, Aschwin…nie wieder…“, murmelte seine Stimme, während er nach Luft schnappte. Der Barde spürte, wie die Panik wieder aufkeimte und drückte sich ein weiteres Mal so fest wie möglich an den anderen und versuchte das zu tun, was er ihm vorher aufgetragen hatte, suchte nach Luft und drückte den Ring, der immer noch in seiner Hand lag, noch ein wenig stärker.
Bei den nächsten Worten blickte der Gelockte leicht auf und nickte dabei stumm. Das Bisschen Wasser, mit welchem er sich Blut und Schmutz grob fortgewischt hatte, war nicht genug. Immer noch haftete sein Aufenthalt im Kerker auf seiner Haut, seiner Kleidung, die Überreste der Folter, der er ausgesetzt wurde.
Langsam erhob sich der schmale Körper, wartete darauf, dass Aschwin ihn zum Badezimmer begleitete. Er wollte keine Sekunde lang allein bleiben und lieber schaute er dabei zu, wie die Wanne sich mit Wasser füllte, als im Bett allein zu warten.

Wie tausende Nadeln fühlte sich das heiße Wasser an, als der entkleidete Leib sich langsam niederließ, immer noch leicht bebend, doch wenigstens hatte er für einen Moment aufgehört seine Tränen zu vergießen.
Euphoria hätte den Jäger gebeten, zu ihm zu kommen, doch er brauchte keine Worte zu verschwenden, da war er schon wieder an seiner Seite und er konnte sich an den muskulösen Körper schmiegen.
Langsam fuhren seine Finger über die kleinen Schnitte, über die Wunde, die ihm das Bewusstsein nahm und seine Lippen begannen zu beben „Irgendwann hab ich keine Stelle mehr, die unversehrt ist…ich…das klingt so oberflächlich, aber…ich hatte mich gerade an all das gewöhnt und jetzt….“, er ließ seinen Arm schlapp ins Wasser fallen. „Jetzt muss ich von vorne beginnen.“

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1Fr Apr 30, 2021 5:48 pm

Es hätte Aschwin gewundert, wenn Euphoria sein Angebot ausgeschlagen hätte. Ein heißes Bad würde die Gefangenschaft wenigstens äußerlich von ihm abwaschen und seine Panik etwas abflauen lassen. Außerdem war es immer ein guter Grund, sich nah zu kommen und auch Aschwin hatte es schmerzlich vermisst, seinem Barden nah sein zu können. Jede Sekunde, die er mit ihm verbrachte, ließ ihn realisieren, wie wundervoll alles an Euphoria war.
„Du musst nicht…funktionieren“, entgegnete er ihm und blickte auf das Bündel herab, das sich immer fester an ihn presste, wenn seine Atmung sich wieder beschleunigte. Er hatte noch einige Kräuter bei sich, die ihm Ruhe verschaffen konnten, wenn er bis zur Nacht nicht wieder beisammen war, aber er wollte sich solche Mittel als letzte Zuflucht lassen. Der Werwolf hätte Euphoria auch weiterhin getragen, davon wurden seine Arme wirklich niemals müde, doch der andere hatte sich schon von selbst erhoben und wartete darauf, dass er ihm folgte. Aschwin hatte einen Arm um seine Schulter geschlungen, drückte ihn nah an sich. Auch, während das Wasser in den hölzernen Zuber lief, hielt er immer nahen Kontakt zu Euphoria, half ihm dabei, sich aus seiner verschmutzten Kleidung zu schälen und füllte sogar etwas von dem Badezeug in den Zuber, das Euphoria und Xora mit großem Trara für sie angeschafft hatten. Der Geruch war viel für Aschwins empfindliche Nase, aber er war sich sicher, dass der Tiefling darin etwas Ruhe finden würde. Besorgt musterte er die zahlreichen kleinen und größeren Wunden, die Euphoria davongetragen hatte. Es war schwer, sich nicht dafür verantwortlich zu machen. Wieso hatte er ihn nicht besser beschützen können? Wenn er nicht einmal das schaffte, wozu war er dann gut? Aber solche Gedanken mussten zurücktreten. Wenn er den Barden schon nicht hatte beschützen können, wollte er ihn jetzt wenigstens wieder auf die Beine bringen.
Auch er hatte sich entkleidet und einen kuren Blick auf sich erhascht im Spiegel in der Ecke des Raums. Seine Brust war gespickt von Einschusslöchern, nur noch mehr Narben, die von einem abenteuerlichen Leben erzählten. Er hatte sie nie als störend wahrgenommen und tat es selbst jetzt nicht. Euphoria würden sie nicht stören, das war alles, was zählte.
Vorsichtig rutschte er hinter dem Tiefling in die Wanne und zog ihn nah an seine Brust. Seine Finger wanderten mit den leichtesten Berührungen über seinen Oberkörper, suchten die Wunden, um sie mit dem Bisschen Magie, was er beherrschte, zu flicken und den Schmerz von ihm zu nehmen. Erst, als er das Gefühl hatte, alle oberflächlichen Wunden erwischt zu haben, legte er seine Arme fester um Euphoria.
„In meinen Augen kann dich rein gar nichts entstellen“, murmelte er in seinen Lockenschopf und küsste sanft seinen Nacken.
„Du beginnst nicht von vorne. Wir machen da weiter, wo du aufgehört hast.“
Aschwin strich über seine Wange. Er wusste nicht, ob es Euphoria schmerzte, wenn er das restliche Horn berührte, ob er es vielleicht einfach nicht wollte, also hielt er besser noch etwas Abstand. Das neue Horn hatte eine Überraschung sein sollen, aber Aschwin merkte, wie es fast unmöglich war, dieses Geheimnis für sich zu behalten. Was, wenn er das Gemüt des Barden damit direkt erhellen könnte?
„Dein Horn, ich-….“
Aschwin stockte, verkrampfte sich bei dem Versuch, dem Ganzen die nötige Dramatik zu geben, irgendetwas, aber er wusste einfach nicht, wie Euphoria alles, was er sagte, immer so bedeutungsvoll und überzeugend wirken ließ.
„Ein neues Horn, ich-…hab einen Feinschmied engagieren lassen. Von Furnace. Für ein neues Horn.“
Aschwin stieß ein fast schon frustriertes Schnauben aus und fuhr sich über das bärtige Gesicht, das durch sein Gestammel sichtlich errötet war.
„Euphoria, es wird alles wieder gut, ich verspreche es dir“, presste er mit tiefer Stimme heraus und drückte den bebenden Leib enger an sich.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1Sa Mai 01, 2021 2:03 am

Der Barde spürte, wie die Magie aus Aschwins Fingern in seinen Körper floss, wie ihn eine nur allzu bekannte Wärme umgab und den Schmerz in seinem Körper linderte, zumindest eine Form des Schmerzes.
Auch, wenn es seine Narben nicht hatte verschwinden lassen, war er dennoch dankbar.
Ein dünnes Lächeln huschte über die dunklen Lippen bei den Worten seines Geliebten und er lehnte sich ein wenig stärker seinem muskulösen Körper entgegen. „Danke…“, murmelte seine Stimme, zog seine Hand näher zu sich heran, um seine Lippen auf die Handfläche zu pressen. Es bedeutete Euphoria so viel zu wissen, dass er immer noch gut genug für den Werwolf war, dass er ihn in keinem anderen Licht sah, ganz gleich, was mit ihm auch passierte. Und er wusste auch, dass umgekehrt nichts auf der Welt Aschwin entstellen konnte, dass er auf ewig in ihn verliebt sein würde.
„Vielleicht…ich weiß gerade einfach nicht…“ Zum ersten Mal wusste der Tiefling nicht, was er sagen sollte, merkte, wie ihm regelrecht die Worte fehlten und er stattdessen hilflos mit seinen Schultern zuckte. Ob er zu dramatisch war? Vielleicht sollte er das alles im positiveren Licht sehen, immerhin hatte er doch auch immer versucht dem Dunkelhaarigen zu zeigen, wie wichtig es war sich von all diesen Gedanken und Gefühlen nicht erdrücken zu lassen. Und nun tat er genau das.
Der Gelockte merkte wieder, wie er sich in einen Sog aus Zweifel und Angst stürzte, schien es gerade so viel einfacher zu sein. Wäre er allein gewesen, hätte er sich dem vielleicht sogar ganz hingegeben, jedoch war da jemand neben ihm jemand so nah bei ihm, der nicht nur Trost und Ruhe spendete, sondern auch genau zu wissen schien, wie er die Aufmerksam des eigentlich sonnigen Gemütes wieder auf sich ziehen konnte.
Mit fragenden Augen blickte Euphoria zu seinem Geliebten. Manchmal war es einfach so zu tun, als wäre sein Horn immer noch intakt, doch kaum wurde es erwähnt, spürte er den endlosen Schmerz, den er verspürt hatte, für eine gefühlte Ewigkeit. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, hätte diese Person sie einfach abgeschnitten, rausgerissen, was auch immer, was nicht diese lange Quälerei hatte mit sich bringen müssen.
„Was ist damit?“, der Barde drehte sich langsam in dem Zuber zum anderen herum, versuchte in seiner Gesichtsregung zu deuten, was er ihm gerade sagen wollte.
Kaum hatte der Werwolf begonnen zu sprechen, weiteten sich die goldenen Augen immer stärker und füllten sich sogleich erneut mit Tränen, die er versuchte hastig fortzuwischen. Aschwin sollte nicht glauben, dass diese Tränen durch negative Emotionen oder Erinnerungen entlockt wurden. „D-du…du hast mir ein neues Horn geholt? Ein….geschmiedetes?“ Seine Stimme war brüchig und nun konnte er doch die Tränen nicht ganz unterdrücken. „Aschwin…ich….“ Anstatt ihm zu antworten schlang er die Arme um seinen Hals und küsste ihn so fest und innig, wie es nur möglich war.
Erst jetzt wurde Euphoria bewusst, dass er in all dem Wahnsinn und Chaos kein einziges Mal dazu gekommen war, seinen Geliebten vernünftig zu küssen, seine Lippen zu kosten und ihm einfach wieder so unfassbar nah zu sein. Dabei hatte der Tiefling es so unendlich vermisst, hatte sich nur danach gesehnt, dass er gar nicht mehr von ihm ablassen konnte.
Immer wieder presste er seine Lippen auf den Mund des Jägers, es kostete ihm wahrlich Überwindung von ihm abzulassen und stattdessen sachte mit den filigranen Fingern über sein Gesicht zu streichen. „Du denkst wirklich an alles…wie kann ich dir je dafür danken, dass du…dass du dich so um mich sorgst?“ Euphoria war schier überwältigt von der Liebe und der Geduld, die Aschwin ihm entgegenbrachte. „Du bist zu gut für diese Welt.“, erneut versuchte er mit seinem Handrücken die Tränen fortzuwischen. „Ich habe dich wieder bei mir, mit dir an meiner Seite…da muss alles wieder gut werden.“ Der Barde hielt an diesen Gedanken fest. Sie hatten alles überstanden, kamen immer auf die Beine. Und wie konnte er jemals daran zweifeln, dass dieses Mal anders werden würde? „Ich…ich möchte wirklich das alles hinter mich bringen. Ich hatte mich einmal aufgegeben, ich will nicht, dass so etwas wieder passiert aber…“ Er dachte kurz nach, malte dabei Muster auf Aschwins Brust. Er ertastete die neuen Wunden und Narben, die ihm zugefügt wurden, die Einschusslöcher. „Der Gedanke dich verloren zu haben…tut mir leid, ich weiß, ich habe dich nicht verloren und ich werde dich nie wieder verlieren. Wir…wir schaffen das irgendwie, richtig? Du und ich…wenn du nicht wärst, ich kann mir kein Leben ohne dich vorstellen.“

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1So Mai 02, 2021 1:07 pm

So selbstsicher Aschwin sich auch dabei gefühlt hatte, die Panik von Euphoria zu nehmen, umso schwerer hatte er es soeben, die richtigen Worte für seine Überraschung zu finden. Mit anderen zu kommunizieren würde wohl immer ein Mysterium für den Jäger bleiben. Nun fragte er sich sogar, ob es eine gute Idee gewesen war. Würde Euphoria denken, dass er ihn ohne zwei intakte Hörner unattraktiv fand und diesen Missstand deswegen so schnell wie möglich beheben wollte? Dabei war das ganz und gar nicht die Nachricht, die er ihm vermitteln wollte! Und nun starrte der Tiefling ihn aus großen goldenen Augen an und Tränen stauten sich erneut in ihnen an. Etwas hilflos öffnete er den Mund, um etwas zu sagen, die ganze Situation etwas aufzulösen, konnte dann auf die Frage des anderen hin doch nur nicken.
„Furnace hat da einen Feinschmied.“
Bevor er überhaupt dazu kam, sich weiter zu rechtfertigen, hatte der Barde seine Arme um ihn geschlungen und ihn inbrünstig geküsst. Der Eindruck erschlug Aschwin beinahe. Er hatte es so sehr vermisst, seinem Gefährten nahe sein zu können, ihn zu halten und zu küssen, dass er Euphoria unwillkürlich näher an sich drückte und die Augen schloss. Wie konnte Euphoria bloß glauben, dass diese Erfahrung ihn unwiderruflich verändert hatte, wenn er immer noch genau so schmeckte wie zuvor? Seine Lippen waren immer noch so weich, seine Nähe Balsam für die Seele. Aschwin hatte sein Bedürfnis nach körperlicher Nähe weit hintenangestellt, aber dieser Kuss erinnerte ihn ohne Umschweife daran, dass er Euphoria in allen nur erdenklichen Wegen liebte und vergötterte. Es war schwierig, wieder von ihm abzulassen. Der Tiefling lag in der Wanne nun lang auf ihm und der Werwolf winkelte ein Bein an, um ihm etwas mehr Halt zu geben, aber auch aus dem egoistischen Grund heraus, dass er die Nähe zum Barden einfach noch inniger spüren wollte. Verträumt beobachtete er ihn genauestens, als seine Finger über sein Gesicht fuhren. Wie konnte er ihm danken?
„Bitte bleib einfach bei mir“ antwortete er mit Bestimmtheit. Aschwin hatte sein Leben in Einsamkeit so lange als Selbstverständlichkeit angesehen, dass es ihn manchmal immer noch überwältigte, dass dieser Umstand endlich vorbei sein sollte. Auf die Worte des Tieflings hin nickte er langsam, aber bekräftigend.
„Du konntest ja nicht wissen, dass ich mal wieder irgendwie überlebt habe. Ich bin zäh, Euphoria.“
Die grauen Augen beobachteten, wie der andere über seine neuen Narben fuhr und griff schließlich seine Hand, ihre Finger ineinander verschränkend.
„Ich bin hier. Für immer und nur für dich“, erklärte er in absolut sachlichem Ton. Es war ein Fakt. Etwas, das sich niemals ändern würde. Langsam suchte er erneut die Lippen des anderen und zog den Tiefling während des Kusses ganz auf seinen Schoss, beide Beine nun angewinkelt, damit sie sich ganz nah sein konnten.
„Euphoria, möchtest du….erzählen, was alles passiert ist? Oder zu früh?“
Aschwin warf ihm einen ernsten Blick zu. Was auch immer Euphoria entscheiden würde, würde er akzeptieren, aber vielleicht war es gut, wenn er jetzt alles loswurde, danach nicht wieder daran denken musste oder alte Wunden aufriss, die gerade verheilt waren.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1Mo Mai 03, 2021 12:29 am

Aschwin an seiner Seite zu haben war alles und noch so vieles mehr, was der Barde gerade brauchte. Seine Nähe, die dunkle Stimme, die in seinen Ohren widerhallte, seine Lippen und sein Geschmack, der immer noch auf der Zungenspitze haftete. Der Werwolf war sein Zuhause, hier fühlte er sich sicher und frei, verstanden und geliebt.
Es war beinahe schon überwältigend all dies auf einmal zu fühlen, die Gewissheit zu bekommen, dass sie auf ewig zusammenbleiben würden und dass nichts auf der Welt sie trennen konnte, ganz gleich wie stark diese Welt auch versuchte ihnen Steine in den Weg zu legen.
„Wie kann ich nicht bei dir bleiben…“ Euphoria konnte sich schlichtweg ein Leben nicht mehr ohne seinen Partner vorstellen, jemanden so bedingungslos zu lieben und alles für diese Person zu tun, all dies war neu für ihn und dennoch fühlte es sich so natürlich an, als ob all dies schon längst in dem schmalen Körper gelebt hatte und nur durch den Dunkelhaarigen endlich zum Leben erweckt wurde.
Der Tiefling hätte am liebsten nur noch die Lippen seines Geliebten gekostet, hätte sich in dieser kleinen Welt aufgehalten, wo ihm nichts Schmerzen zufügen konnte, wo keine schrecklichen Gedanken ihn weiter zu zerfressen drohten. Fast hatte er vergessen, dass sein Körper immer noch angeschlagen war, dass sie gerade alle durch die Hölle gegangen waren, um wieder hier zu sein. Dass er eine gute Freundin verloren hatte.
Wie schnell konnte man all dies doch verdrängen, wenn man in die grauen Augen des Werwolfes blickte und nichts als Zuneigung empfang, während er auf seinen Schoß gezogen wurde und sich ganz an seinen Oberkörper anlehnen konnte.
Die nächsten Worte ließen ihn kurz die Luft anhalten. Euphoria hatte nur in Bruchstücken gesagt, was ihm widerfahren war und einiges hatten die anderen ja sogar mit ihren eigenen Augen erleben dürfen. Der Gelockte wusste, dass es ihm nicht guttun würde, all diese Erinnerungen zu verschließen und so lange zu verdrängen, bis sie aufbrachen und alles irreparabel zerstörten. Das hieß allerdings nicht, dass es ihm leicht fiel auch nur vernünftige Worte zu finden. Vielleicht auch, weil es für einiges einfach keine richtigen Worte gab.
„Nein…es ist genau richtig. Je länger ich es hinauszögere desto schlimmer wird es.“ Seine schlanken Finger fuhren sachte über Aschwins Haar, ihn leicht anlächelnd. „Wenn ich ehrlich bin…ich weiß selbst nicht genau, was alles passiert ist.“ Er hielt kurz inne, ließ den Blick über den Wannenrand wandern, ehe er sich auf das Gesicht seines Geliebten fixierte. Er wollte sich nicht in einem Sog aus Angst und Schmerzen verlieren, er wollte nicht immer wegschauen, einen verzweifelten und schlechten Versuch zu wagen seine eigentlichen Emotionen zu verstecken.
„Sie…in einem Käfig wurden wir dorthin gebracht, man hat uns die Augen verbunden und uns getrennt. Ich…Reichshofen hat gesagt, ich sollte als Versuchsobjekt dienen für…für Easca. E-Er wollte ihr helfen, doch er wollte sie dabei nicht verletzen oder gar töten. Er wollte sehen welche Methoden gewirkt hätten, wollte den Dämon in mir wohl austreiben und wenn ich dabei mein Leben ließ, dann für einen guten Zweck.“ Der Barde drückte sich enger an Aschwins breite Brust, atmete noch einmal tief durch. „Am Anfang war ich nur überfordert, davon, dass ich euch verloren habe und dass ich Easca wahrscheinlich nie wieder sehen kann…ich…ich wusste nicht, was ich tun sollte. Und dann kam dieser Mann und hat etwas mit mir getan. Es…es tat nicht weh und ich habe beinahe schon dabei geholfen, dass er an mir experimentierte. Ich habe gespürt, wie etwas in mir so schwach und müde wurde…vielleicht war es ein Exorzismus oder irgendeine Magie. Und danach, erst hatte er überlegt meine Hörner einfach abzuschneiden, doch dann…die Feile, er…er wollte sie abfeilen, er wollte meine äußeren Merkmale verschwinden lassen, weil sie nicht normal sind.“ Automatisch fuhr er mit seiner Hand über das zur Hälfte zerstörte Horn, über die glatte Fläche, wo einst so viel mehr war. „Schweif und Hörner sollten weg. Alles nicht Menschliche sollte weg. Es machte mir Angst und gleichzeitig…neben meiner Zelle, der Mann, er war schon so lange dort. Ich…ich hatte gehofft, dass dies vielleicht meine letzte Sitzung werden würde…ich wollte nicht mehr, weißt du? Ich wollte vor allem nicht so enden, wie dieser Kerl. Ich habe nach Reichshofen gefragt, ich wollte ihm sagen, dass, wenn er mir verspricht, dass er Easca wirklich helfen könnte, dass ich….dass ich all das freiwillig mit mir machen lasse. Ich…ich wollte wenigstens ein letztes Mal helfen, ich wollte für sie da sein, ohne, dass ich es konnte und…ich wollte sterben, Aschwin. Ich wollte zu dir, zu Xora, Dhanal, Xiong Nu und die Karawane, ich wollte zu euch und ich habe mich so schuldig gefühlt, dass ich Easca im Stich ließ, doch mein einziger Weg war sich so lange foltern zu lassen, bis ich nicht mehr war.“ Die goldenen Augen suchten die seines Gegenübers. Tränen hatten sich angestaut und liefen langsam seine Wangen hinunter, doch er blieb ruhig, so ruhig, wie es nur möglich war. „Die Schnitte waren mir fast schon egal, ich hatte Schlimmere Einschnitte mit stumpfen Messern erlebt. Aber...meine Hörner sind empfindlich, i-ich dachte immer es sei nichts Schlimmes, einfach ein Teil von mir. Doch mit jedem Zentimeter, den er mir abgefeilt hat, ich dachte mein Kopf würde platzen, ich…“, er öffnete seinen Mund einen Spalt weit, präsentierte ihm all die Stellen an seinen Wangen, sogar an seiner Zunge, die von seinen Zähnen zerbissen wurden. „Ich hab mir fast meine Zunge abgebissen, weil ich nicht mehr wusste wohin mit all dem Schmerz. Schlussendlich ist es nur Schmerz, nicht wahr? Wunden verheilen.“
Er kannte das, Aschwin spannte immer seine Muskeln an, wenn der Barde von seiner Vergangenheit erzählte und was sein Vater mit ihm getan hatte. Dies war wohl nicht anders und es tat ihm irgendwo auch leid, immerhin wollte er ihm keine Gedanken von Schuld oder Unwohlsein einpflanzen. „Sie sind weg, sie können niemandem mehr wehtun. Ihr habt ihnen ein Ende gesetzt und Easca und ich sind wieder hier, wohlauf und…fast komplett.“

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1Mo Mai 03, 2021 8:18 pm

Schon als er die Frage ausgesprochen hatte, wusste Aschwin, dass es nicht einfach für ihn werden würde, ruhig hier zu sitzen und Euphoria zuzuhören. Seine eigenen Sorgen und Probleme waren so einfach davon zu wischen, aber sobald es darum ging mitanzuhören, was dem Tiefling für Leid widerfahren war, wusste Aschwin nicht mehr wohin mit seinen Gefühlen. Aber es ging hier nicht um ihn. Seine eigenen Gefühle waren hier egal, es war nur wichtig, dass Euphoria eine Möglichkeit fand, um alles loszuwerden, in der Hoffnung, dass es ihm helfen würde. Es musste einfach helfen. Wenn reden schon nicht seine Stärke war, musste es halt das Zuhören sein.
Zwar konnte der Werwolf sich einigermaßen denken, was vorgefallen war, aber es mochte seinem Freund helfen, wenn er die Worte selbst über seine Lippen brachte und sie aus seinem Inneren verscheuchte. Aschwin drückte den schmalen Leib nur noch ein wenig enger an sich, damit er voll und ganz das Gefühl hatte, dass er an seiner Seite war, während er erzählte. Obwohl Euphoria nicht verhindern konnte, dass Tränen über seine Wangen liefen, redete er überraschend gefasst, mit fester Stimme und ohne sich zu verhaspeln. Der Werwolf konnte nicht anders, als ihn dafür zu bewundern. Er selbst brachte in einer normalen Unterhaltung schon kaum die richtigen Worte hervor und hier saß Euphoria und erzählte ihm tapfer davon, was die Silberne Klinge ihm alles angetan hatte. Es war schwer, ihm einfach nur zuzuhören, aber noch schwerer, etwas darauf zu entgegnen. So oder so wollte der Jäger ihn nicht unterbrechen. Doch wie konnte man bloß solch eine verquere Denkweise haben? Er wusste leider nur zu gut, was für eine Einstellung seine Landsleute gegenüber Tieflingen hatten, begründet auf Aberglauben. Aschwin wusste nur zu gut, was dort draußen alles kreuchte und fleuchte, welche Monstrositäten ihr Unwesen hier trieben. Tieflinge gehörten ganz sicher nicht dazu.
„Aber du bist ein Tiefling, das ist nicht unnormal“, presste er hervor. Es lebten so viele unterschiedliche Rassen in Grathalien, dass der Jäger einfach nicht verstand, wieso die Menschen in Kaisersruck hier die Grenze zogen.
„Ist die Müdigkeit wieder fort?“, fragte er besorgt und musterte Euphoria eindringlich. Wer wusste schon, was dieser Irre für Zauber auf ihn gewirkt hatte?
„I-Ich kenn selbst ein wenig Magie, um solchen Einfluss zu vertreiben.“
Jetzt sprudelten die Worte doch mit ungewohnter Intensität aus ihm heraus und Aschwin musste sich zügeln, um dem Barden nicht ins Wort zu fallen. Doch er konnte einfach nicht ertragen, wie Euphoria davon berichtete, wie der Tod das Einzige gewesen zu sein schien, was er sich noch gewünscht hatte, während er in der klammen Zelle gehockt hatte. Der Gedanke allein raubte ihm dem Atem und ließ seinen Körper förmlich erstarren.
„Euphoria, bitte, ich…wenn mir irgendetwas passiert, bitte wirf dich nicht weg….bitte.“
Seine Stimme war nur noch ein heiseres Krächzen und brach beinahe beim Sprechen. Sie lebten ein solch gefährliches Leben, der Gedanke, dass er Euphoria unter Einsatz seines Lebens retten könnte und der Tiefling danach vor lauter Trauer dennoch den Tod suchte….Es war zu viel für den Werwolf. Sein gesamter Körper schien eine einzige verkrampfte Wunde zu sein. Dabei war es nicht er, der hier zu leiden hatte, es war Euphoria, der so viel durchzumachen hatte, dass es schon erschlagend wirkte. Seine Hand strich zitternd über Euphorias Wange, ließ langsam Magie wirken, auf dass wenigstens diese schmerzhaften Erinnerungsstücke vergehen mochten, doch er konnte nichts ungeschehen machen. Sein Kiefer hatte sich fest aufeinander gepresst. Der Werwolf hatte Angst, ob all die Anspannung und der Stress die üblichen Symptome in ihm hervorbringen würden, doch stattdessen merkte er, wie auch über seine Wangen langsam einige Tränen rannen. Fast schon erschrocken wischte er sie beiseite.
„Tut mir leid“, murmelte er abgehackt und wandte sein Gesicht hastig ab, um seine Tränen wegzuwischen.
„Ich wollte nicht, dass du so etwas erleben musst, ich wollte nicht versagen…“
Die Anspannung in seinem Leib konnte kaum noch ansteigen, und doch merkte Aschwin, wie er sich immer mehr verkrampfte, Euphoria näher an sich drückte. Er hatte in der Festung der Silbernen Klinge mehrfach das Gefühl gehabt, dass er den Halt immer mehr verlor, dass es immer schwieriger wurde, sich von dem Wolf zu lösen, den er sonst nur für äußerste Notsituationen benutzte. Doch seinen Geliebten in solch einer Gefahr zu wissen, hatte ihn immer wieder an den Rand seiner Willensstärke getrieben und er hatte das ungute Gefühl, dass er die Kontrolle noch etwas weiter aufgegeben hatte. Selbst jetzt spürte er, wie etwas aus ihm hervorbrechen wollte und war hin und her gerissen, ob er Euphoria lieber von sich schieben oder noch näher an sich ziehen wollte. Atemlos zog er ihn noch näher an sich heran.
„Der Gedanke ohne dich zu sein, Euphoria….Ich kann das nicht mehr. Ich habe dich so vermisst…“

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1Di Mai 04, 2021 12:04 am

Der Tiefling wollte keine Schuld und auch keine anderen grauenvollen Gefühle oder gar Gedanken in dem Jäger auslösen, doch sie würden niemals drumherum kommen können, keiner von ihnen würde mit steinerner Miene nüchtern sich solche Dinge anhören und es hinnehmen. Alles, was Aschwin Schmerzen zubereitet hatte, hatte er geglaubt in seiner eigenen Brust zu spüren und dem anderen schien es ähnlich dabei zu ergehen.
Sein Blick war traurig und dennoch so voller Liebe, als er seine Finger um die Wange seines Partners legte und ihn aufforderte, wieder in seine Richtung zu blicken. Umsichtig wischte er auch die restlichen Spuren seiner Tränen davon.
„Aschwin…ich…zu so etwas wird es nicht mehr kommen. Ich weiß jetzt, dass ich nicht alles verloren habe, was mir wichtig ist, dass ich nicht mehr allein bin.“ Seine Worte waren ehrlich. Euphoria wusste, dass solche Gedanken erschreckend für andere sein mussten, jedoch hatte diese Situation keinen anderen Ausweg gefunden. Immerhin hätte er diese Festung so oder so niemals lebendig verlassen, ob er nun an ihren Experimenten zugrunde gegangen wäre oder bei dem Versuch auszubrechen. Seine kleine neu gewonnene Familie hatte ihm regelrecht das Leben gerettet und das Letzte, was er wollte, ist dieses wegzuwerfen. Das wäre absolut nicht fair.
Der Barde rutschte näher an den Werwolf heran, schlang die Arme um seinen Nacken. „Du hast nicht versagt. Rede dir das bitte nicht ein…du hast mich da rausgeholt, mich festgehalten und dich um mich gekümmert. Das ist nicht die Definition von Versagen! Wenn du nicht wärst…langsam verstehe ich all die Heldengeschichten über tapfere Krieger, die ihre Liebsten vor den Klauen des Grauens befreien. Du bist mein tapferer Krieger, mein Alles.“ Sorgen machten sich breit im Inneren des Gelockten. Dass sie durch die Hölle gegangen waren für sie, stand außer Frage. Doch welch ein Ausmaß hatte die ganze Sache wirklich auf den Werwolf? So wie er Aschwin kannte, hatte er wahrscheinlich sich komplett auf die Schuld in seinem Inneren konzentriert, sich verantwortlich für all das Leid und Unglück gemacht und niemand war da, um ihm die Ruhe zu geben, die er so dringend gebraucht hatte.
Seine Seele musste regelrecht zerrissen gewesen sein. Dass es nicht einfach an ihm vorübergezogen war, war selbstverständlich, niemand würde einfach wieder normal sein, nachdem man so vieles in so kurzer Zeit erdulden musste. Doch langsam wurde dem Tiefling bewusst, dass nicht nur er derjenige war, der sich mit Ängsten herumplagen musste. Ängste, jemals wieder seine Liebsten zu verlieren, von einem Moment auf dem nächsten komplett allein zu sein, ohne einen Hoffnungsschimmer.
„Du musst nie wieder ohne mich sein, Aschwin. Ich…du hast mir so unendlich gefehlt, ein Tag ohne dich ist ein verlorener Tag. Wir bleiben zusammen, koste es was es wolle, ich werde alles tun, dass uns nichts mehr auf dieser Welt trennen kann. Ich...wir werden uns nicht mehr verlieren, versprochen.“ Euphoria nahm ein weiteres Mal Aschwins Gesicht in seine Hände und küsste ihn so fest, wie es nur möglich war. „Ich liebe dich so sehr, du bist so geduldig und gut zu mir…schiebst all deine Sorgen in den Hintergrund, um sich meiner anzunehmen. Bitte…bitte verberge deine Sorgen nicht vor mir. Ich…ganz gleich, wie stark ich alles noch verarbeiten muss, du…du hast nicht weniger durchgemacht und ich konnte nicht bei dir sein, um dir Ruhe zu spenden, um dich in meine Arme zu nehmen. Ich möchte das wiedergutmachen.“ Mit ernster Miene suchte er die grauen Augen.
Sicher, es würde noch einige Tage dauern, bis der Gelockte wieder so unbeschwert und voller Lebensfreude die Tage verstreifen lassen würde, doch konnte er erst diese Unbeschwertheit erlangen, wenn er wusste, dass sein Geliebter nicht von seinen inneren Dämonen zerfressen wurde.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1Mi Mai 05, 2021 8:06 pm

Es schmerzte Aschwin fast schon körperlich, dass er nicht vollkommen auf Euphorias Bedürfnisse konzentriert war. Der Tiefling war es gewesen, der durch die Hölle und zurück gegangen war. Seine eigenen Sorgen schienen so verschwindend dem gegenüber, was Euphoria erlebt hatte. Ganz für ihn da sein wollte er, nicht seine eigenen Probleme in den Vordergrund stellen. Aber er hatte Angst. Angst, dass er seine eigenen Kräfte überstrapaziert hatte bei der Rettung des Barden. Nun knurrte das Tier in seiner Brust noch lauter, während er sich beinahe bereitwillig immer wieder in seine Wolfsform gestürzt hatte.
„Ich will dich damit jetzt nicht belästigen“, widersprach er Euphoria schwach und wusste doch selbst, dass er seinem fast schon strengen Blick nicht lange standhalten konnte.
„Außerdem hast du nichts wiedergutzumachen.“
Es fiel Aschwin schwer, sich auch nur einen Moment von Euphoria zu lösen, aber er musste, um seinen Kopf frei zu bekommen, um sich auf irgendetwas anderes konzentrieren zu können als seine Sorge um Euphorias Wohlergehen.
„I-Ich hab es übertrieben, Euphoria. Mit dem Gestaltwandeln.“
Normalweise verwandelte Aschwin sich nur, wenn es unbedingt nötig war, so sehr war ihm seine Tiergestalt zuwider. Er fühlte sich nicht wie er selbst, so abgeschnitten und entfernt war er von seinem anderen Ich. Es musste so nicht sein, das hatte er bei Yldin gesehen. Doch wie schafften sie es, so eine Kontrolle über ihr tierisches Ich zu behalten, wenn er selbst keine einzige Chance sah, sich zu beherrschen?
„Ich wollte so dringend zu dir, ich habe überhaupt nicht mehr darauf geachtet, wie lange ich verwandelt war.“
Die grauen Augen huschten beschämt über die Wasseroberfläche. Sein Schädel wollte platzen und sein Kiefer begann mit bekanntem Schmerz zu pochen.
„Sich zurück zu verwandeln, es war so schwierig. Ich habe mich fast verloren.“
Was, wenn er in diesem Zustand Euphoria gefunden und ihm etwas angetan hätte? Niemals hätte er sich das verzeihen können.
„Und jetzt fühlt es sich an, als wenn ich….eine Schwelle überschritten habe. Ich nicht einfach umdrehen kann.“
Aschwin keuchte auf, als sein Kiefer sich mit einem Knacken zu verformen schien und presste die Augen zusammen, um sich mit aller Macht dagegen zu stemmen. In seinen Fingern spürte er ebenfalls die ungewollte Verwandlung und er ließ von Euphoria ab, bevor er ihn noch mit seinen Klauen verletzen konnte.
„Euphoria…Ich will dich nicht ständig….hiermit belasten, aber ohne dich…wird es so viel schlimmer.“
Alles in seinem Leib kämpfte gegen die Verwandlung an. Bald war Vollmond, das machte es schwieriger. Der Jäger wollte den Barden ansehen können, wollte ihn hören können. Er wollte ihn halten und das Gefühl geben, dass er bei ihm sicher und geborgen war.
„Du solltest dich jetzt nicht….um mich kümmern müssen“, presste er hervor und schüttelte den Kopf, als könnte er sich so von all dem hier befreien.
„Ich will doch einfach nur für dich da sein.“

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1Mi Mai 05, 2021 11:43 pm

Es war unschwer zu erkennen, dass den Werwolf etwas plagte und es nicht nur die Erzählungen waren, denen er geduldig gelauscht hatte. Seinen Geliebten so in Pein zu sehen versetzte Euphoria regelrecht einen Stich im Herzen und er wollte für ihn da sein, wollte alles dafür tun, dass er sich wieder besser fühlte, wenn er schon so viele Tage lang nicht in der Lage dazu war. Abgesehen davon war es das Mindeste, was er für ihn tun konnte, nach all dem, was er für den Barden getan hatte, nach seiner Geduld, die er ihm heute zeigte, die unendliche Liebe, die er ihm entgegenbrachte.
Sie mussten nichts mehr alleine durchstehen.
Auch, wenn der andere sich anfangs versuchte dagegen zu wehren. Beinahe hätte der Tiefling seine Arme vor der Brust verschränkt, während er mit ernster Miene das hübsche Gesicht musterte. Wahrscheinlich wurde ihm selbst gerade bewusst, dass seine Worte nicht der Wahrheit entsprachen und nichts auf der Welt ihn jemals belästigen könnte. Nicht jetzt und auch nicht in der Zukunft.
„Ich will dir das geben, was ich dir in all den Tagen nicht geben konnte.“, erwiderte die Stimme sanft und ruhig.
Aschwin sollte wissen, dass er zu jeder Zeit mit ihm reden konnte, ganz gleich, was um sie herum geschah und wie es dem Gelockten erging, er würde ihn niemals abweisen oder kein offenes Ohr für all das haben, was ihn beschäftigte. Und dass ihn eine Menge beschäftigte, wurde spätestens bewusst, als er endlich begann sich ihm zu öffnen.
Euphoria lauschte aufmerksam jedem einzelnen Wort, blickte dabei verständnisvoll in die grauen Augen. Das Gestaltenwandeln war eine Sache, die er nie komplett verstehen konnte, auch, wenn der Barde es sich gewünscht hatte, all das besser nachvollziehen zu können. Dafür hätte man wohl selbst in der Haut eines Werwesens stecken müssen, um wirklich ganz verstehen zu können, was in einem vor sich ging. Auf der anderen Seite hatte er immer das Gefühl, dass zumindest Easca mehr Ahnung von all dem hatte.
Was jedoch nichts Neues war, war die Tatsache, dass es Aschwin selten leicht fiel seine Kontrolle in der Form zu behalten, allerdings überraschte es ihn sehr zu hören, dass er vom Werwolf, der in seinem Inneren schlummerte, so häufig Gebrauch nahm, dass es teilweise die Kontrolle über ihn hatte.
Dann wiederum…konnte er ihm das in irgendeiner Form je verübeln? „Aschwin…“, er wollte seine Wange berühren, versuchen ihm bei all diesen Emotionen nah zu sein, doch schon hatte er ihn von sich geschoben und mit mitfühlenden Augen beobachtete der Tiefling einen Anblick, den er schon eine Weile nicht mehr gesehen hatte.
Der Stress, die Sorgen und die Schuld hatten ihn gehetzt und in eine Ecke getrieben und nun wollte es alles raus und er wusste nicht, wie er damit am besten umgehen sollte. Es tat Euphoria so unendlich leid den Jäger so zu sehen, zu wissen, dass er in den Tagen all dies unterdrückt und verdrängt hatte, dass er sich regelrecht diesen Schmerzen ausgesetzt hatte, nur, um sie zu retten, um sie wiederzufinden und zurückzuholen.
„Aschwin, du belastest mich mit nichts von all dem! Ich möchte, dass du mit mir redest, dass du es nicht in dir aufstaust!“ Der Werwolf reagierte empfindlich, wenn man ihn ausgerechnet dort berührte, wo sein Körper sich teilweise unkontrolliert zu verwandeln begann, so strich er sanft über seinen Oberschenkel. „Du bist doch für mich da, du…hör auf daran zu denken, ja? Denk nicht daran, dass du die größte Verantwortung hast, dass du dich nur um mich kümmern musst und alles, was dich belastet, in den Hintergrund schieben musst. Wir sind füreinander da, schon vergessen?“
Euphoria atmete tief durch. „Ich kann dich verstehen, all das, was du hattest durchmachen müssen, um zu uns zu gelangen. Wenn ich…wenn ich in deiner Position gewesen wäre, ich hätte alles getan, ich hätte alles aus mir herausgeholt, was ich herausholen könnte, damit du wieder bei mir wärst. Auch alles, was in mir schlummert, was ich am liebsten für immer verborgen halten möchte. Es…all die Emotionen, die Angst, die Sorgen…wer könnte schon komplett die Kontrolle bewahren?“
Der Tiefling erhob sich langsam aus der Wanne. „Du hast dich nicht verloren, du bist hier, ich bin hier, wir alle sind hier. Und auch, wenn wir nicht zurückgehen können, wir nicht all das ungeschehen machen können, gibt es Wege, daran zu arbeiten! I-ich mache da weiter, wo ich vorher angesetzt hab und das Gleiche gilt für dich. Wir…wir werden dies überstehen, du wirst die Kontrolle darüber zurückerlangen, du hast mich wieder…so, wie ich dich wiederhabe. Aschwin, du bist eine gute Seele, du hast alles getan für die, die du liebst und dabei nicht mal darüber nachgedacht, was dir dabei passieren könnte!“, mit diesen Worten reichte er dem Dunkelhaarigen seine Hand. Er hatte keine Angst vor ihm, vor seinen Zähnen, seinen Klauen, den langen Nägeln. Nichts auf der Welt könnte ihn davon abhalten, bei ihm zu bleiben. „Du brauchst Ruhe…komm, ich weiß, was zu tun ist.“ Auf seine Lippen legte sich ein ehrliches, liebevolles Lächeln, als sich endlich wieder ihre Blicke trafen. „Hab keine Angst, deine Hände werden mir nicht wehtun. Vertrau mir, lass für einen kurzen Moment los, all die Gedanken, all die Sorgen, alles, was dich erdrückt, zumindest für diesen einen Augenblick.“

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1Do Mai 06, 2021 7:22 pm

Es war irgendwo beeindruckend, wie Euphoria anscheinend einfach einen Schalter umlegen konnte und plötzlich so stark und nachsichtig war, als hätte ihn nie etwas belastet. Jedes Mal aufs Neue war Aschwin schier überwältigt von Euphorias Charakterstärke, die er bei sich selbst manchmal so sehr vermisste. Es war, als hätte er nicht noch vor Minuten hier schwer angeschlagen in der Wanne gehockt und ihn aus tränenverschleierten Augen angesehen. So gerne Aschwin den Tiefling auch nah an sich gepresst hätte, er wagte es nicht. Diese Form hatte ihm nie etwas Gutes gebracht und so musste er sich auf die sachten Berührungen beschränken, die Euphoria ihm zukommen ließ, wohlwissend, wo er ihn schmerzfrei anfassen konnte. Hier in der Wanne gab es nichts, was ihn sein Gesicht verbergen ließ, die Fratze irgendwo zwischen Mensch und Tier, die er nicht als sein eigenes Antlitz ansehen wollte, es aber sehr wohl war.
Die Worte des Barden quetschten sein Herz zusammen, so viel Liebe verspürte er für Euphoria. Ihm war es ein Leichtes, jegliche Emotion, die Aschwin verbaut und vergraben gedacht hatte, konnte er aus ihm herauskitzeln mit seinen Worten. Der Tiefling wärmte ihn, war seine Sonne, und auch, wenn es ihm gerade sichtlich schwerfiel, die teilweise Verwandlung zu unterdrücken, kehrte für einen Augenblick Ruhe in den Körper ein.
„Euphoria…Wir machen zusammen weiter…“, presste er zwischen monsterhaften Zähnen hervor und beobachtete den anderen dabei, wie er sich aus der Wanne erhob. Aschwin konnte einfach nicht anders, als den Leib des anderen verliebt zu betrachten. All der Schmerz der Welt hätte ihn nicht davon abhalten können, den Barden zu wertschätzen, wie er mit einem warmen Lächeln auf ihn herabschaute. Seine Hand betrachtete er dennoch misstrauisch und hob nur zögerlich seine klauenbewehrte Hand. Er konnte es beinahe selbst nicht ertragen, sie anzusehen.
„Bist du dir sicher?“, krächzte er heiser, wartete dann aber keine weitere Äußerung des anderen mehr ab, sondern griff beherzt nach seiner Hand, wissend, dass es das größte Zeichen von Vertrauen war, was er ihm zeigen konnte. Und Vertrauen hatte er in den Barden mehr als in jeden anderen hier auf dieser Welt.
Dennoch war es schwierig, das Zucken und Knacken unter Kontrolle zu halten, das durch seine Finger fuhr. Aschwin hatte solch eine Angst, den anderen zu verletzen, dass es ihn fast schon körperlich schmerzte, seine Hand nicht wegzuziehen und den Barden wohlmöglich vor Schlimmerem zu bewahren.
„Was hast du vor?“
Die grauen Augen starrten ihn fragend an und langsam erlaubte er es sich, die Hand des Barden vorsichtig loszulassen und nach einem der Handtücher zu greifen, das er zurecht gelegt hatte. Er war noch kürzer angebunden als sonst, aber eher, weil sein Kiefer nicht sprechen wollte. Dennoch hielt er dem Blick des anderen stand.
„Ich wünschte, du müsstest mich so nicht sehen…“
Trotz all seiner Narben war Euphoria so bildhübsch, dass es dem Werwolf schwer fiel, ihm sich so zu zeigen.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1Do Mai 06, 2021 11:30 pm

Seine Skepsis und die Frage beantwortete der Barde mit einem langsamen Nicken. Alles, was den Werwolf involvierte war etwas, wo sich Euphoria mehr als nur sicher war. Niemals würde er nur einen Moment an dem, was sie gemeinsam aufgebaut hatten, zweifeln, keine Sekunde lang. Und da würden Klauen und Reißzähne auch nichts daran rütteln können.
Er war dem anderen dankbar für das Vertrauen, als er endlich seine Hand umfasste und ebenfalls den Zuber verließ, in welchem das Wasser schmutzig und lauwarm nur darauf wartete in den Abfluss befördert zu werden.
„Du wirst schon sehen.“, erwiderte die Stimme des Gelockten und er warf ihm ein weiteres sanftes Lächeln entgegen. Irgendwo tat es ihm gut, so seltsam es auch klingen mochte, sich um seinen Geliebten zu kümmern, für ihn eine Stütze zu sein. Beide hatten vieles durchgemacht und es wäre egoistisch gewesen, hätte er seine eigenen Bedürfnisse so stark in den Vordergrund gesteckt, während Aschwin seine weiter von sich schob. Hier bei ihm war er sicher, konnte sich noch so verletzlich zeigen, wie er nur wollte, ohne Angst zu haben, dass er ihn im anderen Licht sah. Wie sollte er das auch jemals tun können?
Wenn auch ungerne, ließ der Tiefling die Hand des anderen ebenfalls langsam ab und schnappte sich eines der Handtücher, trocknete sich hastig und band es sogleich fest um seine Hüfte, während die goldenen Augen immer wieder zum Jäger huschten. Es schmerzte ihn so gepeinigt zu sehen, noch mehr schmerzte ihn jedoch, dass er in diesem Zustand gar nicht erst gesehen werden wollte. Es erinnerte ihn zu sehr an die Scham, die der Barde jederzeit empfunden hatte, wenn er in den Spiegel geschaut hatte, an die Angst, dass jemand jemals all die Narben zu Gesicht bekommen würde. Wahrscheinlich war es absolut kein Vergleich, wenn er darüber nachdachte mit wie viel Schmerz diese Verwandlungen verbunden waren, Schmerz, den Euphoria niemals nachempfinden konnte, doch trotzdem wollte er nicht, dass sein Partner sich für all dies schämte.
„Ich möchte dich sehen, ganz gleich in welchem Zustand. Ich liebe dich nicht weniger und du bist nicht weniger der schönste Mann auf dieser Welt, den ich je gesehen habe.“, erwiderte der Gelockte sanft und ernst zugleich. Seine Augen waren erfüllt von Liebe, als sie das endlose Grau seines Gegenübers trafen. „Du musst dich nie vor mir verstecken oder schämen.“
Erneut suchte er die Hand seines Geliebten und zog ihn mit sanfter Gewalt aus dem Badezimmer hinaus.
Das Haus war etwas leiser geworden, doch immer noch drangen Stimmen aus dem Wohnzimmer, sodass Euphoria hastig die Zimmertür hinter sich schloss, damit keine neugierigen Augen einen Blick auf die beiden erhaschen konnten.
Im Zimmer war es ruhig und er ließ den anderen nicht zu lange auf der Stelle stehen, sondern deutete auf das geräumige Bett.
„Du brauchst nichts zu sagen, Aschwin, ich weiß, wie sehr dir das wehtut. Setz dich hin, ich versuche wieder Ruhe in deinen rastlosen Verstand zu bringen.“ Euphoria wusste natürlich nicht genau, welche Methoden hilfreich sein konnten, was wirklich dem Werwolf bei all dem helfen konnte. Doch er wusste, dass Nähe und Zuneigung immer ein Anfang waren.
Langsam hatte der schmale Körper sich hinter seinem Rücken platziert und strich sanft über den vernarbten Rücken, ehe er begann seine Muskeln zu massieren. Es war offensichtlich, dass sich Anspannung aus über dreißig Jahren in diesem Körper angestaut hatte, als die Finger sich in sein Fleisch gruben, seinen Nacken hinaufwanderten. „Konzentrier dich auf meine Hände, auf meine Nähe und meine Stimme. Vergiss alles um uns herum, es gibt nichts anderes als dich und mich.“ Seine Stimme war beinahe ein Wispern, als er sich zu ihm lehnte und im nächsten Moment seine Lippen auf seinen Hals presste.
Es war einige Tage her und der Barde hatte kurz geglaubt, dass er vielleicht nicht mehr wirklich in der Lage war zu singen, doch kaum hatte er den Mund geöffnet, fühlte sich beinahe alles so an, wie vorher auch schon. Euphoria sang ein ruhiges Lied, eines, was Aschwin das eine oder andere Mal bereits zu späten Abendstunden vernehmen durfte, wenn sie zu Bett gingen und er ihn darum bat, etwas zu singen. Sein Gesang hatte ihn bis jetzt immer beruhigt und vielleicht würde es dieses Mal auch.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1So Mai 09, 2021 11:07 pm

Auch, wenn der Rest der Gruppe mit Ausnahme von Dhanal ihn in diesem Zustand bereits gesehen hatte, war Aschwin Euphoria dankbar dafür, dass er nicht lange im Flur verweilte und die Tür schnell hinter ihnen schloss. Der Jäger wollte ihm einfach vertrauen und nicht weiter hinterfragen, was der Tiefling vor hatte. Er wusste wohl, was er tat, und auch, wenn Aschwin immer noch ein schlechtes Gewissen hatte, dass nun auf einmal der Bard wieder in der Position war, sich um ihn zu kümmern, schien es ihm wenigstens ebenfalls zu helfen. Jedenfalls hatte der Barde sich augenscheinlich fürs erste gefangen und war ganz darauf konzentriert ihm zu helfen. Wortlos ließ er sich auf die Bettkante sinken und beobachtete den anderen dabei, wie er sich hinter ihm aufs Bett setzte. Gehorsam hielt er den Mund geschlossen und platzierte seine Hände auf seinen Oberschenkeln. Eine Massage war wohl seit gut 20 Jahren überfällig in seinem Leben, sodass Euphorias Hände auf harten Widerstand trafen. Er wollte seinen Worten folgen, konzentrierte sich auf seine Stimme, die sich sanft in sein Unterbewusstsein schlich. Seine Lippen waren weich auf seinem Hals und er stieß unwillkürlich ein leises Schnauben aus. So sehr hatte er den Barden vermisst, die Nähe zu ihm, einfach bei ihm zu sein. Als seine Stimme dann auch noch ein leises Lied ansetzte, war es um den Werwolf geschehen. Sofort fühlte er sich zurückversetzt zu ruhigeren Abenden, an denen sie eng beisammensaßen, sicher und geborgen in Xoras Turm, aneinandergeschmiegt im warmen Schein des Feuers. Einfach war es, seine Gedanken dorthin zu lenken, wo alles in Ordnung gewesen war.
Die Stimme des Tieflings war weich wie Samt und Aschwin erwischte sich selbst dabei, wie er ganz leise summend in das Lied miteinstieg. Der Schmerz in seinen Händen und seinem Kiefer ebbte langsam ab, bis es auf ein schwaches Wummern reduziert war. Als Aschwin die Augen wieder öffnete und auf seine Hände blickte, konnte er sehen, dass diese wieder ihre menschliche Form angenommen hatte und als er vorsichtig an seinen Unterkiefer tastete, fühlte auch dieser sich wieder normal an. Aschwin wartete ab, bis Euphoria sein Lied beendet hatte, dann griff er vorsichtig nach seiner Hand und wandte sich zu ihm um.
„Danke, Euphoria. Wenn ich dich nicht kennengelernt hätte….“
Der Jäger hielt inne. Wollte er sich das überhaupt vorstellen? Wie sein Leben jetzt aussehen würde, wenn Euphoria nie in sein Leben getreten war? Die ersten Monate, die er mit ihm allein verbracht hatte, waren immer noch lebhaft in seinem Kopf, auch, wenn sie bereits so lang her waren.

Es war ein besonders kalter Tag gewesen, aber so weit im Norden war das nicht ungewöhnlich. Aschwin hatte einen besonders hartnäckigen Troll gejagt und dafür auch schon seinen Lohn eingestrichen, der ihn wieder eine Weile über Wasser halten würde. Jetzt wollte er erst einmal Richtung Kaiserreich zurück. Die Monster dort kannte er besser und es gab wenig, was ihn bei dieser Kälte hier oben hielt. Der Jäger hatte sein Lager an einem Felsen aufgeschlagen, der mitten im Wald aufragte und ihm wie auch seinem Lagerfeuer Schutz vor dem Wind bot. Seine Waffen waren vor ihm ausgebreitet und warten auf ihre routinemäßige Pflege, über dem Feuer hing ein Topf, in dem ein einfacher Eintopf köchelte. Aschwin hatte sich bereits auf einen ruhigen, aber kalten Abend vorbereitet, als sein Kopf nach oben ruckte. Irgendjemand trieb sich hier herum. Er hörte das Knacken von Ästen, jemanden, der sich durchs Unterholz bahnte. Ein Geruch, den er nicht einordnen konnte, wehte in seine Richtung und Aschwin nahm eine seiner Pistolen an sich und erhob sich, sein Körper in angespannter Alarmbereitschaft. Der Lauf richtete sich auf die Stelle im Unterholz, wo die Geräusche immer lauter wurden und er entsicherte mit verbissenem Gesichtsausdruck seine Waffe. Er war nicht allzu weit von der nächsten Ortschaft entfernt, weit genug jedoch, dass er keine anderen Leute erwartet hatte, doch bevor Aschwin sich noch weiter den Kopf darüber zerbrechen konnte, brach eine Gestalt aus dem Unterholz.
Ein Tiefling mit violetter Haut und gelockten Haaren starrte mit großen goldenen Augen in den Lauf seiner Waffe. Seine Kleidung war extravagant, aber mitgenommen von einer anscheinenden Flucht durchs Unterholz.
„Was hast du hier zu suchen?“, knurrte die dunkle Stimme des Werwolfs. Der letzte Vollmond war noch nicht lange her und er war immer noch etwas reizbarer. Ohne ein weiteres Wort ging er an dem Mann vorbei und warf einen Blick ins Unterholz, wo er etwaige Verfolger vermutete. Für den Moment schien alles ruhig, doch Aschwin war sich sicher, dass das hier nur Schwierigkeiten bedeuten konnte. Aber etwas lag in der Luft, etwas, was Aschwin das ungute Gefühl gab, dass er sein windgeschütztes Lager hier würde aufgeben müssen. Mit verschränkten Armen musterte er den Tiefling, der völlig außer Atem zu sein schien. Auf seinem Rücken trug er eine Laute. Ein Barde? Aber was suchte so einer hier im Wald? Auffordernd starrte der Jäger ihn an. Er wollte kein zweites Mal fragen müssen.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1So Mai 09, 2021 11:49 pm

Wie Klauen griffen die Äste und Büsche nach dem Barden, während er mit schnellen Schritten immer weiter in den Wald hineinrannte, zerzausten seine Kleidung, sein dunkles Haar. Dornen hatten feine Risse in den Stoff gezaubert und er glaubte sogar kleine Kratzer auf seiner Haut zu spüren.
Wie konnte es nur so eskalieren? Gerade hatten sich alle noch so sehr amüsiert, interessiert seinen Liedern gelauscht und dann ging alles schief. Und schlussendlich war Euphoria selbst daran schuld. Wieso hatte er sich das nicht gut überlegt?
Noch nie hatte er so schnell seine Beine in die Hand genommen und die Stadt hinter sich gelassen, sein Hab und Gut in der Akademie, seine Freunde, während hinter ihm die Wachmänner liefen und dem Adligen ausliefern wollten. Er wollte ihn tot für die Beleidigung, dafür, dass er sie vor all den Gästen so stark blamiert hatte. Wieso hatten Adlige nur so einen schrecklichen Sinn für Humor und wieso musste er nun den Preis dafür zahlen und der Stadt den Rücken zukehren?
Noch war sich der Gelockte der Konsequenzen nicht komplett bewusst, das Adrenalin rann durch seine Venen und sein Kopf dachte nur an eines: Nichts wie weg hier!
Mittlerweile hatte er die Zivilisation hinter sich gelassen, er hatte auch die schwer gerüsteten Schritte und Rufe nicht mehr vernehmen können, doch das hieß noch lange nicht, dass er in Sicherheit war.
Vielleicht würde der Wald sie endlich abhängen? Immerhin war es dunkel und kalt, wer würde jetzt schon eine elaborierte Suchaktion starten für einen einzelnen Barden?
Langsam brannten die Muskeln, während seine Lungen regelrecht brannten, der Tiefling hatte schon lange nicht mehr vor etwas so lange fliehen müssen und nun war es so schwierig abzuschätzen, wann er endlich eine Pause machen könnte.
Er stolperte über eine dicke Wurzel, fiel beinahe hin und stieß einen leisen Fluch aus, als er sich durch das Unterholz weiter voranbahnte. Er konnte ein bisschen mehr Licht erkennen, dachte jedoch nicht weiter nach, woher dieses Licht stammen konnte, und steuerte automatisch darauf zu. Vielleicht könnte ihm ja jemand helfen, vielleicht war dort eine kleine Hütte, wo er Unterschlupf suchen konnte? Zumindest für eine Nacht.
Doch seine Freude hielt sich in Grenzen, als er die Quelle endlich erreichte und statt eines vielleicht freundlichen Gesichtes einen ernst dreinblickenden Mann vor sich stehen hatte, der ihn auch noch mit einer Waffe bedrohte. Automatisch hob er seine Arme ein Stück, blickte den Fremden fragend an, während er nach Atem rang. Immerhin ließ er seine Pistole wieder hinunter und Euphoria hatte die Chance kurz zu Atem zu kommen. Keuchend wischte er sich den Schweiß von der Stirn, stützte sich auf seine Knie, die langsam immer schwächer wurden.
„Ich…ein ruhiger Abendspaziergang natürlich…sieht man…doch.“, seine Lippen formten ein belustigtes Lächeln, welches jedoch bei der beinahe eiskalten Miene ein wenig abebbte. Ein Mann zum Spaßen war der Fremde wohl nicht. „Ich…werde verfolgt…wurde bedroht mit Waffen und…ich bin aus..Visiholm gerannt und habe sie versucht abzuhängen.“ Sein Herz versuchte langsam wieder einen normalen Rhythmus zu erlangen, während der Barde sich wieder vernünftig aufrichtete, seinen Rücken so gerade wie möglich haltend. „Du…du bist gut gerüstet! Kannst du mir helfen? Wenigstens, um von ihnen wegzukommen! Ich..ich habe sie schon eine Weile nicht mehr gehört, vielleicht sind sie auch schon weg, ich habe mich jedoch nicht getraut stehenzubleiben.“ Ein kleiner Hoffnungsschimmer legte sich auf den Lockenkopf. Vielleicht würde dieser Typ ihm ja wirklich helfen können? Vielleicht war das seine Chance so unbeschadet wie möglich aus der Ortschaft rauszukommen, zumindest für so lange, bis Gras über die ganze Sache gewachsen war.
Mit großen, hilfesuchenden Augen blickte er den anderen an, musterte ihn dabei unauffällig. Er konnte absolut nicht sagen, was der Fremde hier machte und was ihn hierhergetrieben hatte, doch wirkte er, als wäre er fähig und das reichte dem Tiefling absolut aus, um sich ein bisschen sicherer in seiner Nähe zu fühlen.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1Mo Mai 10, 2021 7:21 pm

Noch immer beäugte Aschwin den Barden misstrauisch. Er mochte nicht so aussehen, als wenn er ihn gleich hinterrücks überfallen würde, aber der Jäger wusste auch, dass Barden häufig mächtige Magie beherrschten und wollte keinesfalls blind in einen Hinterhalt tappen. Deswegen hielt er die Pistole immer noch gesichert bereit, wenn auch nicht mehr auf den Tiefling gerichtet. Der stechende Blick erweichte sich auch nicht bei dem Versuch des anderen, die Situation mit einem Witz aufzulockern. Aschwin lagerte mit Grund lieber draußen in der Natur als in einer Taverne. Abgesehen davon, dass er sowieso viel in der Wildnis unterwegs war, hielt es ihm auch neugierige Gaffer vom Leib, die wohlmöglich noch wollten, dass er ihnen seinen letzten Job bis ins kleinste Detail schilderte. Dass er jetzt trotzdem auf jemanden gestoßen war, war durchaus ärgerlich. Aufmerksam musterte er jeden Zentimeter des Fremden, während dieser wieder versuchte zu Atem zu kommen. Er konnte ein Rapier sehen, also durchaus jemand, der sich zu verteidigen wusste? Hoffentlich war die Waffe nicht nur zur Zierde.
Bei den nächsten Worten des Fremden wurde er hellhörig und das nicht nur, weil der Mann eine durchaus angenehme Stimme hatte.
„Bedroht? Von wem?“, fragte er knapp. Normalerweise schützte er Menschen vor Monstern, nicht vor sich selbst.
„Und weshalb?“
Seine Stimme war ein dunkles Knurren. Dann trat er an dem Tiefling vorbei und blickte ins Unterholz. Eine ganze Weile verharrte er so, schnüffelte, lauschte. Als der Fremde die Stille unterbrechen wollte, hob er nur eine schwer behandschuhte Hand und bedeutete ihm, still zu sein.
„Sie sind noch in der Nähe“, schloss er endlich und drehte sie von der Schneise weg, die der Barde sich geschlagen hatte. Noch einmal traf ein prüfender Blick den anderen. Aschwin reiste nicht mit anderen, nicht, seit Gerolf nicht mehr war, und das mit gutem Grund. Doch gerade war der Vollmond frisch vorbei und der Mann schien wirklich Hilfe zu brauchen. Außerdem war da irgendetwas in den goldenen Augen, das es ihm schwer machte, den Tiefling einfach hier stehen zu lassen. Der Jäger rang noch einen kurzen Augenblick mit sich, dann sicherte er die Pistole wieder und schob sie zurück in den Waffenhalfter an seinem Gürtel.
„Ich hoffe für dich, dass du es ernst meinst“, knurrte er ihm entgegen und machte sich daran, sein Lager abzubrechen. Er ließ sich wenig Zeit damit, aber immer noch genug, um seine Ausrüstung nicht zu beschädigen. Das Zelt war blitzschnell abgebaut, den Kessel verschloss er mit einem gusseisernen Deckel und drückte ihm Euphoria wortlos in die Arme. Später wollte er noch essen. Als seine wenigen Habe wieder zusammengepackt waren, hockte er sich kurz hin, um wenigstens die gröbsten Spuren zu verwischen. Dann erhob er sich und bedeutete dem Tiefling, sich in Bewegung zu setzen, indem er ihn mit Nachdruck ein Stück voran schob.
„Aber nur bis zum nächsten Dorf.“
Aschwin schulterte seine Ausrüstung, sah sich einen Moment um und setzte sich dann ohne weitere Umschweife in Bewegung. Der Barde würde schon folgen, immerhin war er es, der seinen Schutz wollte.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1Di Mai 11, 2021 12:47 am

Für einen kurzen Augenblick war Euphoria sich nicht ganz sicher, ob der Fremde ihm wirklich helfen würde. Vielleicht war es einfach nicht seine Sache, vielleicht war er einer dieser Leute, die sich für andere absolut nicht interessierte? Aber das konnte er sich schlicht und ergreifend nicht vorstellen! Ein genauer Blick auf die Statur, die Körpersprache reichte ihm eigentlich immer aus, um ein wenig zu verstehen, mit wem er es zu tun hatte und die hübsch aussehende Gestalt vor ihm wirkte eindeutig wie jemand, der anderen zur Hilfe kommen würde, wenn sie in Not waren. Und das war der Tiefling eindeutig.
„Sie sind bewaffnet und wütend“, der Barde dachte einen kurzen Augenblick darüber nach, ob er dem anderen die Wahrheit erzählen sollte, darüber, weswegen er verfolgt wurde. Doch was, wenn er ihn dann hier stehenlassen würde? Was, wenn das kein wichtiger Grund war? Er musste nur die Wahrheit anders verpacken. „Ich weiß doch auch nicht, weshalb! Ich habe ihnen nichts getan!“ Theatralisch verschränkte er seine Arme vor der Brust. Immerhin hätten es ja auch Banditen sein können, irgendwelche Kriminellen, die sein Hab und Gut haben wollten, schließlich sah er nach etwas aus und auf dem ersten Blick würde man glauben, er würde ein gutes Sümmchen an Gold an sich haben. Dass dies jedoch absolut nicht der Wahrheit entsprach, musste man jedoch nicht in die Welt hinausposaunen. Euphoria hatte sein Geld stets wild hin und her geschmissen, sich schöne Kleidung und Schmuck davon gekauft, gute Getränke in Tavernen und an bestimmten Tagen auch gute Gesellschaft in den besonders exquisiten Badehäusern und Bordellen. Sparen gehörte nicht in den ausgelassenen Lebensstil hinein.
Seine neue Bekanntschaft sollte vielleicht auch etwas ausgelassener leben, dann würde er nicht so ernst und gereizt dreinblicken und die müden Ringe unter seinen Augen würden auch langsam verschwinden. Doch er wollte nicht beginnen seinen potenziellen Erretter zu kritisieren. Gerade wollte er ihn fragen, ob er sich nun qualifizierte Hilfe zu bekommen, da wurde ihm schon der Mund verboten. Mit hochgezogenen Augenbrauen beobachtete er den Dunkelhaarigen und zog sie bei seinen nächsten Worten unzufrieden zusammen. „Ach verdammt, was mach ich denn jetzt?“ Der Gelockte stieß ein schweres Seufzen aus und folgte dem anderen zu seinem kleinen Lager. „Natürlich meine ich das ernst! Sehe ich so aus, als würde ich zum Spaß durch den Wald rennen und meine Kleidung ruinieren?“ Euphoria schüttelte ungläubig den Kopf. Wer sollte sich solch einen Unsinn ausdenken, was hatte man davon?
Interessiert beobachtete er, wie der Fremde alles einräumte, wie schnell sein Zelt wieder ein Bündel war. Es erinnerte ihn an die Zeit, die er mit der Karawane verbracht hatte, wo ein Zelt regelrecht sein Zuhause war.
Verdutzt umklammerte er plötzlich den Topf, beschwerte sich jedoch nicht, war es doch das Mindeste, was er gerade tun konnte, dafür, dass er sich dazu bereit erklärte zu helfen.
„Zum nächsten Dorf? Ich kenne hier so einige kleine Ortschaften, du musst nur sagen, zu welcher du möchtest und…“, er hielt kurz inne, versuchte sich irgendwie zu orientieren, während der andere bereits voranmarschierte. Hastig lief er ihm hinterher, damit sie sich bloß nicht im Wald verloren. „Okay, um ehrlich zu sein, vom Wald aus kann ich absolut keinen navigieren. Ich bin nicht so waldkundig. Sag mal, hast du einen Namen?“ Fragend schielten die goldenen Augen zum Grau seines Nebenmannes. „Ich bin Euphoria!“, fügte er hastig hinzu und streckte ihm breit lächelnd seine Hand aus. „Ich bin Musiker, unschwer zu erkennen an meiner Geige, ich weiß! Wenn du möchtest- und die Umstände es natürlich erlauben- kann ich dir gerne etwas vorspielen.“

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1Di Mai 11, 2021 6:47 pm

Es brauchte kaum eine Viertelstunde, dass Aschwin seine Entscheidung schon beinahe wieder bereute. Der Tiefling schien den Mund gar nicht halten zu wollen und dabei das wichtigste dennoch geschickt zu umschiffen. Seine vage Erklärung, warum er verfolgt wurde, war überaus nichtssagend, aber Aschwin hatte keine Lust, weiter nachzuhaken. Dass er verfolgt wurde war keine Lüge und irgendeine gute Tat tat Aschwin hiermit sicherlich. Und bei Gott, er hatte genug wieder gerade zu biegen. Dennoch konnte er sich einen fast schon etwas abschätzigen Blick nicht verkneifen bei der theatralischen Art des Fremden.
„Nein, wer würde sowas schon zum Spaß machen?“, erwiderte er zynisch und duckte sich unter einem knorrigen Ast hindurch. Hier gab es keine Pfade, nicht einmal einen getrampelten Schleichweg, aber Aschwin wusste sehr genau, wo er hintreten musste, um unbeschadet und schnell durchs Unterholz zu kommen. Bereits jetzt musste er seine Geschwindigkeit herunterschrauben, damit der Fremde nicht zurückblieb. Wieso war alles an anderen Leuten so anstrengend und rätselhaft für ihn? Immer wieder blieb der Jäger kurz stehen, drückte Äste aus dem Weg, damit der Tiefling es ein wenig leichter hatte.
„Keine Sorge, ich weiß, wie ich zum nächsten Dorf komme.“
Bei seiner nächsten Frage hielt Aschwin tatsächlich einmal kurz inne und drehte den Kopf zu ihm herum. Sie würden sicher noch zwei Tage hier in der Wildnis unterwegs sein und er wollte den anderen nicht die ganze Zeit einen Fremden nennen müssen. Dennoch, der schier endlos wirkende Schwall an Worten ebbte gar nicht mehr ab. Die grauen Augen musterten den anderen noch einmal eindringlich, bevor er die ihm entgegengestreckte Hand ergriff und sie schüttelte.
„Aschwin“, erwiderte ihm ohne große Schnörkel. Wenn seine Sprechart dies nicht schon getan hatte, wies nun wenigstens sein Name ihn ziemlich klar als Kaiserlichen aus. Er teilte die Ansicht vieler seiner Landsleute nicht, dass Tieflinge etwas waren, was er fürchten musste. In der Welt hatte er schon viele Monster kennengelernt und die gehörnten Wesen waren nicht grausamer oder arglistiger als die Menschen in Kaisersruck. Euphorias Name jedenfalls schien passend gewählt zu sein.
„Jetzt gerade ist es vermutlich eher schlecht“, entgegnete er dem anderen, fühlte allerdings sein Herz auch kurz sinken, als die Frohnatur einen kurzen Knacks zu bekommen schien.
„Wir sollten noch etwas Weg hinter uns bringen. Am Lagerfeuer dann vielleicht.“
Wenn Euphoria ähnlich schön sang, wie er sprach, war es wohl sogar eine willkommene Ablenkung.
Und eine Ablenkung war der Barde durchaus. Fast schon zu spät bemerkte Aschwin, dass sie hier nicht mehr ganz allein zu sein schienen. Ein leises Knacken drang an seine Ohren und in der nächsten Sekunde war der Jäger schon herumgewirbelt und hatte Euphoria mit sich gerissen. Nun stand er den Rücken an einen breiten Baum gepresst und hatte den Fremden vor sich gedrückt, eine Hand über seinem Mund. Keine Sekunde zu früh, als zwei Gestalten hinter einer Felsformation hervortraten und sich schimpfend durchs Unterholz kämpften. Aschwin schien schnell genug reagiert zu haben, denn die Stimmen entfernten sich wieder, ohne sie bemerkt zu haben. Vorsichtig stieß er die Luft aus, die er angehalten hatte und lockerte, wenn auch zögerlich, seinen Griff um Euphoria.
„Ein wenig mehr Vorsicht wäre angebracht“, knurrte er dunkel.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1Mi Mai 12, 2021 12:40 am

Der Fremde schien sich ganz gut in der Wildnis auszukennen und offenbar auch, wie man von einem Ort zum nächsten kommen konnte ohne Wege oder gar Schildern am Straßenrand, die die Richtung wiesen. Ein wenig fasziniert war der Tiefling von diesem Können und wie der andere selbstsicher sich durch die Wildnis bewegte.
Er jedoch war absolut nicht für die Wildnis geschaffen, zumindest nicht in diesem Aufzug oder generell irgendwann. In all seinen Reisen hatten sie sich zwar draußen aufgehalten, mussten sich jedoch nicht durch dichte Wälder prügeln oder irgendwelche alten Überlebenstricks rausholen, damit sie durchkamen. Und schnellen Schrittes musste er schon gar nicht laufen. Dieser Mann hingegen schien mit einem Satz längeren Beinen gesegnet zu sein, so, wie er ihn regelrecht davonlief! Der Barde verkniff sich einen dämlichen Spruch, er wollte seine helfende Hand nicht direkt mit harschen Worten ausschlagen und dann zum Schluss doch alleine hier stehen, unwissend wohin und wie er sich selbst retten konnte.
„Aschwin! Schöner Name, passt zu dir!“ Sein Händedruck war fest, etwas anderes hatte der Gelockte jedoch auch nicht erwartet. Der Dunkelhaarige schien einen weiten Weg gereist zu sein, so weit weg von seiner Heimat, zu gerne wollte er wissen, was der Grund dafür war. Die schönen Städte zu besichtigen konnte es schon einmal nicht sein.
Sein breites Lächeln traf erneut den ernsten Blick, der auf den markanten Zügen seines Nebenmannes lag, jedoch bröckelte es ein wenig bei den nächsten Worten, die die schmalen Lippen verließen. Wollte er ihm gerade indirekt sagen, dass er sich für Musik nicht interessierte? Wer auf dieser Welt mochte schon keine Musik? Vielleicht hatte er noch nicht den richtigen Musikanten getroffen!
Doch schnell erhellte sich die Miene des fröhlichen Gemüts, offenbar schien dieser Aschwin doch einiges für gute Musik übrig zu haben. Eifrig nickte der Tiefling. „Ich hab ein paar Klassiker auf Lager, natürlich, alles andere wäre auch peinlich. Aber ich schreibe vieles selbst!“ Vorfreude machte sich im schmalen Leib breit. Euphoria lebte für die Musik und vor allem für seine eigene, und wenn er einen Moment finden konnte, andere damit zu bereichern, würde er diesen ganz sicherlich nicht verstreichen lassen! Gerne hätte er ihm bereits jetzt einige Titel aufgezählt, damit der Fremde sich für ein Lied oder zwei entscheiden konnte, da hielt dieser plötzlich inne.
Ohne auch nur vernünftig reagieren oder gar etwas entgegnen zu können, fand er sich plötzlich mit Aschwin hinter einem Baum wieder, sein Körper nah an dem des anderen, welcher zusätzlich seine Hand auf Euphorias Mund presste. Euphoria selbst versuchte bei all dem Herumwirbeln bloß nichts vom Eintopf auszukippen, den er immer noch fest in seinen Händen hielt und machte im nächsten Moment große Augen bei dieser seltsamen Aktion.
In einer anderen Situation hätte er sich vielleicht auf so etwas eingelassen, der Fremde war ein durchaus gut aussehender, hoch gewachsener Mann, ganz sein Typ von Kopf bis Fuß, aber dies war wohl die schlechteste Situation, um in Fantasien zu schwelgen.
Der Moment hatte beinahe eine Ewigkeit gedauert, der Gelockte hatte nun ebenfalls die Stimmen und Schritte gehört und bekam es kurz mit der Angst zu tun, dass sie die beiden vielleicht finden würden.
Doch sie zogen weiter und waren irgendwann nicht mehr zu vernehmen. Der Barde drehte sich leicht herum, holte tief Luft, die ihm gerade verwehrt war. Mit zusammengezogenen Augenbrauen blickte er den anderen an. „Ist jetzt nicht so, als hätte ich den gesamten Wald zusammengeschrien.“, zischte die Stimme unzufrieden. Wollte er etwa gerade sagen, dass er unvorsichtig war? „Tut mir leid…ich werde jetzt leiser sein. Du…du bemerkst echt alles, was?“ Schnell formte der Gelockte wieder ein schiefes Lächeln und folgte eilig dem Dunkelhaarigen, versuchte so gut wie möglich mit ihm Schritt zu halten. „Was glaubst du, wie lange müssen wir noch laufen, bis wir irgendwo ein Lager aufschlagen können?“, fragte er leise. Es war nicht so, als wäre er müde des Laufens, aber ab wann waren sie sicher genug, dass sie sich so etwas wie eine Pause erlauben konnten? „Oder denkst du, wir sollten die Nacht besser damit verbringen mehr Abstand von ihnen zu gewinnen? Ich hab eine gute Ausdauer, mach dir um mich keine Sorgen!“ Eigentlich wollte Euphoria auch nur zur Ruhe kommen, um vielleicht mehr als nur den Namen von dieser mysteriösen Gestalt zu erfahren.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1Fr Mai 14, 2021 3:43 pm

Eine Weile noch lauschte Aschwin in die Stille des Waldes hinein, immer wieder unterbrochen von knackenden Ästen und lautem Schnauben, während sich ihre Verfolger weiter entfernten, unwissend, dass sie ihrer Beute wohl gerade fast über den Weg gelaufen wären. Nach dem ersten Adrenalin – auch Euphorias Herz hatte er laut pochen gehört, während er ihn an sich gedrückt hatte – setzte jetzt die Realisation ein, dass sie noch einmal haarscharf entkommen waren und der Leib des Jägers entspannte sich wieder und ließ vollkommen von dem Fremden ab. Für Aschwin war es unbegreiflich, wie der Tiefling direkt wieder anfangen konnte zu plappern. Er selbst hatte stattdessen all seine Sinne so gut wie möglich auf Menschen in ihrer Nähe eingestellt, doch es schien ihm, als wenn außer den beiden Männern von eben niemand mehr in ihrer direkten Nähe war.
„Man muss es nicht darauf ankommen lassen, oder?“, entgegnete er ebenfalls etwas gereizt. Für ihn war es definitiv einfacher gewesen, den Mann eben mit sich zu ziehen, als ihm zu sagen, dass er still sein sollte. Wieder einmal wurde Aschwin schmerzlich bewusst, dass er nicht gut darin war, mit anderen umzugehen, versuchte aber, den Gedanken schnellstmöglich abzuschütteln, bevor er ihn weiter beschäftigen konnte. Seine Sinne sollten gerade auf etwas anderes konzentriert sein. Kaum hatte er sich Zeit gelassen, da war er wieder losgelaufen, einen Bogen schlagend in der Hoffnung, dass sie Euphorias Verfolgern nicht wieder über den Weg laufen würden. Die Stimme des Barden jedoch wollte nicht still schweigen. Aschwin stieß schnaubend Luft aus.
„Ist gar nicht reden keine Option für dich?“, fragte er scharf und schnellte zu dem Tiefling herum, der immer noch den Topf umklammert hielt. Sicherlich redete er etwas leiser als zuvor, aber auch eine leise Stimme würde mitten im Wald Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
„Es ist sehr schwierig, alles zu bemerken, wenn du nicht still bist.“
Die Nachwirkungen des Vollmonds lauerten immer noch in seinem Blut, brachten es zum Kochen und kostete Aschwin einiges an Willensstärke, um sich zu fangen und Euphoria in ruhigerem Ton zu antworten.
„Wir laufen noch etwas. Dann sind wir sicher.“
Ruckartig wandte er sich wieder von dem Barden ab und widmete sich etwas, was er besser konnte als reden: ihnen einen Weg durchs Unterholz zu bahnen. Eine Weile lang war er stumm, wobei in seinem Kopf fieberhaft alles ratterte, um nach Worten für den Tiefling zu suchen. Dabei verstand der Werwolf nicht einmal, wieso ihn dies so sehr beschäftigte. Er schuldete diesem Mann nichts, er war es, der für ihn den Kopf riskierte ohne überhaupt zu wissen, vor was er floh. Wenigstens hatte Euphoria in einer Sache nicht zu viel gesagt, denn folgen tat er ihm tatsächlich ohne große Beschwerden und ohne, dass sein Tempo abnahm. Vielleicht steckte doch etwas mehr in ihm, als Aschwin vermutet hätte.
„Also, wer sind diese Leute?“, fragte der Jäger schließlich und drehte den Kopf wenigstens leicht in Euphorias Richtung. Er konnte all die Worte förmlich riechen, die sich hinter den Lippen des anderen angestaut hatten und sie waren jetzt fast eine Stunde lang schweigend durch den Wald getrottet, dass Aschwin das Gefühl hatte, die Stille brechen zu müssen, bevor der Tiefling noch platzte.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1Sa Mai 15, 2021 4:45 pm

Eines stand klar fest- mit diesem Mann war es schier unmöglich eine Konversation zu führen. Nicht einmal ein Kompliment schien er annehmen zu können! Stattdessen wurde dem Barden der Mund verboten und der besagte Barde zog unzufrieden seine Augenbrauen zusammen.
Fein, wenn er nicht einmal ein leises Wort von sich geben durfte, dann eben nicht!
Stumm lief der Tiefling dem anderen hinterher, stieg über dicke Wurzeln, schob Äste davon, damit sie nicht in sein Gesicht peitschten und versuchte Schritt mit dem Fremden zu halten. Ein bisschen hatte er in der Karawane gelernt, wie man einige unangenehme Strecken zurücklegte, wie man auskam, wenn weit und breit kein Dorf oder gar eine Stadt zu finden war, aber das war höchstwahrscheinlich immer noch nicht gleichzusetzen mit jenen, die sich in der Wildnis perfekt auskannten.
Euphoria hätte gerne gewusst, woher Aschwin all das wusste, doch er würde sich wohl gedulden müssen, denn ein Wort würde der andere wohl nicht verlieren und er selbst hatte Sorge, dass man ihn hier stehen lassen würde, sollte seine Stimme im Wald ein weiteres Mal erklingen.
Wahrscheinlich hätte es ihn nicht so stören dürfen, immerhin hatte der Gelockte um Hilfe gebeten aber dann wiederum fühlte es sich einfach falsch an, Anweisungen von anderen zu befolgen. Der Barde hatte in seiner Kindheit viel zu häufig zu spüren bekommen, dass sein Plappermaul nicht willkommen war, und er wollte sich nicht mehr so herumschubsen lassen, egal in welcher Situation.
All diese Gedanken schwirrten regelrecht im gehörnten Kopf, dass es beinahe unerträglich wurde und als er glaubte, komplett verrückt in dieser Stille zu werden, hatte Aschwin zu seinem Erstaunen das Wort ergriffen.
Wie eine Ewigkeit hatte es sich angefühlt, seit irgendwer etwas gesagt hatte und dies war nun eindeutig das Signal, dass Euphoria nicht mehr auf seine Lippen beißen musste. Allerdings hätte er dieses Thema lieber komplett auf Eis gelegt. Wieso wollte er es denn so dringend wissen? Und wieso hatte er sich immer noch keine gute Geschichte überlegt, die absolut überzeugend klang?
Er hielt kurz inne, blickte in die grauen Augen seines Gegenübers, ehe er schwer aufseufzte. „Die gehören zu einem Adligen. Ihm schien meine Musik nicht gefallen zu haben, aber anstatt mich einfach rauszuschmeißen und nicht mehr einzustellen, hat er die…extreme Variante sich ausgesucht. Ich habe kein Gesetz gebrochen, wenn du das glaubst!“ Seine Worte waren nicht gelogen, keines davon und dass der Mann überreagiert hatte, war mehr als nur eindeutig. „Ich hatte wirklich gehofft, dass sie mich nur aus seinem Anwesen scheuchen aber…sie rannten mir weiter hinterher und ich wollte nicht wegen solch einer Kleinigkeit meinen Kopf verlieren! Also bin ich gerannt und gerannt und…ich weiß nicht mal, ob ich je zurückkann.“ Sehnsüchtig ließ er den Blick über seine Schulter schweifen, ehe er erneut den Blick zum Fremden suchte und schnell wieder ein Lächeln auf seine Lippen zauberte. „Aber es bringt nichts zurückzuschauen, nicht wahr? Der Weg ist vor uns und ich werde schon ein neues Ziel finden, Leute, die meine Musik durch und durch wertschätzen und mögen. Vielleicht war es an der Zeit endlich die Welt zu erleben. Irgendwann müssen sie es auch leid sein, mich zu suchen, nicht wahr?“

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1So Mai 16, 2021 2:21 pm

Aufmerksam lauschte Aschwin der Erklärung des Tieflings, wieso er auf der Flucht war, damit ihre Reise durch die Wildnis vielleicht endlich etwas mehr Sinn ergab. Mehr noch wusste Aschwin damit dann auch endlich, worauf er sich einstellen musste. Es wirkte, als wenn sich die Worte förmlich aufgestaut hatten hinter den Lippen des Fremden, denn sie sprudelten nur so aus ihm heraus, als Aschwin endlich das Gespräch anstieß. Seine Augenbraue hob sich ungläubig bei den Worten des anderen.
„Sie jagen dich wegen eines Lieds?“, fragte er, nicht belustigt, sondern eher verwundert. Was Worte doch für eine Macht haben konnten. Der Jäger würde es nie so recht verstehen. Es waren immerhin nur Worte.
„Schwer einzuschätzen, wie lange dir solche Leute auf den Fersen bleiben würden“, fügte er hinzu. Vielleicht handelte es sich nur um heiße Wut, ganz frisch glühend noch, die in ein paar Stunden verebbt sein würde. Aber wer so einen Aufstand über einen Barden machte, mochte sich als sehr viel hartnäckiger erweisen. Dennoch, Aschwin hoffte, dass es reichte, wenn er Euphoria ein oder zwei Dörfer weiter mitnahm und er von dort aus sein eigenes Glück suchte. Wenigstens schien er sich mit einem Abenteurerleben ziemlich schnell arrangiert zu haben. Aber Aschwin hatte eh das Gefühl, dass es die meisten Künstler irgendwann auf die Straße trieb, wenn er sich die zahlreichen Musiker in Tavernen am Wegesrand so in Erinnerung rief, die er so getroffen hatte.
„Anderswo ist es auch nicht schlechter als hier“, fügte Aschwin hinzu und bog einen Ast für den Barden zur Seite und ließ ihn an ihm vorbeiziehen. Der Jäger war schon durchs ganze Kaiserreich gereist, hatte sich vor allem auch im Norden öfter verirrt, da die Kälte hier oben noch größere Monster anzulocken schien. Für einen Barden schien die Gegend um Visiholm sogar viel zu langweilig und unkultiviert zu sein, wenn Aschwin so an die Städte der Goldenen Küste dachte, die er bewusst bisher gemieden hatte. Vielleicht sollte er Euphoria die Reise nach Myrnia oder Thabrea empfehlen. Durch das Kaiserreich zu reisen war generell sicher, wenn auch für ihn selbst etwas weniger.
Auf seine Frage hin zuckte er nur mit den Schultern, hielt dann aber noch einmal inne, um sich auf die Geräusche und Gerüche in ihrer Nähe zu konzentrieren. Um sie herum schien Stille zu sein und Aschwin nahm nichts wahr, was den Wald zu stören schien. Außerdem wurde es langsam aber sicher zu dunkel für seine Augen. Im Dunkeln durch den Wald zu reisen war sinnlos, wenn nicht sogar gefährlich.
„Wir scheinen vorerst sicher. Ich such uns einen Lagerplatz.“
Es kostete den Jäger noch fast eine Stunde, aber schließlich hatte er eine verlassene Höhle gefunden, die ihr perfektes Nachtlager sein würde. Hier war es trocken und sie waren erst einmal vor neugierigen Augen geschützt. Aschwin hatte noch etwas Feuerholz dabei und in nur kurzer Zeit erhellte warmer Flammenschein die nicht besonders tiefe Höhle und der Topf erhitzte sich wieder. Ein Zelt brauchten sie hier drin nicht wirklich, sodass Aschwin sich damit begnügte, die wetterfeste Plane auf dem Boden auszubreiten, damit sie nicht auf dem kalten Boden sitzen mussten.
„Hast du Geschirr? Decken?“, fragte er in seine Richtung, während er alles, was er zum Essen brauchte, fein säuberlich aus seinem Rucksack suchte.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1So Mai 16, 2021 11:39 pm

Es gab sicherlich schlimmere Vergehen, als ein misslungenes Lied, doch wenn man genug Macht und Autorität hatte, brauchte es nur ein falsches Wort und man konnte mit der Person offenbar tun und lassen, was man wollte.
Doch nicht mit dem Barden! „Dann hoffen wir auf das Beste, irgendwann sind auch ihre Beine müde und woher sollen sie schon wissen, wo ich hin bin, richtig?“ Euphoria wollte seine Zeit nicht damit verschwenden sich allzu schlimme Szenarien einzureden, er war optimistisch, durch und durch und zu jedem Problem gab es auch eine Lösung und die galt es nun zu finden.
Bei den Worten des anderen nickte er eifrig. „Ich bin mir absolut sicher, dass noch so viele spannende Orte da draußen mich erwarten. Weg von der Kälte zu kommen, ist auch nicht verkehrt!“ Sein Leben lang hatte er im kalten Norden verbracht, dabei war das sonnige Gemüt absolut nicht für solche Wetterverhältnisse geschaffen, genoss er doch die Sonne auf seiner Haut, die wohlige Wärme, die seinen schmalen Körper umgab und einwickelte. Da draußen musste es solche Orte geben, wo ihn keine Schneeflocke berühren und kein lauter Windhauch frösteln ließ.
Dass der Tiefling ein einigermaßen vernünftiges Gespräch mit Aschwin führen konnte, war angenehm und ließ ihn zumindest vermuten, dass die Verfolger ihnen nicht dicht auf den Fersen waren. Dass dies auch bedeutete, dass sie langsam auch irgendwo rasten können, erhellte die Miene des Gelockten noch einmal etwas stärker. Sicher, die langen Beine hätten noch lange wandern können, die Dunkelheit um sie herum war ebenfalls kein Problem, doch langsam wurde ihm das ewige Wandern doch ein wenig leid und er wollte sich in Ruhe irgendwo hinsetzen und an einem Feuer erwärmen können.
„Wie einfach es dir fällt, sowas direkt zu wissen! Erstaunlich!“ Euphoria war wahrlich überrascht von den Talenten, die der Fremde offenbar besaß, wie er angestrengt lauschen und direkt wissen konnte, ob sie außer Gefahr waren oder nicht. Wo lernte man so etwas nur?
Auch, wenn der andere während seiner Suche ihm nicht noch einmal verboten hatte zu reden, versuchte der Barde dennoch seinen Wortschwall auf ein Minimum zu reduzieren, wollte er ihn nicht direkt wieder verärgern und die Zuversicht, dass sie gleich irgendwo rasten würden, erleichterte es ihm ein wenig den Mund zu halten. Immerhin konnte er ihn später mit Fragen erschlagen!
Eine Höhle hatte der Tiefling nicht erwartet, doch es war eine willkommene Stelle, die sie vor Wind und potenziell schlechtem Wetter schützte. Mit einem zufriedenen Seufzer ließ er seine Tasche zu Boden fallen und beobachtete interessiert, wie der Dunkelhaarige ein Feuer und es allgemein etwas bequemer in der kleinen Höhle machte. Die Wärme war dem Barden mehr als nur willkommen und als ihm endlich der Topf aus den Händen genommen wurde, setze er sich nah an die Flammen und schloss zufrieden seine Augen.
Erst jetzt wurde ihm langsam bewusst, wie lange er schon auf der Flucht gewesen war und wie lange es her war, dass er sich vernünftig ausruhen konnte. Und als er Aschwin so anschaute und seine Frage noch im Kopf herumschwirrte, wurde ihm auch bewusst, dass er absolut nicht ausgerüstet für eine Reise in der Wildnis war. „Nuuun, meine neu gewonnene Bekanntschaft, leider habe nichts dergleichen mitgenommen, schließlich war all dies schlussendlich sehr spontan und absolut keine geplante Sache! Also…nein, keine Decke, kein Geschirr oder gar ein Zelt.“ Euphoria zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Wir werden uns sicherlich so lange irgendwie so arrangieren können, oder? Ich…ich kann auch aus dem Topf essen, wenn du was übriglässt und meinen Mantel ein wenig enger drücken, ich bin gut darin zu improvisieren!“ Wenn es darum ging das Beste aus einer Situation zu machen, wusste der Gelockte eigentlich immer einen Weg. Vielleicht war er doch für dieses abenteuerliche Leben besser geschaffen als gedacht? Und sobald auch alle Utensilien in seinem Besitz waren, wer oder was könnte ihn dann schon aufhalten? Langsam gewöhnte sich der junge Mann an diesen Gedanken, an das rastlose Leben, es war ohnehin irgendwann sein Ziel gewesen!
„Sag mal, Aschwin, was treibt dich eigentlich so weit in den Norden? Du kommst eindeutig nicht von hier und unsere schönen kalten Wälder können nicht der Grund sein, dass du hier bist. Bist du eine Art Wildniskundiger?“ Neugierig lagen die goldenen Augen auf dem Gesicht des anderen. Er war wirklich hübsch, keine Frage, erinnerte ihn an Andrej, in den er so lange verschossen war. Selbst seine alles andere als gesprächige Art und der ernste Blick hatten eine gewissen Ähnlichkeit. Fühlte er sich deswegen bereits so wohl, obwohl er den Fremden kein bisschen kannte? „Entschuldige, ich dachte mir nur, wenn wir noch ein Weilchen gemeinsam reisen, dann kann man die Zeit nutzen und einander etwas besser kennenlernen! Du wirkst wie ein sehr interessanter Mensch!“

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1Mo Mai 17, 2021 11:20 pm

Aschwin wusste nicht genau, ob er einen voll ausgerüsteten Tiefling erwartet hatte, wenn der andere wirklich in heilloser Flucht aus Visiholm gekommen war. In solch einer Situation wäre er wohl selbst nicht einmal eine Decke bei sich gehabt. Nachdenklich rührte Aschwin in dem Topf. Sie mochten nicht allzu weit von der Zivilisation entfernt sein, aber die Nächte waren dennoch kalt und die Reisen durch die Wildnis nicht zu unterschätzen. Er selbst mochte mit dürftiger Ausrüstung zurechtkommen, aber Euphoria? Er schüttelte den Kopf.
„Wir teilen. Unterschätz nicht, wie kalt es hier in der Nacht wird.“
In der Zeit, in der er noch mit Gerolf unterwegs gewesen war, hatte er durchaus auch manchmal die Nächte eng umschlungen mit ihm verbracht. Mit Körperwärme hielten sie sich gegenseitig warm und am Leben und auch, wenn er den Tiefling noch nicht lang kannte, sah er es als seine Pflicht an, ihn am Leben zu erhalten.
„Und dann besorgen wir dir im nächsten Ort richtige Ausrüstung.“
Die Suppe wurde langsam warm und der Jäger füllte eine Schüssel mit dem dampfenden Brei. Er war kein herausragender Koch, das wusste er selbst. Seine Küche reichte, um satt zu werden und sich zu stärken, das tat auch dieses Mahl. Aus seinem Rucksack holte er ein kleines Leinenbündel mit Brot und Trockenfleisch, die den faden Eintopf etwas aufwerten würden und hielt beides dem Tiefling hin, zusammen mit der gut gefüllten Schüssel. Er war etwas näher zu ihm herübergerutscht, einfach, um das abwechselnde Essen aus der Schale unkomplizierter zu machen und sich schon etwas mehr Wärme zu spenden. Gedankenverloren biss er von dem Trockenfleisch ab. Sonst waren die Abende der Moment, an dem er sich von den Strapazen des Tages erholte und ganz unter sich war, doch mit Euphoria an seiner Seite war an Stille wohl so schnell nicht zu denken. Wenigstens war seine Stimme angenehm und der Werwolf hörte ihm gern zu. Wenn er denn nur hätte zuhören können! Aber der Tiefling erwartete definitiv mehr Gesprächsbeteiligung von ihm. Eine Weile noch kaute Aschwin stumm auf seinem Trockenfleisch, dann hatte er genug Zeit in stille verstreichen lassen.
„Ich war auf der Jagd. Ich bin Monsterjäger und zwei Yetis haben hier in der Gegen Unruhe gestiftet.“
Aschwin hielt inne. Wollte Euphoria, dass er seine Geschichte noch mehr ausschmückte? Sie zu einem Ende führte?
„Hab sie beide getötet.“
Es gab viele Dinge, die dieser Tiefling nie erfahren durfte über ihn, sein Beruf war da wohl noch eine der harmlosesten Angelegenheiten und er war nicht der erste, der mit Kampf und Jagd seinen Unterhalt verdiente.
„Bin aber jetzt wieder auf dem Weg nach Süden. Im Kaiserreich gibt es immer Monster.“
Freilich hielt Aschwin sich lieber an den Rändern des Kaiserreiches auf, wo er schnell wieder verschwunden war, wenn sich die falsche Aufmerksamkeit auf ihn richtete. So, wie Euphoria geredet hatte, hatte er ja das Land der Hodhrage noch nie verlassen, aber das hieß nicht, dass er nichts Interessantes zu berichten hatte.
Aschwin nahm die Schale mit Eintopf von ihm entgegen und ließ ihn das Essen von innen wärmen. Nachdenklich blickte er in das hübsche Gesicht, das ihn neugierig und ohne Scheu anblickte. Ob er immer noch so aussehen würde, wenn er wüsste, was wirklich in dem Jäger schlummerte? Seine Züge verhärteten sich für einen Moment, sein Griff um die Holzschale wurde fester, bis seine Gedanken einen kleinen Lichtblick fanden und er sich wieder auf den Tiefling vor sich konzentrierte.
„Du wolltest mir deine Kunst zeigen“, entgegnete er ihm und blickte ihn auffordernd an.

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BeitragThema: Re: Wolfsong       Wolfsong - Seite 6 Icon_minitime1Di Mai 18, 2021 12:58 am

Es überraschte den Tiefling, dass der andere so gewillt war sein Geschirr und auch seine Decke mit ihm zu teilen. Nicht, dass er ihm etwas unterstellen wollte, immerhin kannten sich die beiden nun wirklich gar nicht, doch es war dennoch keine Selbstverständlichkeit, dass man so gewillt war, anderen durch und durch zu helfen. Und Euphoria würde nicht protestieren. Stattdessen nickte er nur anerkennend und lächelte den anderen dankbar an.
Er wollte auch so gut ausgerüstet sein, wollte alles, was er wirklich brauchte, auf seinem Rücken tragen, damit er nicht irgendwo zwischen zwei Städten aufgeschmissen war, weil nirgendwo eine Schenke oder gar ein Stall aufzufinden waren! Sicherlich würde der Fremde ihm dabei helfen können.
Jetzt jedoch nahm er lieber freudig die Schüssel entgegen, nahm sich einen großen Bissen vom Brot und schaufelte sogleich den Eintopf in sich hinein, jedoch nicht ungehobelt wie ein Wilder, sondern bedacht mit Manieren und Ruhe. Es war nicht unbedingt das beste Essen, was der Barde jemals probiert hatte, kaum gesalzen oder generell gewürzt, doch er wollte Aschwins Kochkünste nicht kritisieren, abgesehen davon war der Hunger viel zu groß und schlecht war dies bei Weitem noch nicht! Lieber konzentrierte er sich auf die dunkle Stimme seines Nebenmannes, lauschte aufmerksam seiner Erzählung. Bei dem Wort „Trolle“ blickte der Gelockte noch einmal mit großen Augen auf. Welch ein gefährliches Unterfangen! Er musste sich wirklich einer massiven Gefahr ausgesetzt haben, als er diese Ungeheuer bezwang und das auch noch allein!
Euphoria hatte auf eine ausführliche Schilderung gehofft, die Spannung war groß in dem schmalen Körper und schlaffte im nächsten Moment schnell wieder ab, als der andere so plump von ihrem Tod berichtete.
„Wow, du scheinst wohl besonders gut im Jagen von Monstern zu sein, wenn du selbst so weit im Norden angeheuert wirst! Das muss ein unfassbar gefährlicher Beruf sein!“ Wie wohl ein Tag in dem Leben des Dunkelhaarigen so aussah, wenn er nicht gerade Barden im Wald aufgabelte? Wie gerne hätte Euphoria solch eine Jagd erlebt oder zumindest jedes Detail davon mitbekommen. Das wären sicherlich Lieder, die sich machen könnten, die zahlreiche Tavernen und Reisende erreichen könnte und ihm einen Namen machen würden!
„Kaiserreich also! Ich habe so vieles von der Ortschaft gehört, Ambitionen, Fortschritt, muss eine stets geschäftige Gegend sein, wenn es dich dorthin wieder zurücktreibt.“, mit diesen Worten drückte er die Schüssel in die mit Handschuh besetzten Hände, während sein Lächeln weiterhin nicht abebbte. Nun hatte Aschwin endgültig seine Neugierde geweckt! Der Tiefling wusste einfach, dass in diesem wortkargen, ernsten Mann so viel mehr schlummerte und vielleicht konnte er ein wenig mehr aus ihm herauskitzeln, mit ein wenig Überzeugungskraft und Geduld war dies sicherlich möglich und Euphoria war endlos geduldig!
Allerdings lenkten die nächsten Worte den jungen Mann schnell wieder ab und er klatschte entzückt in seine Hände. „Wie konnte ich das nur vergessen, ich Narr!“ Der Gelockte sprang regelrecht auf, holte seine Violine herbei und setzte sich wieder neben den Monsterjäger. „Mit einer Laute wäre es viel einfacher ein Lied einzustimmen….die ist leider in Visiholm geblieben. Aber dafür hast du das große Los gezogen und darfst dir direkt zwei Einlagen anhören- ich hebe mir das Singen bis zum Schluss auf, man sollte sein Publikum für das Beste bannen!“ Ein breites, selbstbewusstes Lächeln stahl sich auf die dunklen Lippen, während er das Instrument an seine Schulter platzierte und kurze Zeit später begann ein durchaus bekanntes Lied zu spielen, welches sicherlich hier und da auf einigen Festen zu hören war.
Die Violine war ein edles Instrument, brachte schöne Klänge hervor, doch leider konnte man nicht so gut damit singen, da waren ihm all die anderen Instrumente so viel lieber, die seine Lieder begleiteten, doch ausgerechnet seine Laute musste er liegen lassen! Vielleicht würden sie im nächsten Dorf auf eine stoßen?
Als die letzten Seiten ihre Töne von sich gaben, hielt Euphoria kurz inne und legte das Instrument vorsichtig neben sich auf den steinernen Boden, den Blick zu Aschwin wandernd. „Du verdienst definitiv ein Lied mit Laute, aber ich hoffe, dass es dir bis jetzt gefallen hat! Wonach ist dir denn? Etwas Schnelles, Fröhliches oder…ich glaube, du bist ein Mann, der ruhige Lieder bevorzugt!“
Der Barde räusperte sich einmal kurz, grübelte, was er dem anderen vorsingen wollte, bis ihm eines seiner eigenen Lieder in den Sinn kam. Er hatte so viele Lieder geschrieben, sie waren so etwas wie sein Tagebuch und sie alle hatten eine bestimmte Laune, eine bestimmte Situation oder gar einen bestimmten Tag symbolisiert. Die meisten ruhigen Lieder waren jene, die aus Einsamkeit, Trauer und Schmerz entsprungen waren, doch einige hatten auch der Zweisamkeit und der Freundschaft gedient, welche er gewonnen hatte. Und über Freundschaft wollte er singen, es war ein schöneres Thema.
Schnell konnte Euphoria alles im sich herum vergessen, sogar, dass jemand neben ihm saß. Beinahe hatte er vergessen in seine Richtung zu blicken, als er fertig war, ließ die Augen kurz auf dem prasselnden Feuer ruhen. Nur langsam drehte er sich zum Fremden herum, auf seinem Gesicht eine Mischung aus Zufriedenheit und beinahe schon Schüchternheit. „I-ich singe selten meine eigenen Lieder, sie sind nicht alle ausgereift musst du wissen, aber ich hoffe dennoch, dass es dir gefallen hat, Aschwin!“

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