Danger Danger
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High Voltage
 
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 Eichenherz

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Kauzi
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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1So Nov 17, 2019 8:17 pm

Der Alkohol hatte sie wirklich zu Höchstleistungen angespornt und so erkannte sich die sonst so schüchterne und zurückhaltende Mina kaum wieder. Das musste Arngrims Einfluss sein, der sie in dieser Hinsicht etwas offener gemacht hatte. Vor einigen Monaten hätte sie sich nicht vorstellen können, dass sie solche Experimente mit einer anderen Frau durchführte. Aber es war neu und aufregend und die Geräusche der anderen spornten Mina dazu an, ihr Bestes zu geben. Und so, wie Selma sich anhörte, musste Mina schon vieles richtig machen. Zum krönenden Abschluss wölbte der warme Leib sich ihr endlich entgegen. Auch ohne, dass Selma laute Geräusche ausstieß, konnte Mina merken, dass sie endlich gekommen war. Wenn sie der anderen Glauben schenken durfte, war dies das erste Mal, dass jemand anderes als sie selbst ihr einen Orgasmus verpasste. Ganz sicher war Mina sich nicht, ob sie die richtige Person für diese Ehre war. So spannend und erregend dies alles in diesem Moment war, eine Zukunft hatten sie beiden aus zahlreichen Gründen nicht. Vielleicht hätte Selma besser jemanden kennengelernt, jemanden, der sie genauso lieben würde, wie Arngrim und Mina sich liebten. Aber andererseits würde diese Nacht ihr Selbstvertrauen unter Umständen erst genug stärken, um ihr solch eine Chance überhaupt zu geben.
Für den Moment waren all diese Überlegungen sowieso nicht wichtig. Mina gab Selma mit sachten Küssen ein wenig Sicherheit und Geborgenheit, während sie sich mit schweren Atemzügen von ihrem Orgasmus erholte. Ihre sanften Berührungen fanden immer wieder Selmas Hals und ihr Gesicht drückte sich in die Wärme ihrer Halsbeuge. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten sie den Abend auch so ausklingen lassen können, Mina hatte keine Gegenleistung erwartet, war sie doch selbst neugierig gewesen, wie sich Sex mit einer anderen Frau so anfühlte und dieses Erlebnis war ihr ja beschert worden. Doch anscheinend war Selma noch nicht mit ihr fertig. Überrascht, aber vorfreudig nickte Mina und ließ die aufgeregte Selma gewähren, half ihr dort nach, wo es ihr nötig erschien. Vorsichtig schälte sie sich aus ihrer Hose, jedenfalls so weit, dass sie ihre Beine genug spreizen konnte. Als die Finger der anderen über ihre Unterschenkel strichen, merkte Mina erst, wie unglaublich heiß und erregt sie war und dass es vermutlich ein trauriges Ende gewesen wäre, wenn sie sich selbst hätte befriedigen müssen. Selmas Berührungen ließen einen Schauer durch ihren Körper fahren und wo die Unerfahrenheit sie noch blockierte, half Mina ihr vorsichtig nach. Es dauerte nicht lange, bis die junge Frau genau zu wissen schien, wie sie sich zu bewegen hatte und Mina lehnte sich mit einem Stöhnen zurück. Auch sie musste sich zusammenreißen, um nicht zu laut zu werden und spätestens als Selma mit ihren Fingern in sie eindrang, drückte sie ihr Gesicht nah an den Leib der anderen, um ihre Laute zu dämpfen. Zwar vermisste sie es ein wenig, dass Selma nicht anders in sie eindringen konnte, aber ihre sanften Hände, wenn auch unerfahren, leisteten einen mindestens genauso guten Dienst wie Arngrims. Es dauerte nicht lange, bis ein Zucken und Krampfen durch ihren Körper ging und Mina den Höhepunkt erreichte. Ihre Brust hob und senkte sich schnell, während sie versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Noch hatte sie den Alkohol nicht ausgeschwitzt und es fiel ihr leicht, sich, nachdem sie beide wieder ihre wärmende Kleidung gerichtet hatten, wieder Selmas Nähe zu suchen. Beinahe fühlte sie sich ein wenig besitzergreifend, als sie Selma mit dem Rücken zu ihr an sich heranzog. Ihre Hände hatten sich um ihre Taille geschlungen und prompt auch wieder einen Weg unter ihre Kleidung gefunden. Wenn dies eine einmalige Sache gewesen war, wollte Mina wenigstens noch ein wenig diesen warmen, weichen Körper genießen. Vor allem Selmas Brüste hatten es ihr angetan und sie konnte es nicht lassen, ihre Hände an die warmen Brüste zu legen, sie leicht zu massieren und hin und wieder ihre Brustwarzen zwischen ihren Fingern zu drücken. Mina merkte zwar, wie Selma sich bei den Berührungen leicht in ihrem Griff wand – Mina nahm an vor Lust -, aber sie war nicht bereit, ihren fast schon eisernen Griff zu lösen und drückte ihr Gesicht mit einem Brummen in Selmas Haarschopf, schob ihr Bein zwischen ihre und pinnte sie auf ihrem Nachtlager fest, ihre Brüste dabei weiter bearbeitend.
„Vielleicht haben wir nur diese eine Nacht, du willst doch noch nicht aufhören?“, hauchte sie gierig in ihr Ohr und grub ihre Finger in das weiche Fleisch, Selmas Gegenwehr genießend.
„Ich bin nur neugierig.“

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Mo Nov 18, 2019 3:06 pm

Worte konnten wohl nicht beschreiben wie aufregend die ganze Sache für Selma war. Zu sehen, wie der andere Körper auf ihre Berührungen reagierte und welche lusterfüllten Laute über die fremden Lippen glitten, so etwas hätte sie sich in ihrem Leben nicht träumen lassen!
All dies trieb sie an, sich all die Mühe zu geben, dass Mina mindestens genauso zufrieden aus der Sache herauskam, wie es bei ihr der Fall war und bewegte die Finger noch ein bisschen schneller, sich dabei enger gegen den muskulösen Körper pressend.
Erstaunt beobachteten ihre hellbraunen Augen die Magierin dabei, wie sie allmählich den Höhepunkt erreichte und es erstaunte sie, dass ihr unerfahrener Kopf ihre Laute und Regungen richtig deuteten, dabei hatte sie absolut keinen Vergleich ziehen können!
Die Wachfrau konnte die Hitze spüren, die ihre Nebenfrau umgab, wollte sie noch stärker auf ihrer Haut spüren, sodass sie im nächsten Moment ihre Arme um die Taille schlang. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten sie die ganze Nacht halb entkleidet hier liegen können, die Arme umeinander geschlungen, doch, nachdem die Andergasterin sich allmählich von ihrem Orgasmus erholt hatte und sich eine gewisse Ruhe auf ihre Leiber gelegt hatte, spürte Selma allmählich den zugigen, frostigen Wind, der in der undichten Zelle heulte.
Langsam richtete sich die junge Frau auf und kleidete sich langsam wieder ein, auch, wenn sie das harte Lederwams dieses Mal ausließ, würde es nur unbequem beim Schlafen sein. Auch die Gefangene hatte sich eingekleidet und legte sich zurück auf ihr Nachtlager.
Selma war bereit, dieses Erlebnis ruhig ausklingen zu lassen, merkte selbst, wie der Alkohol und all die Auf- und Erregung sie ausgelaugt hatten und eine wohlige Müdigkeit sich auf ihr Haupt legte. Hastig legte sie sich ebenfalls auf den Boden, drückte den Rücken fordernd gegen den anderen Körper und war zufrieden, als sich die Arme um ihre Taille legten und sie nicht auf die Nähe ihrer Zellengenossin verzichten musste.
Mit einem breiten Lächeln schloss die Wachfrau ihre Augen, wollte gerade ihre Hand auf die andere legen, als Mina ganz andere Pläne mit ihr zu haben schien. Überrascht ließ sie ihren Blick hinuntergleiten und stieß einen erstaunten Laut aus, als sie begann ihre Brüste zu massieren. Selma hätte nie gedacht, dass die zwei Dinger so empfindlich sein konnten und sie auf andere Berührungen so stark reagieren würde, als ihr ein wohliger Seufzer entwich und ihr Körper sich dieser Überraschung entgegen bewegte, ohne, dass sie es selbst steuern konnte. „Mina…was machst du denn da?“, stieß sie lachend aus, wollte ihre Hände wieder aus ihrem Oberteil sanft zurückschieben, doch da die andere sie erneut überrascht, als sich ihr Bein zwischen ihre schob und sie regelrecht in ihrem Griff gefangen war. „Hast du noch nie Brüste angefasst? Dabei sind sie alles andere als spannend…“, die Dunkelhaarige musste kichern. Es war irgendwo amüsant zu sehen, dass Mina an diesen teilweise störenden und unscheinbar wirkenden Brüsten wirklich so viel Gefallen zu finden schien. Waren sie wirklich so anziehend? Selma konnte sich das gar nicht vorstellen. Sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass die Andergasterin noch nicht fertig war oder vielleicht noch mehr wollte. Abgesehen davon…war es wirklich nur die Nacht, die sie gemeinsam hatten? Ein Teil von ihr hätte ihr wohlmöglich klargemacht, dass solch ein Unterfangen sicherlich nicht zur Gewohnheit werden konnte oder gar sollte. Sie hatten sich in schreckliche Gefahr gebracht und das Schicksal beider versprach keine gemeinsame Zukunft. Bei den Göttern, Selma wusste ja immer noch nicht, wie sie zu Frauen stand! Doch das war wohl ihre geringste Sorge. Dennoch, so gerne sie ihr diesen Wunsch erfüllt hätte, ihr Körper würde solch heftige Gefühle nicht noch einmal aushalten können, ohne, dass sie den Verstand verlieren würde. Aber enttäuschen wollte sie Mina auch nicht.
Langsam platzierte sie ihre Hand auf die der Gefangenen, welche immer noch fordernd auf ihrer Brust lag und drückte sie ein wenig fester zu. „Also, wenn sie die so sehr gefallen, kannst du gerne weitermachen…ich mag es, wie deine Hände sie berühren.“, gestand die Wachfrau leise, spürte, wie ihre Wangen bei den Worten zu glühen begannen.
Sie konnte Mina verstehen, sie selbst war immer noch so neugierig. All diese Eindrücke prasselten nur so auf sie hernieder und sie wusste nicht, wie sie all das in der Nacht verarbeiten sollte. Sie wusste nicht einmal, wie lange sie noch ihre Augen geöffnet halten konnte, überschattete ihre Erschöpfung doch die leicht anbahnende Lust, die die andere aus ihr entlockte. Doch verzichten wollte Selma trotzdem auf nichts, wollte jeden kleinen Augenblick so lange wie nur möglich auskosten.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Mo Nov 18, 2019 4:52 pm

Die Hitze in Mina schwoll langsam zu einer wohligen Wärme herab, auch, wenn ihre Berührungen am Körper der anderen eine gewisse Erregung nicht vergehen ließen.
„Du hast meine doch gesehen, da gibt es nicht viel anzufassen. Und wenn es uns beiden doch so gefällt…“, murmelte Mina gegen ihren Hinterkopf. Sie konnte hören, wie Selma immer wieder kleine Geräusche der Lust entwichen und schmunzelte zufrieden. Dies alles mochte ein alkoholgesteuerter Fehler gewesen sein, oder aber sie beide hatten sich etwas Glück und Zuversicht geschenkt in diesen harten Zeiten. Zum Glück währte der Zustand ihrer Betrunkenheit bis in den Schlaf hinein. Irgendwann war selbst Mina müde geworden und ihre Hände waren von Selmas Brüsten hinabgerutscht und umfassten wieder wie zu Beginn ihre Taille. Minas Schlaf war traumlos und fest und wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte er nicht enden müssen. Unterbewusst war ihr klar, was sie am nächsten Morgen erwartete und in der Nacht presste sie sich immer wieder enger an Selma, wenn Gedanken der Angst im Halbschlaf zu ihr durchdrangen.
Aber Selma hatte recht, sie mussten immer noch aufmerksam sein, selbst im Schlaf und so war es noch früh am Morgen, als sich der schlanke Leib in ihrer Umarmung regte. Vielleicht hatte die Wachfrau etwas gehört, was Mina selbst entgangen war und sie löste ihre feste Umarmung sogleich, damit Selma sich erheben konnte. Zwar war sie selbst immer noch schlaftrunken, aber wie sie ihre Kleidung aufklaubte und hastig aus der Zelle huschte, konnte Mina langsam auch Schritte hören, die sich den Kerkergängen zu nähern schienen. Auch sie schlüpfte wenigstens in ihr dickes Wams, damit man ihre Brüste nicht erahnen konnte, zuckte allerdings schmerzerfüllt zusammen, als ein stechender Schmerz durch ihren Nacken zuckte. Natürlich, wie hatte sie das vergessen können? Dabei hatte Mina trotz des Alkohols die letzte Nacht noch gut vor Augen und bei dieser Erkenntnis weiteten sich ihre Augen leicht und sie sah zu Selma auf, die gerade ihre Haare zurückband und die Zellentür leise hinter sich abschloss.
„Bei den Göttern, wir haben das gestern wirklich getan, Selma“, hauchte sie leise und ein tiefer Rotstich legte sich auf ihr Gesicht. Es war keine Reue, die sie verspürte, aber da waren so viele Dinge, über die sie noch reden mussten! Minas Gefühle waren ein einziger ungeordneter Haufen und sie wusste nicht einmal genau, was sie dazu sagen sollte. Dass sie diese Nacht aber nicht unkommentiert stehen lassen konnten, war ihnen aber beiden bewusst.
„Wir müssen über all das reden, Selma, ich bin immer noch ganz –„
Sie hielt inne, als eine Tür geöffnet wurde und schob die Wolldecke, die man ihr gelassen hatte, mit dem Fuß in die Ecke und versuchte, wieder Fassung zu gewinnen. Es war nicht der Hauptmann, sondern zwei seiner Spießgesellen. Minas Magen zog sich unangenehm zusammen und sie wich von den Gitterstäben zurück, Selma einen unsicheren Blick schenkend. Würde sie wieder anwesend sein müssen, wenn man die Informationen aus ihr herauspressen wollte? Sie schien nicht die einzige zu sein, die sich diese Frage stellte. Während eine der Wachen sich die Zelle aufschließen ließ und Mina in Ketten legte.
„Wir sollen den Andergaster abholen, der Hauptmann hat immer noch viele Fragen. Er hat angeordnet, dass jemand mit einem stärkeren Magen bei der Befragung anwesend ist als du.“
Der verächtliche Tonfall entging selbst der Magierin nicht, doch jetzt für Selma einzuspringen, würde sie beide nur in Schwierigkeiten bringen. Ob gestern aufgefallen war, wie abgeneigt Selma vom Brandmarken gewesen war? Wollten sie die junge Wachfrau nun komplett hier unten gefangenhalten?
„Oder willst du ein treuer Soldat sein und deinen Gefangenen begleiten? Nicht, dass du wieder Mitleid mit ihm hast, Selma.“
Desinteresse war vermutlich besser gewesen als diese scharfen Anschuldigungen, der Spott, der in der Stimme lag. Mina biss sich auf die Unterlippe, um nicht das Gesicht zu verziehen.
„Ist doch sonst sicherlich auch todlangweilig hier unten, oder nicht?“
Die beiden Männer blickten sich an und teilten ein hämisches Lachen.
„Ist das bei euch Nostriacken so üblich, dass ihr auf Kameradschaft pfeift?“, platzte Mina heraus und versuchte dabei, ihre Gefühle für Selma so gut es ging zu verstecken und ihren Ausbruch ganz allein auf ihre Wut gegenüber dem verhassten Feind zu schieben.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Di Nov 19, 2019 2:02 pm

Der Schlaf war schnell über die beiden gekommen und sie genoss die Wärme zur anderen in vollen Zügen aus. Wer wusste schon, wann sie das nächste Mal mit jemanden ein Lager teilen würde, der sie nicht verachtete oder sich über sie lustig machte?
Also kostete Selma jeden Augenblick aus, auch, wenn sie häufiger die Augen aufriss, sobald ein lautes Geräusch zu ihr drang und sie nicht wusste, ob es von draußen kam, oder gerade jemand kontrollieren wolle, ob hier unten im Kerker noch alles in Ordnung war. Der Alkohol hatte sie zwar ungemein schläfrig gemacht und dennoch erwischte sie sich häufiger selbst dabei, wie sie erwachte und prüfend zu lauschen begann, ehe die braunen Augen sich wieder schlossen und sie sich ein bisschen enger an Mina anschmieg. Noch waren die Gedanken, wie sie all das morgen klären sollten, nicht in den Sinn gekommen, noch konnte sie diese Zweisamkeit genießen und sich daran erfreuen!
Leider kam der Morgen zu schnell. Die Sonne stand noch nicht am Himmel und nur langsam begann es zu dämmern, als die Wachfrau glaubte wieder Leben im Gebäude vernehmen zu können. Schritte gingen auf und ab, Stimmen redeten laut miteinander und Gestalten schienen sich gefährlich nah Tür Kerkertür zu bewegen.
Mit einem Schlag war jegliche Müdigkeit verflogen, erschrocken riss Selma ihre Augen auf und begann sich langsam von der Umarmung der Gefangenen zu lösen, wenn auch etwas widerwillig. Sie hatte nicht viel Zeit, doch ihre Ausbildung hatte ihr beigebracht, wie schnell man in Notsituationen sich bereitzuhalten hat, sodass es nicht lange dauerte, bis sie angezogen war und einige verräterische Gegenstände zusammenklaubte, ehe sie aus der Zelle verschwand und leise das Gitter hinter sich schloss.
Hastig schmiss sie Schlafsack und eine ausgebrannte Öllampe unter ihren Tisch, band sich das Haar so gut es ging in einen Zopf zusammen und nahm eine gerade Haltung ein. Verdammt nochmal, langsam war ihr diese Angst und Panik zuwider!
Die panische Flucht schien auch Mina geweckt zu haben und sie schenkte ihr einen entschuldigenden Blick, ehe sie bei ihren Worten hochrot anlief und betroffen den Boden anstarrte. „J-ja…ich glaub, das haben wir wirklich…“, murmelte sie leise entgegen und schielte kurz zum androgynen Gesicht der Andergasterin. Es wirkte alles immer noch so unecht und sie konnte nicht glauben, dass sie in der Nacht so viel über diese Person herausfand, was die meisten niemals geahnt hätten.
Noch ehe sie ihr Gespräch weiterführen konnten und die Magierin zu ende sprechen konnten, wurde bereits die Tür laut aufgerissen und mit schweren Schritten traten zwei Männer zu ihnen heran. Selma versuchte eine ernste Miene anzunehmen, trat demonstrativ einige Schritte zurück und beobachtete die zwei Eindringlinge fragend.
Wut stieg in ihrem Inneren auf. Hatte der Hauptmann wirklich so schlecht über sie gedacht und war sie gestern wirklich so schwach geworden? Sie hatte sich doch kein bisschen geregt und sogar das getan, was man von ihr verlangt hatte! „Und ihr glaubt eure Magen sind stärker?!“, sie zog eine Augenbraue hoch und musterte die beiden von Kopf bis Fuß. Wenn man ihnen verbranntes Menschenfleisch an die Nase hielt, hätten sie sich doch auch kaum beherrschen können! Abgesehen davon war sie nicht grausam, nicht so, wie sie es waren.
Selma verschränkte die Arme vor der Brust und lauschte den nächsten Worten, doch statt enttäuscht und traurig darüber zu sein, dass ihre eigenen Leute sie nicht respektierten, empfand sie nichts anderes als Abscheu ihnen gegenüber. Wie konnten sie dasselbe Ziel verfolgen? Hatte man nicht immer gesagt, dass man im Militär seine Kammeraden findet, seine Brüder und Schwestern? Sie alle waren nichts davon und der Dunkelhaarigen wurde abermals deutlich, dass sie nicht hierhergehörte. Allerdings machten diese Worte die junge Frau auch unsicher. Sie wollte nicht, dass man Mina unnötige Grausamkeiten antat, wenn sie nicht da war. Auf der anderen Seite wollte sie jedoch auch nicht diejenige sein, die sie verletzte…gab es hier überhaupt eine gute Lösung, die beide vom Schlimmsten hätten bewahren können? Wahrscheinlich nicht.
Noch bevor sie etwas sagen konnte, entgegnete bereits die Magierin mit scharfer Stimme etwas, womit sie eigentlich gar nicht so falsch lag. Dass die anderen es jedoch nicht allzu gut aufnahmen, hatte wohl beide nicht überrascht.
Mit zornigem Blick starrten sie durch die Gitterstäbe hindurch, wollten gerade etwas erwidern, als Selma sie unterbrach. „Ihr glaubt wohl immer noch, dass es schlimm ist hier unten, ich kann lesen und schlafen, was will man mehr? Nehmt ihn meinetwegen mit, wenn der Hauptmann mich nicht dabei haben will, bitte, dann gönne ich mir eine Auszeit. Lasst mich den Holzkopf für euch fesseln.“, Selma wusste, dass sie in der Zwischenzeit wahrscheinlich mehr für die Gefangene tun konnte, als dort zu stehen und all das zu tun, was sie ihr nicht antun wollte. So konnte sie etwas zu Essen und heißes Wasser besorgen, damit sie sich ein wenig waschen konnte.
Die beiden Männer schienen einverstanden damit zu sein und ließen die Wachfrau stumm ihre Arbeit verrichten, als sie Mina die Fesseln anlegte und ihr noch einmal einen unauffälligen, entschuldigenden Blick zuwarf, ehe sie abgelöst wurde und die anderen sie grob die Treppe hinaufschoben.

„Diese dumme Ziege. War doch klar, dass sie kneift! Sie ist zu weich in der Birne, bestimmt glaubt sie, dass das hier ihr einziger Freund ist.“, witzelte einer der beiden, woraufhin der andere zu lachen begann. „So sehr ich diese Andergaster hasse, ich glaub, selbst die wollen nicht freiwillig allzu lange mit Selma in einem Raum sein. Der kann einem fast leidtun…aber auch nur fast.“ Mit diesen Worten zerrten sie noch stärker an dem Gefangenen herum, ehe sich die Tür öffnete und erneut ein geduldiger Hauptmann sie bereits erwartete.
„Ah, Alrikshuber. Ich hoffe, die Wunde im Nacken verheilt langsam?“, seine Lippen formten ein dünnes Lächeln, ehe er die beiden Männer aufforderte, den Andergaster auf den Stuhl zu platzieren.
„Ich muss mich nicht wiederholen. Meine Fragen sind dieselben und ich appelliere daran, dass dieses Mal ein paar Worte mit Substanz fallen, sonst werden weitere Konsequenzen angeordnet werden und das möchten wir doch beide vermeiden, nicht wahr?“

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Di Nov 19, 2019 3:42 pm

Mina wusste nicht, was ihr lieber gewesen wäre. Ob sie ihren Beistand wollte und dafür in Kauf nehmen musste, dass Selma es wohlmöglich war, die ihr Schmerzen zufügen würde? Bei dem Brandmal hatte sie eine ziemlich passive Rolle eingenommen, aber was, wenn man ihr befehlen würde, ihr aktiv etwas anzutun? Die Magierin befürchtete, dass sie dann auffallen würden. Oder konnte Selma wirklich so kalt sein? Sie konnte es sich wirklich nicht vorstellen. Ihre Worte bedeuteten den beiden Wachmännern wohl recht wenig, denn obwohl sich Wut auf ihren Gesichtern abzeichnete, waren sie mehr damit beschäftigt, Selma unterzubuttern. Wie gerne hätte Mina sich mit ganzem Herzblut für sie eingesetzt. Hätte diesen beiden Großmäulern erzählt, wie mutig und wundervoll die junge Wachfrau war, wie herzlich und sanft, dass sie mehr wert war als zehn solcher Gernegroß. Aber sie konnte nichts sagen, genauso wie Selma vortäuschen musste, dass sie lieber hier blieb und sich die Zeit alleine vertrieb. Die ganze Situation trieb die Wut in Mina aufs Äußerste. Noch war die Hoffnung nicht gestorben, dass Arngrim sie befreien würde und wenn es so weit war, würde sie Selma einfach mitnehmen, ob sie nun wollte oder nicht! Hier hatte sie niemand verdient.
Stumm ließ Mina sich die Hände fesseln. Selmas entschuldigenden Blick hatte sie wahrgenommen, aber unter den wachsamen Augen der beiden anderen Wachen wagte sie es nicht, ihren Blick zu erwidern. In dieser Situation hoffte sie einfach nur, dass man Selma nicht auf die Schliche kommen würde.
Kaum hatten sie die Zellen hinter sich gelassen, begannen die beiden Männer erneut mit ihren hämischen Worten. In Mina kochte die Wut.
„Ich würde mir ja Gedanken machen, wenn sich eure Soldaten lieber mit dem Feind abgeben als mit…was auch immer ihr beide für eine traurige Karikaturen von Männern darstellen sollt!“, keifte sie den beiden entgegen und ruckte in ihrem Griff hin und her, als würde sie sich irgendwie befreien können. Aber man zerrte sie unbarmherzig weiter, bis sie sich beim Büro des Hauptmanns wiederfand. Sein dünnes, boshaftes Lächeln begann langsam, ihr auf die Nerven zu gehen.
„Mir geht es wunderbar, danke der Nachfrage, Herr Hauptmann“, entgegnete sie ihm zynisch, bevor man sie auf den Stuhl in der Mitte des Raumes drückte.
„Wird Ihnen die ganze Fragerei nicht langsam langweilig? Ich muss sagen, Sie haben einen ziemlichen Anfängerfehler begangen.“
Mina genoss es, den Mann zu triezen, waren ihre Worte doch alles, was ihr hier geblieben war.
„So etwas Barbarisches wie ein Brandmal hätten Sie sich wirklich noch etwas aufheben müssen. Selbst die Goblins in Andergast gehen besser mit ihren Gefangenen um.“
Ihre Augen hatten sich zu schmalen Schlitzen verengt.
„Ich hab Ihnen doch schon gesagt, Pernstein: ich war der Anführer meines Trupps und wir waren im andergastischen Grenzgebiet auf Patrouille. Was wollen Sie noch mehr wissen, hm? Sehen Sie Ihre Beförderung langsam in Gefahr?“

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Mi Nov 20, 2019 2:05 am

Der Hauptmann hätte sich gerne in seinem Stuhl zurückgelehnt und den Worten des Andergasters gelauscht. Jedoch schien dieser noch genug Dreistigkeit zu besitzen, um einen Unsinn zu erzählen und zu versuchen, ihm im Glauben zu lassen, dass er nichts aus ihm herausbekommen könnte, ganz gleich, was er tun würde. Na, wenn er dabei nicht falsch lag!
Ein selbstzufriedenes Lächeln huschte über seine Lippen und er lachte leise in sich hinein. „Soll das etwas bezwecken, Andergaster? Ich weiß, dass eure Methoden in euren Wäldern kaum besser sind. Belehre mich nicht, wie ich mit Euresgleichen umgehen soll.“ Seine Augen starrten lange das schmale Gesicht an, ehe er mit den Schultern zuckte. Er brauchte diesen Mann nicht zu überzeugen und was er von ihm und seinen Leuten dachte, war ihm sehr egal. Er war Gefangener und damit hatte er ohnehin nichts zu verlieren, es war klar, dass solche Worte fallen würden, wenn man sich so sicher war, dass das Leben schon bald ein Ende nehmen würde. Pernstein hatte schon viele solcher Exemplare bei sich im Büro sitzen gehabt. Voller Übermut und dem Irrglauben, dass ihr Schweigen etwas bewirken würde. Doch sie brauchten handfeste Beweise, etwas, womit sie besser arbeiten konnten und diese musste er bekommen, ganz gleich, wie weit er sich aus dem Fenster lehnen müsste.
„Es geht hier nicht um eine Beförderung. Dich in meinem Kerker versauern zu lassen, ist Beförderung genug. Wir hatten eine Abmachung und du- Alrikshuber- spielst mit deinem Leben! Deine Sturheit bringt dir nur mehr Probleme ein, als es dir lieb ist! Du wirst schon sehen…“, er knirschte mit den Zähnen, blickte zornig den Magier an. Dieser Aufgeblasene Holzkopf würde schon sehen, was er davon hatte.
„Ich habe kein Interesse, dieses Katz- und Maus- Spiel weiter so zu spielen. Bereist gestern habe ich erwähnt, dass immer wieder etwas passieren wird, was dir nicht gefallen wird. Ich werde dich jeden Morgen dasselbe fragen, bis du mir die Antworten gibst….schafft ihn hier raus und seht zu, dass seine Nahrungszufuhr ab heute gekappt wird. Kein Wasser, kein Brot.“ Dieses Mal wandte sich der Hauptmann an die Wachen zu, die mit einem Nicken seine Befehle aufnahmen und befolgen würden. „Sagt das dieser…der Frau, die auf ihn wacht. Sie soll es nicht wagen, ihm auch nur einen Bisschen zu bringen, sonst werden die Konsequenzen schärfer sein. Ach, und Alrikshuber, wenn du glaubst, dass es damit vorbei ist, weit gefehlt! Ich werde es ganz sicherlich nicht nur dabei belassen.“, erneut lächelte er selbstzufrieden drein. „Die Wintertage werden immer härter. Ist es kalt auf dem Boden? Ich muss sagen, es ist bereits hier oben sehr zugig, ich kann mir kaum vorstellen, wie es ist, wie eisig es auf einem Steinboden so weit unten zu sein vermag.“ Gespielt nachdenklich blickten seine hellen Augen zur Seite, sichtlich amüsiert über die gesamte Lage. „Aber besser du gewöhnst dich daran, durch die klirrenden Winter und den anbahnenden Schneestürmen, kann es dauern, bis die Obrigkeit aus Nostria kommt und dich zurück in ihr Gefängnis verfrachtet. Ich hoffe, du bist bis dahin nicht erfroren oder verhungert oder gar verdurstet. Harte Winter fordern so viele Opfer…sicher, es wäre schade, doch nichts, was meine Kollegen nicht verstehen könnten. Viele Gefangene sterben in diesen Monaten…“, seine Stimme hatte einen ruhigen Ton, dennoch sollte dem Magier bewusst sein, dass er durchaus mit Schlimmeren, als Narben und knapper Nahrung drohen konnte und dass niemand ihn davon abhalten konnte. Im Krieg waren alle Mittel recht und wenn es schmutzig werden musste, dann war er nicht beschämt mit seinen Händen tief im Dreck zu wühlen.
„Schafft ihn zurück, ich habe genug von seiner Visage.“, angewidert musterte er den Mann von Kopf bis Fuß, ehe die beiden Wachmänner ihn vom Stuhl zerrten und hinausbrachten.
Sanft gingen sie mit ihm ganz sicherlich nicht um und schubsten ihn beinahe die kalten Treppen hinunter zum Kerker.
Natürlich hatte Selma auf ihrem Platz schon gewartet und starrte sie mit neugierigen Augen an, als sie den Andergaster in seine Zelle schmissen. „Kein Essen soll der bekommen und kein Wasser. Jedes Bisschen, was du ihm gibst, wirst du bitter bezahlen, Befehle vom Hauptmann.“, entgegnete einer der Männer knapp, während der andere ihm mit seinem Ellbogen gegen die Seite schlug „Ey, dabei ist es schon Strafe genug, wenn er mit der da sitzen muss!“ Beide lachten laut und zogen anschließend von dannen, würdigten weder Selma noch den Andergaster eines Blickes.
Selma hatte in der Zwischenzeit wenig Zeit gefunden, sich selbst frisch zu machen oder vieles zu erledigen. Sie war froh, dass sie ihre Katze den Nachbarn gebracht hatte mit ordentlich Silbertalern zur Verpflegung ihres Haustieres und als Dank für ihre Mühen, sonst wäre das arme Tier bei ihrer stetigen Abwesenheit bereits verhungert.
Doch Essen konnte sie wenigstens sich selbst und Mina bringen, eine Feldflasche gefüllt mit Wasser sollte auch fürs erste reichen. Wie sie es geschafft hatte, einen ganzen Eimer mit aufgekochtem Wasser mit sich hinunterzuschleppen, war ihr immer noch nicht ganz klar, doch nun wartete er an der Seite, hinter ihrem Stuhl, wo niemand hingeschaut hätte.
Sie sagte nichts zu den Schikanen, musste auch das Entsetzen in ihrem Inneren unterdrücken, als man ihr die neuen Verordnungen offenbart hatten. Hatte der Hauptmann jetzt völlig den Verstand verloren? Mina war doch wichtig, wieso taten sie ihr sowas an? Na, daran würde sie sich ganz sicherlich nicht halten!
Geduldig wartete die Wachfrau, bis die Tür sich laut schloss und die Männer nicht mehr zu hören war und trat sogleich wieder in die Zelle ein, nahm der Magierin hastig die Fesseln ab.
„Hat er dir dieses Mal nichts getan? I-ich habe Frühstück mitgebracht, leider ohne Milch dieses Mal aber…dafür hab ich etwas heißes Wasser…was wahrscheinlich mittlerweile nicht mehr so heiß ist aber du kannst dich etwas waschen, wenn du möchtest!“, ihre Lippen formten ein aufmunterndes Lächeln, während ihre Augen nervös die andere Gestalt anblickten. „Ich werde einen feuchten Kehricht tun und dir kein Essen mehr bringen. Fällt eh nicht auf, schließlich lebe ich hier und muss hier auch essen, woher sollen sie also wissen, was ich für mich und was ich für dich bringe? Was auch immer der Hauptmann glaubt zu bezwecken damit, ich lass das nicht zu! Das ist wenigstens etwas, was ich in meiner Position tun kann.“

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Mi Nov 20, 2019 1:59 pm

Es war Mina schon beim letzten Mal aufgefallen, wie schwer es war, diesen Mann aus der Reserve zu locken. Natürlich schienen ihre Worte ihn nicht ganz kalt zu lassen, aber wirklich beeindruckt erschien er ihr auch nicht. Erst, als ihm anscheinend ein angemessenes Strafmaß eingefallen war, fand ein schmales Lächeln den Weg auf sein Gesicht, wie scheinbar jedes Mal, wenn er dem verhassten Andergaster Leid zufügen konnte. Mina knirschte mit den Zähnen. Natürlich würde Selma sich an diese Anweisung nicht halten, aber hatte sie in diesem Fall denn überhaupt eine Wahl? Wenn man sie täglich hierher holte, würde ihnen auffallen, dass sie nicht verhungerte und verdurstete. Und in diesem Fall kam nur eine Person in Frage, die dafür verantwortlich war. Selma war doch hier eh schon nicht besonders hoch angesehen, was würden sie erst tun, wenn sie herausfanden, dass sich die junge Wachfrau tatsächlich mit dem Feind verbrüdert hatte und direkte Befehle missachtete? Die junge Frau lag ihr zu sehr am Herzen, als dass Mina sie derart bestraft sehen wollte. Irgendwo hatte der Hauptmann ja sogar recht, sie hatte mit ihrem Benehmen die Strafe geradezu herausgefordert.
„Wenn ich verdurste, könnt ihr lange auf Antworten warten, das ist euch hoffentlich bewusst“, schnaufte Mina, nicht gewillt, ihren Trotz abzulegen. Sollte er doch versuchen, ihr Angst zu machen, so schnell würde Mina nicht einknicken. Sie würde all seine Bestrafungen erdulden, bis Arngrim sie irgendwann hier herausgeholt hatte. Nur durfte sie bis dahin nicht sterben.
„Glaubt Ihr wirklich, ich würde vor ein wenig Kälte einknicken, Pernstein? Vielleicht sind Ihre Truppen ja solche Schwächlinge, aber von einem Andergaster dürfen Sie ruhig mehr erwarten!“
Gerne hätte Mina ihm noch mehr an den Kopf geworfen, aber Pernstein hatte sich ihrer schon wieder entledigt. Dass sie bis zum Kerker zurückkehrte, ohne sich auf den steilen Stufen das Genick zu brechen, war sicherlich nicht den beiden Wachmännern zu verdanken, die sie mehr vor sich herstießen, als sie abzuführen.
„Haltet euer Maul!“, brüllte sie den beiden noch zornig hinterher, dann waren sie schon wieder lachend verschwunden. Nur langsam nahm die feurige Wut in Mina wieder ab und sie versuchte, sich mit ruhigen Atemzügen wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Selma war sofort wieder bei ihr, was hatte sie auch anderes erwartet? Die Magierin schüttelte den Kopf.
„Er hat nichts getan heute, nein. Außer dieser dämlichen Anordnung.“
Minas Atem wurde langsam ruhiger und sie wandte sich der jungen Frau zu, die auf einen Eimer deutete, welcher bei ihrem Tisch versteckt stand. Sich waschen zu können klang ehrlich gesagt himmlisch, vor allem, nachdem sie sich gegenseitig letzte Nacht so zum Schwitzen gebracht hatten. Bei dem Gedanken daran wurde Mina gleich ganz rot um die Nase. Aber Selmas beherzte Worte lenkten ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes.
„Selma, das…das wird nicht funktionieren. Der Hauptmann merkt doch, ob man mich wirklich hungern lässt oder nicht. Was, wenn er dich erwischt? Hast du eine Ahnung, was er dann mit dir anstellt? Einer Nostrianerin, die gegen seine Befehle verstoßen hat, um einem Andergaster zu helfen?“
Minas Worte waren eindringlich und sie hielt die Stäbe fest umklammert, während sie Selma verzweifelt ansah.
„Dann kannst du mir gar nicht mehr helfen, weil du dann vermutlich tot bist! Du kannst mir vielleicht ein bisschen Wasser geben, wenn es viel zu schlimm wird, aber mehr nicht! Hast du das verstanden?“
Im Endeffekt konnte Selma sie ja nicht zwingen, ihre Hilfe anzunehmen. Wortlos nahm Mina den Eimer mit heißem Wasser entgegen und begann vorsichtig, sich vom Schmutz der vergangenen Tage zu befreien. Besonders achtsam war sie bei ihrem Nacken, aber die Wunde musste sauber bleiben und unter einigen Schmerzen tupfte Mina das Brandmal ab, bevor sie den Rest ihres Körpers von Schweiß und Dreck befreite. Vielleicht war es besser für Selma, wenn sie die junge Frau gegen sich aufbrachte? Dann würde sie nicht auf die törichte Idee kommen, ihr helfen zu wollen.
„Wegen….Wegen letzter Nacht….Ich war nur neugierig, Selma. Ich hab eine Beziehung, die ich nicht aufgeben möchte. I-Ich dachte, wenn das hier vielleicht meine letzten Tage auf Dere sind, dann will ich wenigstens noch einmal etwas gewagt haben und ich dachte mir, du kannst jemanden gebrauchen, der….naja, der dir das Gefühl gibt, dass du mehr wert bist, als alle dir hier zugestehen.“
Selma bei ihren Worten anzusehen, traute Mina sich dann doch nicht so recht.
„Der Alkohol hat glaube ich auch seinen Teil dazu beigetragen“, räusperte sie sich verlegen.
„Ich habe es genossen, aber ich habe so schon ein schlechtes Gewissen wegen Arngrim und…und ich glaube, Frauen sind auch dauerhaft nichts für mich.“
Ehrlich wollte Mina in diesem Moment sein und sie hoffte, dass sie Selma nicht komplett beleidigte. Und wenn es so war, nunja, dann würde sie sich vielleicht wenigstens nicht mehr selbst in Gefahr bringen.
"Wir waren schon unvorsichtig genug, wenn wir ehrlich sind."

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Do Nov 21, 2019 2:43 pm

Entschlossen blickten die braunen Augen die Magierin an. Irgendwo hatte sie bereits geahnt, dass man ihr Vorhaben nicht gutheißen würde, aus Sorge, beide könnten in noch mehr Schwierigkeiten gebracht werden als ohnehin schon. Doch glaubte Mina wirklich, sie könnte sie einfach verhungern lassen? Widerwillig schüttelte sie ihren Kopf. Das war Unsinn! Abgesehen davon konnte sie schlecht erwarten, dass sie, nachdem sie bereits ihr Bestes getan hatte, damit es ihr gut ging, jetzt auf einmal aufhörte.
Sicher, ein Risiko ging sie die ganze Zeit ein, doch wenn man so argumentierte, dürften sie jetzt nicht einmal mehr miteinander reden, denn das würde auf jeden Fall dazu führen, dass ihr nichts geschehen würde bei der ganzen Sache. Aber nun war es zu spät einfach so zurückzublicken und Dinge anders zu gestalten. „Mina, das geht so nicht…ich kann nicht einfach jetzt anfangen, dich so zu behandeln, wie die anderen es tun, selbst wenn ich wollte!“, entgegnete die Wachfrau protestierend. Sicher, sie musste ihre Hilfe nicht annehmen, auf der anderen Seite musste sie sich nicht an die Befehle halten. „Du hast doch selbst gesehen wie selten jemand hier aufkreuzt und sind wir ehrlich, viel und gut speisen wir hier auch nicht. Wenn ich dir wenigstens einmal am Tag was bringe…das wäre wenigstens genug, dass du nicht krank wirst!“, verzweifelt suchte sie die haselnussbraunen Augen der Magierin, in der Hoffnung, dass sie zumindest auf diesen Kompromiss einging. Mittlerweile musste ja sogar ihr klar sein, dass sie den anderen absolut egal war und sich niemand um sie scherte. Niemand würde sie kontrollieren, denn dafür müsste man Zeit in sie investierten, die sie allesamt besser hätten verbraten können. Wahrscheinlich traute man es ihr nicht einmal zu, dass sie irgendein Gesetz ignorierte und Befehle missachtete, schließlich war sie immer stets bereit alles zu tun, was man ihr verordnet hatte und machte sich meistens sogar mehr Arbeit als nötig. Niemand würde sie für jemanden halten, der im Geheimen dem Feind half und auch noch Gefühle für diesen hatte.
Doch, noch bevor Selma diese Gedanken in Worte fassen konnte, hatte Mina bereits das Thema gewechselt. Kaum waren die ersten Worte gefallen, überkam sie ein leichter Rotschimmer und sie musste peinlich berührt zur Seite blicken. Letzte Nacht war die ausgelassenste ihres Lebens, noch nie hatte sie so viel Mut bewiesen und sich so frei jemanden offenbart. Es war irgendwo ein besonderer Moment und sie war froh, dass der Alkohol ihn nicht verschleiert hatte. Sie wusste jedoch nicht, wie die andere es empfand und merkte, wie eine gewisse Überraschung, vielleicht sogar Schock sie überkam. Stumm hielt sie für einen Moment die Luft an und starrte die Dunkelhaarige fragend an. Sie wusste nicht, ob sie enttäuscht war, ein bisschen vielleicht, vielleicht sogar etwas traurig darüber, dass sie nichts Weiteres war, als Mittel zum Zweck. Wobei, das war vielleicht nicht ganz fair. Aber das waren Emotionen noch nie gewesen.
„I-ich hatte mir schon gedacht, dass es darauf hinausläuft…wie soll sowas auch klappen, sind wir mal ehrlich? Du bist dort und ich…ich bin hier und dann bin ich auch noch…“, sie biss sich auf ihre Unterlippe, unterbrach sich bei ihren Gedanken selbst, um nicht in einen Teufelskreis zu geraten, der keinen Sinn ergab. Stattdessen wurde sie kurz still und zog ihren Stuhl näher zu sich heran, um sich zu setzen.
„Ich wollte dich in keine Schwierigkeiten mit deiner…Beziehung bringen.“, murmelte die Stimme leise, den Blick gesenkt. Hätte Selma nur geahnt, dass sie schon jemanden hatte, hätte sie sich vielleicht letzte Nacht zurückgehalten, anstatt sie in diese Richtung zu schieben. Sie wusste, dass der Alkohol eine gute Rolle dabei gespielt hatte, doch um ehrlich zu sein, war er nicht der Grund, weswegen sie die Nähe der Andergasterin gesucht hatte.
Eigentlich hatte sich Selma die ganze Sache einfacher vorgestellt, nun brummte ihr Schädel und sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie fühlte sich schuldig, irgendwo auch schlecht, doch sie hatte diesen intimen Moment dennoch nicht wirklich bereut. Ob Mina all dies als ein Fehler empfand? Sie hob ihren Kopf, wollte genau diese Frage stellen und traute sich ja doch nicht. Von wegen, sie war mutiger als sonst!
„Arngrim ist der Thorwaler, mit dem du bei der Farm warst, hab‘ ich Recht?“, irgendwo hoffte sie, dass der Mann einfach eines Nachts einbrechen und sie rausholen würde, dann wäre sie in Sicherheit und fort von diesem Gefängnis.
„A-ber ich verstehe, ich…weiß ja nicht einmal selbst, was für mich ist und was nicht.“, sie schüttelte leicht den Kopf und rieb sich nachdenklich die Augen. „Wenigstens bist du ehrlich zu mir gewesen. Lass mich dir wenigstens heute dir dein Frühstück geben und dich in Ruhe waschen lassen.“
Mit diesen Worten erhob sich die Wachfrau langsam, schloss routiniert die Gittertür auf und brachte sowohl etwas zu Essen als auch den Eimer mit Wasser hinein, blieb jedoch kurz unentschlossen stehen. „Soll ich dich in Zukunft nun besser in Frieden lassen oder…wie machen wir das?“

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Fr Nov 22, 2019 1:23 am

Dass Gespräche über Gefühle nicht ihre Stärke waren, war ja nichts Neues. Mit Arngrim war es mittlerweile etwas einfacher geworden, weil sie sich schon so gut kannten und der Thorwaler immer zu wissen schien, wie er mit ihr am besten umgehen konnte. Mit Selma hatte sie noch eine weitere Person gefunden, die ebenso verkrampft und unerfahren war wie sie und dieses Gespräch war eh schon nicht unter den besten Bedingungen gestartet. Die Bestrafung mit dem Nahrungsentzug war immerhin noch eine ganz andere Unannehmlichkeit. Nervös starrte Mina auf ihre Hände, auf die Zellenwände und die Gitterstäbe, um dem Blick der anderen auszuweichen.
„Es ist ja nicht deine Schuld. Ich hätte selbst aufpassen müssen, aber ich wollte es nicht wirklich“, gestand sie kleinlaut. Ihre Gedanken waren immerhin kurz zu Arngrim gehuscht, aber sie hatte einfach darauf vertraut, dass er Verständnis haben würde. Eigentlich war das so furchtbar egoistisch von ihr, aber diese Nacht hatte ihre Gefühle für den Thorwaler kein bisschen geschmälert und das war es doch, worauf es ankam.
„J-Ja, ich habe ihn auf meiner Flucht kennengelernt. Er ist sicher irgendwo da draußen und plant, wie er mich befreien kann. Ich vermisse ihn.“
Der letzte Satz kam etwas leiser als der Rest ihrer Worte und ihre Nasenspitze lief rot an. Vielleicht hätte sie etwas sensibler sein müssen mit Selma, die von ihren Worten doch getroffen zu sein schien. Hilflos überlegte Mina, wie sie das alles wieder geraderücken konnte. Auch, wenn ihr Interesse an einer Weiterführung ihrer sexuellen Beziehung gering war, nachdem ihre Neugier gestillt war, wollte Mina der anderen Frau nicht das Gefühl geben, dass sie kein Interesse mehr an ihr hatte.
„Selma, du warst für mich nicht nur ein….ein Experiment, wirklich nicht! Bitte, wir müssen gar nichts anders machen als vorher!“
Ein Hauch von Verzweiflung lag in der Stimme der Frau und sie griff fest nach Selmas Handgelenk, bevor sie die Zelle verlassen konnte und hielt sie zurück. Erschrocken löste Mina ihren Griff, immerhin hatte sie der anderen Frau nicht wehtun wollen.
„Tut mir leid, Selma, ich wollte dir wirklich nicht wehtun. Ich mag dich wirklich gern, du bist ein viel zu guter Mensch, um dich hier so behandeln zu lassen.“
Mina merkte selbst, wie ihre Stimme zitterte.
„Letzte Nacht war besonders, egal, mit welchen Erkenntnissen wir sie verlassen haben. Ich wünschte, du würdest einfach mit uns mitkommen, du bist hier doch nicht zuhause!“
Eindringlich blickte Mina sie an, dann wurden ihre Züge weicher.
„Ich brauche wirklich jemanden, der bei mir bleibt, Selma, bitte. Ich glaube, dass Pernstein jetzt erst richtig anfängt“, fügte die Magierin mit zittriger Stimme hinzu.
„Wir können weiter gemeinsam die Zeit hier totschlagen, ich bin dabei einfach nur etwas hungriger als vorher.“
Ein etwas verunglücktes Lächeln zierte ihr Gesicht. Die nächsten Tage würden hart werden, da war sie sich jetzt schon sicher und wenn sie hier den Tag lang allein versauern musste, sah Mina sich nicht lange durchhalten.
„Wenn….wenn du mich wirklich nicht mehr sehen magst, kann ich das verstehen, dann werde ich dir keine Probleme mehr bereiten, versprochen!“

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1So Nov 24, 2019 12:56 am

Die Verwirrung war immer noch nicht gänzlich aus ihrem Kopf gewichen und Selma wusste nicht, wie sie vernünftig reagieren oder die Worte der Gefangenen auffassen konnte. Hatte sie etwas missverstanden? Nun, eigentlich schien sie eine Menge missverstanden zu haben in den wenigen Tagen, wo sie Zeit gemeinsam verbracht hatten.
Doch anstatt sie abzuwinken und ihr deutlich zu machen, dass Mina wirklich in Ruhe gelassen werden und nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte, schien sie eher mit den nächsten Worten das Gegenteil erklären zu wollen.
Fragend blickten die braunen Augen auf die fremde Hand, die sie auf einmal fest gegriffen hatte und sogleich wieder losließ, als dieser etwas zu fest wurde.
„I-ich mag dich ja auch wirklich gern…ich…“, sie merkte selbst, wie ihr Körper zu zittern begann. Nie hatte sich jemand für sie interessiert und nie hatte jemand ihr zu Erkennen gegeben, dass man sie wirklich gernhatte. Es war neu und unbekannt für sie und vielleicht sogar ein bisschen unvorstellbar.
Es tat gut so etwas zu hören, vor allem war es jedoch ein wirklich gutes Gefühl zu wissen, dass letzte Nacht nicht komplett als Fehler abgetan wurde, über den man weder sprechen noch darüber nachdenken wollte, denn Selma hatte immer noch ein leichtes Kribbeln im Inneren, wenn sie auch nur an die Sinneseindrücke dachte, die sie verspürt hatte…rot glühende Wangen bekam sie dadurch allerdings auch.
Nachdenklich starrte die junge Frau auf den Boden und dachte darüber nach, was sie sagen sollte. Gerne würde sie mit der Magierin mitkommen, sollte ihr Partner sie wirklich befreien können, es hatte etwas Verlockendes, einfach diesen Beruf aufzugeben und etwas zu tun, was sie vielleicht wirklich glücklich machen könnte. Und trotzdem spürte sie beim letzten Gedanken ein schlechtes Gewissen aufkommen, das sie ermahnte, dass sie es ihrer Familie schuldig war, ihr Leben dem Militär zu geben, ganz gleich, wie ihre Kollegen sie hier behandelten.
Schlussendlich standen diese Dinge noch in den Sternen und sie konnte nur für die jetzigen Momente sprechen.
Entschlossen blickte sie in das androgyne Gesicht der Andergasterin und lächelte schief.
„Ich möchte dir nicht die kalte Schulter zeigen…ich möchte dir eine Freundin sein in dieser Not und dir beistehen, egal, was kommt!“ Es tat gut zu wissen, dass sie einander hatten und füreinander da waren.
Sie brauchten wirklich einander und die letzte Nacht sollte kein Keil zwischen sie treiben. Selma war dankbar für die Erfahrung und ein bissen sauer, dass sie nun verwirrter denn je war, welchem Geschlecht sie sich eigentlich hingezogen fühlte. Doch dieses kleine Sache besprach sie nicht mit der Dunkelhaarigen, aus Sorge, sie könnte ihr ein schlechtes Gewissen machen. Immerhin hatte es auch viele gute Seiten mit sich gebracht und Selma hatte das Gefühl, dass sie selbstbewusster und mutiger auftreten konnte, wenn am Morgen Mina erneut abgeholt und ausgequetscht wurde. Sie konterte miese Bemerkungen und erwischte sich sogar selbst dabei, wie ihr das ein oder andere gemeine Wort über die Lippen geglitten war. Der Wachfrau war bewusst, dass sie all dies vielleicht schon bald zurückbekommen würde, doch noch würdigte man sie nur eines wütenden Blickes, Schnaubens und einigen Floskeln, die sie bereits mehrmals zu hören bekam, dass sie nicht einmal mehr zu ihr durchdrangen.
Was sie jedoch beschäftigte, war die immer noch aufrecht erhaltene Anordnung, dem Gefangenen nichts Essbares zu geben. Natürlich hielt sich die Wachfrau nicht daran und sie kamen auf den Kompromiss, wenigstens am Abend etwas Brot zu sich zu nehmen. Sie konnte es nicht ertragen, jemanden hungern zu lassen und wäre es vielleicht ein Andergaster, den sie wirklich nicht mochte, hätte sie sich dennoch dagegen gesträubt, diesen Befehl vernünftig zu befolgen. Kein Wasser stand außer Frage, damit versorgte Selma ihre neue Freundin regelmäßig.
Sie konnten einige Tage so gut es ging überbrücken, hatten sich unterhalten und schliefen immer noch ab und an in einer Umarmung geschlungen nebeneinander ein, ohne, dass es zu irgendwelchem anderen körperlichen Kontakt übergegangen war.

Doch irgendwann musste die Ruhe wohl ein Ende nehmen. Es waren drei, vielleicht vier Tage vergangen, in dem Pernstein Mina hatte aushungern lassen und dennoch schien kein Wort über ihre Lippen gedrungen zu sein. Auch an diesem Morgen war es nicht anders und Selma konnte die wütenden Rufe genau hören, als sie sich ihr Frühstück zusammenklaubte und gerade wieder in die Kerker huschen wollte.
„Jetzt reicht es mir. Ich werde noch heute einen Boten nach Nostria schicken, um die Nachricht zu überbringen, dass unser andergastischer Gefangene leider verstorben ist und sie die anderen etwas härter ausquetschen sollen. Es sei denn…vielleicht hilft dir ja eine Sache auf die Sprünge, Alrikshuber.“, seine Augen waren zu einem Schlitzen zusammengeengt und er nickte den beiden Wachleuten zu, ehe sie sich den Gefangenen schnappten und vom Büro in einen anderen Raum zerrten.
Es war derselbe Raum, wo man ihm das Brandmal verpasst hatte, nur, dass dieses Mal ein Zuber gefüllt mit Wasser auf dem Boden stand.
Der Hauptmann selbst folgte ruhigen Schrittes ihnen hinein und schloss die Tür hinter sich, während ein Wachmann den Andergaster vor dem Zuber in die Knie zwang. „Du musst etwas dehydriert sein, nicht wahr? Dann geben wir dir mal ein bisschen Wasser zurück.“, dies schienen Worte genug zu sein für seine Untergeordneten, denn schon hatte der junge Mann den Magier am Schopf gepackt und tauchte ihn in das eiskalte Wasser, so lange, bis seine Glieder zu zappeln begann und ihm die Luft ausblieb, ehe er ihn wieder hinauf zog. „Was? Nicht genug bekommen, dann noch einmal!“

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1So Nov 24, 2019 6:18 pm

So hart die kommenden Tage auch werden würden, wenigstens musste Mina sie nicht allein durchstehen. Dass Selma sie nicht komplett abgewiesen hatte, nachdem ihr Gespräch eher holprig gestartet war, war wirklich ein Segen. Wäre sie auf sich allein gestellt gewesen, hätte Mina mit dieser ganzen Situation sicherlich mehr zu kämpfen gehabt. So gab ihr Selma gerade genug Essen und Trinken, dass sie nicht vollkommen ihre Kräfte verlor. Aber auch mit dem bisschen Brot und dem Wasser, das Selma ihr zugestand, fühlte Mina, wie sie von Tag zu Tag an Stärker verlor. War ihr Magen vom abendlichen Brot zwar gesättigt genug, um durch die Nacht zu kommen, war sie spätestens am Morgen wieder von Hunger geplagt. Übelkeit und Schwäche machten es ihr nicht leicht, Pernstein tagtäglich die Stirn zu bieten. Wenigstens brachte ihr knurrender Magen sie und vor allem Selma nicht in Verdacht, gegen seine Anordnung zu verstoßen. Anscheinend hoffte der Hauptmann darauf, dass die Entbehrungen bald Wirkung zeigen würden. Wenn Selma ihr nicht geholfen hätte, wäre seine Strategie sicherlich auch die richtige gewesen; ohne Nahrung und Wasser musste Mina irgendwann reden, wenn sie nicht sterben wollte. Immerhin hatte ihre zunehmende Schwäche bewirkt, dass sie sich ihre Kraft besser einteilte und ihre frechen Sprüche auf ein Minimum reduziert hatte. Wenn Pernstein sie nun morgens zu sich holte, schwieg sie stattdessen eisern und ließ das bisschen Schikane, was dem Nostrianer sonst noch so einfiel, stumm über sich ergehen. Wenn sie dann in ihre Zelle zurückkehrte, hatte sie ja Selma, die aufmunternde Worte und etwas zu essen für sie hatte. Ihre Nähe war es, die auch in den Nächten die Alpträume von ihr fern hielt. Nicht einmal die vorsichtigen Umarmungen hatten sie sich nehmen lassen und Mina musste sich meist ein Lächeln verkneifen, wenn sie sah, wie Selma, von neuem Mut beseelt, den anderen Wachleuten die Stirn bot. Über ihr Angebot, sie zu begleiten, sollte Arngrim sie jemals hier herausholen, schien sie sich zwar noch den Kopf zu zerbrechen, aber in ein paar Tagen sah das vielleicht auch schon alles anders aus.
Seit man sie hungern ließ, waren nun wohl schon vier Tage vergangen, als Hauptmann Pernstein wohl langsam die Geduld zu verlieren schien. Wieder hatte Mina ihm keine Informationen gegeben und seine ruhige Fassade schien langsam zu bröckeln. Bei seinen Worten wurde Mina heiß und kalt. Würde er sie einfach umbringen lassen? Damit hatte sie nicht gerechnet und sperrte sie vehement gegen die Wachen, die sie auf die Beine zogen.
„Die anderen Gefangenen sind nur einfache Soldaten, die wissen nicht, was ich weiß!“, stieß sie laut hervor, doch man schenkte ihr vorerst keine Beachtung, zerrte sie nur in einen anderen Raum, den sie nur zu gut in Erinnerung hatte. Auch dieses Mal reichte ein Blick auf die Gegenstände im Raum, um Mina klar zu machen, welcher Tortur man sie aussetzen würde. Ein eiskalter Schauer rann ihren Rücken herunter. Wenn sie ihre Furcht jetzt schon verriet, machte das alles vermutlich nur noch schlimmer. Dennoch konnte sie nicht verhindern, dass ihr Körper zu zittern begann, als man sie vor dem Zuber auf die Knie drückte und schließlich ihren Kopf, begleitet von den bissigen Kommentaren des Hauptmannes unter Wasser zwang. Kurz vorher hatte Mina noch einmal tief Luft geholt, aber als ihr Haupt unter das eisige Nass gedrückt wurde, verließ einiges an Luft im ersten Schreck schon direkt ihren Mund. Obwohl Mina versuchte, ruhig zu bleiben, wurde ihre Angst mit jeder Sekunde größer, die sie mit dem Kopf unter Wasser verbrachte. Die Luft in ihren Lungen wurde knapp und ein unerträglicher Druck breitete sich auf ihren gesamten Kopf aus. Ihre Instinkte, ihr Überlebenswille, übernahmen die Kontrolle über ihren Körper und sie begann panisch zu strampeln, ihren Kopf irgendwie über die Wasseroberfläche zu bringen, damit sie doch bloß atmen konnte, während ihre Sinne langsam verschwanden und Schwärze an den Rand ihres Sichtfeldes pirschte….
Und dann zerrte man ihren Kopf mit einem Ruck aus dem Wasser. Ihre Lungen sogen gierig Luft ein, als hätte sie nie zuvor in ihrem Leben geatmet. Doch als sie gerade glaubte, dass die Tortur vorbei war, drangen die Worte des Hauptmannes zu ihr durch und man drückte sie wieder unter Wasser. Dieses Mal hatte Mina die Luft vorher nicht so gut anhalten können und sie begann viel eher, sich dem Griff der Wache entgegenzudrücken als beim letzten Mal. Dieses Mal hielt man sie noch länger unter Wasser. Als man sie wieder aus dem Zuber zog, war die Magierin sichtlich benommen. Schon spürte sie, wie man sie erneut hinabdrücken wollte.
„Wartet, wartet, bitte!“, stieß sie hustend aus und ihre Stimme war von Angst erfüllt.
„Ich habe euch die Wahrheit über meinen Trupp erzählt, dass müsst ihr mir glauben!“
Wasser rann ihr übers Gesicht und klebte in dicken Tropfen in ihren Haaren und auf ihrer Kleidung.
„Es gibt nichts, was Ihr über diese Leute noch nicht wisst! A-Aber die Akademie, interessiert Euch das, Hauptmann?“
Die Luft in ihren Lungen hatte nicht für mehr als diese Worte gereicht, ein bisschen Zeit, die sie sich erkaufen wollte. Minas Gesicht war kreidebleich und für den Moment wollte sie nur überleben. Schwer atmend rang sie nach Luft und versuchte, sich so gut es ihr möglich war, vom Zuber wegzubewegen, doch die Wache drückte sie fest zurück und Mina stieß ein Wimmern aus, als ihre Brüste gegen den hölzernen Rand des Zuber gequetscht wurden.
„I-Ihr müsst anderes Interesse an mir haben als das, was Ihr auch von einem einfachen Soldaten erfahren könntet, oder nicht?“
Mina merkte selbst, wie verzweifelt ihre Stimme klang und sie hasste es.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Di Nov 26, 2019 1:29 am

Der Hauptmann hatte nicht einmal im Traum darüber nachgedacht, den Gefangenen dieses Mal so einfach davonkommen zu lassen. Er sollte bereits nach dem tagelangen Aushungern genug haben. Doch so hatte er immerhin noch etwas mit ansehen können, wie die Verzweiflung und Angst immer stärker in seinem Körper anstiegen. Hatte er wirklich geglaubt, er würde so lange einfach dieses Verhalten dulden? Oh nein, Pernstein mochte vielleicht geduldig sein, doch irgendwann hatte auch diese ihre Grenzen.
So gerne er mehr Informationen in Erfahrung gebracht hätte, bedauert hätte er es nicht, wenn sich die Lungen des Andergasters mit Wasser gefüllt hätten und er kläglich erstickt wäre, eine Bürde weniger, die er tagtäglich mit sich rumschleppen musste. Durch den anbahnenden Winter und dem Wetterumschwung hatte man ihn ohnehin zu lange ihm und seinen Leuten versauern lassen! Optimalerweise wollte er ihn schon vor knapp drei Tagen losgeworden sein. Es wäre also durchaus auch die Schuld Nostrias gewesen, wäre ihm etwas Tödliches widerfahren.
„Da scheint noch genug Wille in seinem Körper zu stecken, du kannst ihn ruhig länger unter Wasser halten!“, verordnete der Hauptmann belustigt und beobachtete den Soldaten, wie er seine Anweisungen befolgte und der Magier mit den Armen und Beinen zappelte. Den Feind so schwach zu sehen löste wahrlich eine Genugtuung in ihm aus, dass er für einen Moment vergaß, was er eigentlich von ihm wollte.
Die Worte des Dunkelhaarigen rissen ihn aus seinen selbstzufriedenen Gedanken und die grauen Augen starrten das fremde Gesicht ungläubig an. Der Soldat hielt inne und Pernstein selbst machte keine Anstalten, um ihm den Befehl zu geben, weiterzumachen. Stattdessen lauschte er der anderen Stimme aufmerksam.
„Möchtest du mir gerade etwa sagen, du wärst bereit, mir wichtige Informationen zu geben?“, er trat einen Schritt näher an die Gestalt heran, sie von oben herab musternd. Ein schiefes Lächeln stahl sich auf die harten Züge des Hauptmannes. Ganz vertrauen konnte er diesen Worten natürlich nicht, sie hatten schon einmal eine Abmachung gehabt, an die sich dieser dreckige Andergaster nicht gehalten hatte, also gab es nicht viele Gründe, ihm dieses Mal auch nur ansatzweise Glauben zu schenken. Doch, selbst die geringste Chance an eine noch so kleine, verborgene Information heranzukommen, war ihm beinahe schon genug. „So, so, du glaubst also, dass du einen höheren Wert für mich hättest als ein anderer dahergelaufener Andergaster? Ich würde mich nicht zu weit hinauslehnen, Alrikshuber.“, lange fixierten seine Augen die Braunen seines Gegenübers. „Dennoch, wenn es Informationen für die Akademie gibt, etwas, was durchaus vom Nutzen ist und kein dahergeredeter Unsinn deinen Mund verlässt, wäre ich gewillt zuzuhören.“, er setzte sich auf den einzigen frei stehenden Stuhl, schlug ein Bein über das andere, während er auffordernd den Magier anblickte. „Nun denn, ich höre.“
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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Di Nov 26, 2019 9:19 pm

Das Atmen fiel Mina nach wie vor schwer und ihre Sätze wurden unterbrochen von Husten, aber wenigstens hatte sie sich ein wenig Zeit verschafft. Nur was sollte sie dem Hauptmann erzählen? Die Wahrheit? Wenn er ihre Informationen kontrollieren ließ und sie beim Lügen erwischte, glaubte Mina mittlerweile nicht mehr daran, dass sie lebend aus dieser Sache herauskommen würde. Aber welche Informationen konnte sie Pernstein geben, die möglichst wenig Schaden für die Akademie anrichten würde? Ihre Gedanken rannten in ihrem Schädel hin und her wie ein aufgescheuchtes Huhn und es wurde zunehmend schwieriger, sie zu ordnen. Egal, was sie preisgab, es wäre ein Verrat an Andergast und ihrer Akademie. In Zeiten, wo sie mittlerweile in Frage gestellt hatte, ob sie überhaupt zurück wollte, wollte sie wirklich ihr Leben riskieren, um die Geheimnisse der Akademie zu wahren? Immerhin hatte man diese Worte mit Folter aus ihr herausgepresst, das konnte ihr doch niemand übel nehmen.
„Es gibt da einen neuen Zauber, den die Akademie vor kurzem in ihren Besitz gebracht hat.“
Mina zögerte. Offiziell war ihr diese Information nicht einmal bekannt. Sie hatte sie nur zufällig aufgeschnappt, bei einem gemunkelten Gespräch mit den anderen Magi aus ihrem Jahrgang. Vielleicht vermutete man sie also gar nicht, wenn später herauskam, dass die Nostrianer über diese Info verfügten. Ein schlechtes Gewissen hatte Mina trotzdem.
„Ein mächtiger Zauber, der einen Schatten als Kämpfer beschwört. Normalerweise wird er kaum irgendwo unterrichtet, a-aber….aber das Kampfseminar wollte ihn in das Lehrprogramm integrieren.“
Nun waren die Worte wirklich raus, konnten nicht wieder zurückgenommen werden. Die Magierin hatte ein großes Geheimnis preisgegeben, um ihre eigene Haut zu retten. Wobei es nicht einmal sicher war, inwieweit ihr das wirklich helfen würde, noch kniete sie immer noch in einer prekären Lage vor dem Wasserzuber zu Pernsteins Füßen. Unwohl blickte sie in die eiskalten grauen Augen, die auf sie hinabstarrten.
„So eine Information muss doch etwas wert sein, oder nicht?“, hakte sie nach, doch bevor der Hauptmann wirklich etwas antworten konnte, wurden vom Gang her Stimmen laut, und auf schnelle Schritte folgte ein lautes Klopfen an der Tür. Für einen Moment wollte Mina fast schon erleichtert aufatmen, dass sich die Aufmerksamkeit kurz von ihr abwandte, doch als sie sah, wer dort vor der Tür stand, bereute sie den Gedanken sofort.
Ein Wachmann hielt Selma mit einer Hand am Kragen, mit der anderen hielt er einen Laib Brot. Auf seinem Gesicht mischten sich Zorn und Genugtuung. Auf Minas Gesicht hingegen stand die blanke Panik. Hatten sie etwa Selma dabei erwischt, wie sie Essen für sie beide gestohlen hatte? Was würde bloß mit ihr passieren, wenn man herausfand, dass sie sich gegen die Befehle des Hauptmannes gestellt hatte? Völlig durchnässt und ängstlich begann Mina zu zittern.
„Herr Hauptmann, wir haben diese Wache dabei erwischt, wie sie dem Andergaster einen Laib Brot in die Zelle schmuggeln wollte!“
Minas Blick huschte panisch zu Selma, die den Blick allerdings nicht in ihre Richtung lenkte. Vermutlich war das auch schlauer. Aber die Magierin konnte einfach nicht anders, als sich endlose Sorgen um Selma zu machen.
„Das habt ihr davon, wenn ihr eine Frau die Arbeit eines Mannes machen lasst. Viel zu weich das Mädel“, platzte es so abfällig wie möglich aus Mina heraus. Sie wollte nur, dass sich die Wut, die gerade auf dem Gesicht des Hauptmannes zu brodeln schien, sich nicht auf Selma entlud. Sie selbst war doch eh schon in einer brenzligen Situation, Selma sollte es auf keinen Fall ähnlich ergehen. Das hatte sie für ihr Mitgefühl einfach nicht verdient.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Mi Nov 27, 2019 1:33 am

Der Hauptmann hatte nicht viel mit Magie am Hut, um genau zu sein interessierte ihn die ganze Sache nicht und war besonders lästig, wenn man magisch begabte Gefangene bei sich unterbringen musste. Zum Glück war es in Nordvest zwar eher eine Ausnahme, aber dennoch, man musste immer gewappnet sein, dass jemand einen zerstörerischen Zauber aus dem Nichts schnipsen konnte.
Allerdings hatten sie in Nostria ebenfalls eine Akademie und selbst, wenn nicht, so war es wichtig und gut zu wissen, mit welchen Mitteln der Feind beim nächsten Mal in der Schlacht kämpfte.
So lauschte er aufmerksam den Worten, die über die Lippen des Gefangenen glitten, merkte sich jedes kleine Detail, was man ihm gerade offenbarte. „Ein Schatten, der kämpfen kann? Euch Andergastern ist wohl jedes Mittel recht!“ Pernstein erschien solch ein Zauber als viel zu mächtig und schwarzmagisch, als dass er wirklich jemals von den Holzköpfen gemeistert werden konnte, doch es war auch beunruhigend zu wissen, dass sie an so etwas herangekommen waren und nun ihren magisch begabten Soldaten beibrachten.
Er konnte nicht leugnen, mit solch einer Information konnten sie viel anfangen und es war etwas, was vorher nirgendwo auch nur erwähnt wurde. Vielleicht machte der Andergaster ihm auch gerade nur was vor und solche Zauber existierten gar nicht, jedoch konnte dies zumindest überprüft werden können oder zumindest erhoffte es sich der Hauptmann.
Gerade, als sein Mund sich wieder öffnete und er fortfahren wollte, wurde er jedoch abrupt von schweren Schritten und einem Klopfen unterbrochen.
Seine grauen Augen ließen den Blick zur Tür schweifen, musterte die beiden Wachleute, sie dabei ernst anblickend. „Ich hoffe, diese Unterbrechung hat einen guten Grund!“ Erst jetzt erkannte er, wen der junge Mann am Kragen gepackt hatte und was genau sich in seiner anderen Hand befunden hatte, was jedoch das eine mit dem anderen zu tun hatte, bekam er schon bald mitgeteilt. Bei jedem gesprochenen Wort zogen sich seine Augenbrauen immer stärker zusammen und seine Ader an der Schläfe begann gefährlich zu pochen.
„Ist das wahr? Du hast dich bewusst meinen Befehlen widersetzt und dem Feind Essen in die Zelle gebracht? Antworte, Liekenstek!“, seine Stimme schwoll zornig an, während er die junge Frau durchbohrend anstarrte.
„Und du hältst schön deinen Mund, zu deinen Konsequenzen kommen wir gleich.“, fuhr Pernstein den Gefangenen im gleichen Atemzug an, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
„Dies ist Verrat nicht nur an mich, sondern auch an das gesamte Dort, ja das gesamte Land! Wenn du nicht in der Lage bist, die einfachsten Befehle auszuführen, was machst du dann bitte beim Militär? Verdammt nochmal, weißt du eigentlich, dass du dafür die Höchststrafe bekommen kannst?!“ Wahrscheinlich war die laute Stimme des Hauptmannes im gesamten Gebäude zu hören, denn auf einmal wurde es um sie herum ganz still, nicht einmal das rege Treiben des Dorfes war am Fenster zu vernehmen.
Selma blieb stumm bei der Standpauke, die man ihr gehalten hatte, wagte es nicht einmal, in Minas Richtung zu schauen. Sie hatte nicht gut genug aufgepasst und das hatte sie nun davon! Dabei war es doch das Wichtigste, sich nicht erwischen zu lassen! Natürlich war ihr Vorhaben wahrlich Volksverrat und der Hauptmann hatte wohl jedes Recht sie an Ort und Stelle zu exekutieren. Doch sollte das alles wirklich so enden? Nur, weil sie einem Gefangenen vor dem Hungertod bewahren wollte?
Am liebsten hätte sie dem anderen Wachmann ins Gesicht geschlagen, dafür, dass er ausgerechnet heute meinte sich für sie interessieren und sie ausspionieren zu müssen! Sonst war es ihnen doch auch gleich, was sie hier tat! Aber…vielleicht konnte all das wieder sich zum Besseren wenden oder zumindest sie vor dem Tod oder gar vor ihrer Aufgabe bewahren.
Die Wachfrau verstand, dass die Magierin in dieser Situation nichts anderes wollte, als die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, doch sie würde es nicht zulassen, dass man ihr noch mehr schlimme Dinge antat als ohnehin schon. Abgesehen davon würden sie wohl beide bestraft werden, es war also nur fair, wenn Selma ihre Schuld auf sich nahm und die Konsequenzen über sich erdulden ließ.
„Hauptmann Pernstein, bei allem Respekt, Ihr wisst ganz genau, dass ich jeden Befehl stets befolge und mir das Wohlergehen Nostrias sehr am Herzen liegt! Nichts, was ich je getan habe, war eine Tat, um unser Reich zu verraten und sich mit dem Feind anzufreunden, wie könnte ich auch, nachdem sie meine gesamte Familie ausgelöscht haben?“, sie hielt kurz inne, holte tief Luft und wagte es, einen Blick in Minas Richtung zu wagen. Es war schwer, ihren Blick so eisern wie nur möglich zu halten, bei dem durchnässten, verzweifelten Anblick der jungen Frau. „Ich bin ehrlich, Hauptmann. Ich habe versucht Eure Befehle stumm zu befolgen, doch hätte ich vier Tage lang eisern den Gefangenen verhungern und verdursten lassen, würde er seit gestern unter der Erde liegen. Der Winter ist hart, der Kerker eiskalt und zehrt an allen Kraftreserven. Der Andergaster hätte diese Anordnung nicht überlebt und ich habe gemerkt, wie stark er vom Nutzen sein konnte für Euch und Nostria. Ich konnte nicht Euren Zorn über das Wohlergehen unseres Volkes stellen…“, Selma ließ ihre braunen Augen zu ihrem Vorgesetzten wandern. Sie wusste, dass ihr Vorhaben auch nach hinten losgehen konnte und hoffte schlichtweg auf das Vertrauen des älteren Mannes, der eigentlich immer fair zu ihr war und wusste, dass sie in all den Jahren stets die Vorzeigesoldatin schlechthin war. Das Gute an solch einem kleinen Dorf und solch geringer Besatzung war wohl, dass man nicht so schnell vergessen konnte, was jemanden widerfahren wurde und Pernstein wusste ganz genau, wie lange Selma getrieben von Hass und Rache war. Diese Momente mussten sich doch irgendwie bezahlt machen!
Lange war es still im Raum und niemand wagte es, auch nur zu laut zu atmen, ehe der Hauptmann erneut die Stimme erhob.
„Liekenstek, beim nächsten Mal sprichst du mich direkt an und äußerst deine Gedanken, anstatt hinter meinem Rücken meine Befehle zu befolgen, ist das klar?! Ich verstehe deine Gründe, doch ich erwarte absoluten Gehorsam und absolute Transparenz von euch allen! Das wird ein Nachspiel geben, zur Strafe werde ich zwei Gehälter kürzen, um die Hälfte! Und du wirst die nächsten sechs Monate mit den neuen Auszubildenden die Zeit verbringen. Du wirst mit ihnen lernen und sie unterrichten. Und solltest du noch einmal dabei erwischt werden, wie du etwas tust, was du von vornherein nicht tun solltest…wirst du mit dem Andergaster so lange in der Zelle verrotten, bis er weg ist und wir dich wegen Volksverrat an den Pranger stellen.“
Selma musste schlucken, nickte jedoch eifrig bei den Worten. Es hätte durchaus schlimmer kommen können, das war ihr bewusst, sie hätte just in diesem Moment alles verlieren können und auf ihr Gehalt würde sie gerade so verzichten können. Ein bisschen sparsamer zu leben war möglich.
„Was den Andergaster angeht- kettet ihn an, gebt ihm dreißig Peitschenhiebe. Du hast gedacht, du könntest einfach so deine Hände ausstrecken? Jetzt lassen wir die Hände lieber so lange angekettet, bis du endlich nach Nostria verfrachtet wirst.“
Der Hauptmann herrschte die drei weiteren Männer, von denen einer immer noch Selma am Kragen gepackt hatte, an, beide fortzuschaffen, verließ jedoch selbst zuerst den Raum.
Selma blickte hilflos zu Mina, ehe ihre Blicke sich mit einem der Wachmänner trafen und der Ausdruck auf seinem Gesicht gefiel ihr ganz und gar nicht.
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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Mi Nov 27, 2019 6:26 pm

Vollkommen gebannt und angespannt verfolgte Mina das Gespräch zwischen Selma und dem Hauptmann. Nachdem ihr Einwurf von Pernstein einfach beiseite gewischt worden war, hatte die Magierin sich eingestehen müssen, dass es nichts gab, was sie in dieser Situation für die Wachfrau tun konnte. Welche Rolle sie bei der ganzen Sache gespielt hatte, war für die Nostrianer nicht von Bedeutung und Mina konnte es nachvollziehen. Ein Soldat, der seine Befehle nicht ausführte, war nicht viel wert im Gefüge des Militärs. Noch dazu hatte Selma es eh schon schwer genug in ihrer Truppe und oft ging solche Missgunst von ganz oben aus. Was also, wenn der Hauptmann sie ebenfalls nicht leiden konnte? Wobei, dafür hatte Selma zu ehrfürchtig von ihm gesprochen in den ersten Tagen, als sie sich unterhalten hatten.
Wie der Befehlshaber sie nun aber anfuhr, war dennoch hart und in Mina stieg die Angst, dass man ihre Freundin für dieses Vergehen an den Galgen bringen würde. Bei all der nervösen Unsicherheit, die die junge Frau allerdings sonst zu plagen schien, schlug sie sich gerade unglaublich gut. Ob sie sich solch eine kleine Rede schon länger im Kopf zurechtgelegt hatte? Ein wenig einstudiert klangen die Worte schon, aber nichtsdestotrotz überzeugend. Da die Magierin Sorge hatte, dass sie mit weiteren Worten nur Selmas Lage verschlechtern würde, blieb Mina lieber still und lauschte dem Gespräch. Irgendwo verband der Hass auf das andere Volk sie alle wohl doch mehr, als sie in den letzten Wochen erlebt hatte; immerhin schien das Argument bei Pernstein gut zu funktionieren. Obwohl seine Züge nicht unbedingt weicher wurden, hatte Mina das Gefühl, dass seine Strafe für Selma recht mild ausgefallen war. Immerhin ließ man sie am Leben, behielt sie als Soldatin und strafte sie nicht mit Folter oder Kerker. Zum Glück hielt die Erschöpfung Mina davon ab, ihre Erleichterung allzu deutlich auf ihrem Gesicht zu zeigen. Stattdessen freute sie sich innerlich, dass Selma glimpflich aus dieser Situation entkommen war. Allerdings rutschte ihr Magen ihr gleich wieder in die Kniekehlen, als sie ihre eigene Bestrafung vernahm. In der Akademie hatte es hin und wieder auch den Rohrstock gegeben, wenn man nicht schnell genug spurte. Nunja, wenigstens für andere, Mina war immer artig und folgsam gewesen und hatte solche erzieherischen Maßnahmen nie nötig gehabt. Doch wenn ihre Klassenkameraden tagelang nicht einmal sitzen konnten von ein paar Schlägen, wollte Mina sich nicht ausmalen, mit was für Schmerzen Auspeitschen verbunden war. Doch Widerspruch zu erheben kam niemandem hier in den Sinn und wäre vermutlich sowieso zwecklos gewesen. Jetzt musste Mina sich ja doch bemühen, um Selma keinen erleichterten Blick zuzuwerfen, denn allein waren sie noch lange nicht. Und die Blicke, die sich die drei Wachmänner zuwarfen, ließen Mina nichts Gutes vermuten; selbst Selma blickten sie mit einer kalten Wut und Verachtung an, als wäre sie König Wendelmir höchstselbst. Der Mann, der Selma am Kragen gepackt hatte war groß und schmal und hatte eine Narbe an der linken Wange. Mit einem Naserümpfen hatte er von Selma abgelassen.
„Den Hauptmann hast du vielleicht an der Nase herumgeführt, aber wir wissen alle, was du eigentlich für eine bist, Liekenstek. Sammle deinen Gefangenen ein und lass uns seine Strafe durchführen.“
Die anderen beiden Männer drückten sich an Selma vorbei durch die Tür. Einer schien noch recht jung zu sein, mit rotblondem Haar und zahlreichen Sommersprossen, während der dritte älter war, den Mund voll mit schiefen Zähnen. Mina hörte sie mit gesenkten Stimmen im Flur reden, während Mina zu ihr trat, um sie aufzuziehen. Worte verlor sie keine, aber ihre Augen flackerten panisch über das runde Gesicht der anderen. Gerne hätte sie ein Wort der Warnung ausgesprochen, doch an Selmas fahrigen Bewegungen konnte sie erahnen, dass sie den Braten ebenfalls roch. Sich jetzt die Blöße zu geben, hätte allerdings vor allem für Selma schlimme Folgen.
So gut es ging erhob sich Mina, aber von dem Sauerstoffmangel war ihr immer noch etwas schwindelig, aber sie gab sich so tapfer es ging, bis sie wieder in der Zelle waren. Der ältere Wachmann hatte sich kurz von ihnen getrennt, während sie auf dem Weg zur Zelle waren und als er wiederkehrte, trug er eine lederne Peitsche in der Hand. Die mehreren Enden waren mit kleinen Knoten versehen und Mina bangte bei dem Anblick.
„Bereite ihn für seine Strafe vor, Liekenstek“, befahl der Mann mit der Narbe. Erst, als Selma auf sie zutrat, realisierte Mina wirklich, was das bedeutete. Zum Glück hatte Selma mehr Geistesgegenwart als sie selbst bewiesen und drehte sie mit dem Rücken zu den anderen Wachen, die eh nicht an ihnen interessiert zu sein schienen. Erst dann orderte sie die Magierin, sich zu entkleiden. Vorsichtig, um nichts preiszugeben, zog Mina ihr Wams aus, während Selma die Eisenschellen von der Wand nutzte und sie fesselte. Noch hatte sie die Ketten lang gelassen, aber Mina war sich sicher, dass man sie später deutlich unbequemer anketten würde. Aus Furcht, man könnte einen Blick auf ihre Brüste erhaschen, wagte die Magierin es nicht mehr, sich umzudrehen und musste sich nun einzig auf ihr Gehör verlassen.
„He, Liekenstek, willst du die Strafe selbst durchführen? Wenn du doch so ein aufrichtiger Nostrianer bist!“
Das war die Stimme des Vernarbten.
„Nein, der gehört mir, ich durfte schon lange nicht Hand an einen Andergaster legen, seit ich hier in diesem Loch festsitze“, knurrte die Stimme des Älteren, bevor Selma etwas entgegnen konnte und Mina wurde es flau im Magen, als sie Schritte näherkommen hörte.
„Außerdem ist Liekenstek jetzt anderweitig beschäftigt.“
Mina konnte ein dumpfes Geräusch hören, als der Körper der Wachfrau gegen die Wand des Kerkerganges gestoßen wurde. Den kurzen Moment der Benommenheit ausnutzend, hatte der junge Wachmann sie gepackt und ihr die Arme auf den Rücken gedreht. Das Narbengesicht hatte ihr gezielt ein paar Schläge auf die Nase und an die Schläfe gegeben, bevor man sie losließ. Ein weiteres dumpfes Knallen deutete Selmas Fall auf den Boden an. Jede Faser in Minas Körper war zum Zerreißen gespannt. Sie wollte Selma so unbedingt helfen, doch dann hätten sie sich endgültig verraten. Mit gesenktem Kopf hörte Mina das Geräusch von Tritten.
„Das ist deine gerechte Strafe, dafür, dass du einen Andergaster am Leben hältst! Schämen solltest du dich, du dreckige Dirne!“
Während die Stimme des Vernarbten voll von Zorn war, schien der jüngere Wachmann Spaß an der ganzen Angelegenheit zu finden, troff doch seine Stimme förmlich von Süffisanz.
„Wolltest vermutlich nur, dass dich endlich mal wer vögelt, oder, Liekenstek?“
Ihre Worte brannten selbst Mina in den Ohren, während sie eigentlich so gern diese ganze Situation vergessen wollte, das rhythmische Geräusch der Tritte, das Klirren der Ketten, das Geräusch von Leder, welches langsam ausgerollt wurde. Wie viel waren dreißig Schläge?

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Do Nov 28, 2019 2:44 am

Noch war die Sache nicht vorbei, das wusste Selma ganz genau. Die Peitschenhiebe, die Mina ertragen musste, waren ein gefährliches Unterfangen und was die anderen mit ihr anstellen würden…nun, dies kristallisierte sich schneller heraus, als es ihr lieb war.
Natürlich, sie hatten nun einen wirklichen Grund sie zu hassen und ihr auch deutlich zu machen, welch einen geringen Wert sie beim Kollegium hatte. Gerne hätte sie irgendwie Mina aufmunternde Worte geschenkt, hätte ihr versichert, dass sie sich hinterher gut um die zugefügten Wunden kümmern würde, damit sie schneller verheilten und sie sich seine Sorgen zu machen brauchte. Doch es war schier unmöglich sogar Blicke auszutauschen, geschweige denn Worte zu wechseln. Das ganze Gebäude hatte sie nun im Schwitzkasten und solange sie in der Nähe eines anderen Wachmannes war, würde sie es nicht wagen, sich nochmal erwischen zu lassen und ihre Zweifel noch mehr zu nähren.
Noch nie war der Weg zum Kerker so lang erschienen und jeder Schritt hinterließ ein unwohles Gefühl in ihrer Magengrube. Sie hatte noch nie jemanden auspeitschen müssen, zusehen musste sie auch nicht und sie hatte gehofft, dass es dabei auch bleiben würde. Nun musste sie ausgerechnet zusehen, wie so etwas einer Freundin angetan werden würde. Es war zum Verrücktwerden wie hilflos sich die Dunkelhaarige fühlte und wie gerne sie doch etwas getan hätte, damit all dies nicht geschah! Stattdessen befolgte sie stumm den forschen Aufforderungen und trat zur Andergasterin heran, als man von ihr verlangte, sie für die Bestrafung bereit zu machen. Selma wollte nicht, dass sie in noch mehr Schwierigkeiten kamen, hatte wirklich Angst, dass die anderen erkennen würden, dass es sich hierbei um keinen Mann handelte. Aber…vielleicht würden sie den Körper gar nicht so lange mustern? Wenn sie die Magierin nur so platzierte, dass man stets ihren Rücken zusehen bekam…
Die Zelle war selbst bei Tageslicht immer noch dunkel und dort, wo die Ketten angebracht waren, war nie ein Sonnenstrahl zu sehen, sodass alle verräterischen Merkmale vielleicht in der Dunkelheit verschluckt werden konnten. So oder so, die Wachfrau war achtsam und vorsichtig, waren die anderen in der Zwischenzeit ohnehin mit was anderem beschäftigt.
Selma hatte es noch geschafft die Gefangene entschuldigend anzublicken, ehe sie nur wenige Schritte sich von ihr entfernte und nun in die drei Gesichter starrte.
Sie hatte beinahe schon geahnt, dass man solche Worte ihr entgegenbringen würde, sie vielleicht sogar dazu zwang, diese Strafe selbst durchzuführen. Es hätte vielleicht einiges erleichtert, jedoch auch vieles erschwert. Doch noch ehe sie etwas darauf antworten konnte, hatte man ihr diese Entscheidung bereits schnell abgenommen. Erleichtert war sie keineswegs, nichts davon war eine bessere Ausgangslage und es plagte sie, dass es absolut nichts gab, was sie in diesem Moment tun konnte.
„Passt zu euch…immer so aufgeregt Wehrlosen wehzutun. Man muss ja irgendwo die Stärke raushängen lassen, wenn man in Wirklichkeit nichts drauf hat!“, Selma wusste, dass sie sich mit ihren Worten weit aus dem Fenster lehnte. Sie wusste allerdings auch, dass es ohnehin um sie geschehen war und ihr Schicksal bereits über dem Kerker besiegelt wurde. Es gab also nichts zu verlieren.
Und trotzdem traf sie der Schubser gegen die Wand überraschend, dass sie für einen kurzen Moment sich sammeln musste, was ihnen natürlich genügend Zeit verschaffte, um sie ebenfalls wehrlos zu machen.
Die Schläge waren hart und voller Zorn, Selma spürte, dass sie sich wahrscheinlich sogar besonders anstrengten und hofften, dass sie mit ihren Fäusten es schafften, ihr etwas zu brechen. Vielleicht hatten sie es sogar geschafft, die Wachfrau konnte es nicht genau wissen, doch sie spürte den pochenden Schmerz, die blutende Nase und eine aufgeplatzte Lippe. Sie hatten sich nicht mal davor gescheut, ihr Auge zu treffen und bei einem Fausthieb hatte sie es sogar geschafft sich selbst zu verletzten, als sie sich auf die Zunge biss.
Ihr Kopf dröhnte und kaum hatte man von ihr abgelassen, verlor sie schon das Gleichgewicht und ihr Körper fiel zu Boden. Sie hatte gehofft, dass das alles war, doch die zornigen Gemüter der Wachmänner waren noch lange nicht zufrieden, denn schon bald spürte sie Tritte, die immer häufiger und immer fester gegen ihren Körper schlugen, als wäre sie ein Sack Korn. Schmerzerfüllt rollte sie sich so gut es ging zusammen, verbarg ihr mittlerweile entstelltes Gesicht mit ihren Armen, damit es nicht noch schlimmer aussah. Die Worte drangen kaum zu ihr durch, irgendwann hörte sie nur noch das Rauschen ihres Blutes im Kopf. Zu gerne hätte Selma geantwortet, zu gerne hätte sie gesagt, dass sie niemals eine Frau glücklich machen könnten, hätte ihnen es unter die Nase gerieben, dass sie- im Vergleich zu ihnen- eine glückliche Nacht mit Mina verbringen konnte, etwas, wovon sie nur träumen konnten! Doch ihre Lippen blieben stumm. Nicht einmal ein Wimmern wollte sie ihnen geben, wollte ihnen nicht die Genugtuung geben, dass sie mit ihrer Gewalt das erreicht hatten, was sie wollten.
Und so ließ Selma die Tritte und Beschimpfungen über sich ergehen, still und mit geschlossenen Augen, während ihr gesamter Leib nichts weiteres war als purer Schmerz und als ihnen auffiel, dass sie nicht einmal mehr die Kraft hatte, sich zu regen, schien ihre Arbeit getan zu sein.

Was danach folgte, war jedoch kaum besser. Mit Blut benetzten Augen schielte sie zu Mina hinauf, lauschte, wie der ältere Mann einmal gegen die steinerne Wand peitschte, um zu demonstrieren, wie laut und grausam sie war. Und damit lag er absolut richtig.
Der erste Hieb ließ Selma vor Schreck zusammenzucken, was eine weitere Welle des Schmerzes durch ihre Glieder hervorrief. Beim zweiten kniff sie sich die Augen zusammen und beim dritten wollte sie beinahe aufstehen und sie davon abhalten. Es war das schlimmste Geräusch, was sie je vernommen hatte, gepaart mit den Lauten, die Minas Lippen verließen und dem Klirren ihrer Ketten. Klangen so die Niederhöllen? Die Wachfrau war sich absolut sicher, dass dem so war und stieß sogleich ein stummes Stoßgebet an Peraine, dass sie beiden bei dieser schrecklichen Zeit beistand und sie nicht an ihren Wunden erlagen.
Dreißig Schläge dauerten lange, es waren zu viele Hiebe, zu viel Leid und zu viel Blut, was an der aufgeplatzten Haut den Rücken hinunter tropfte. Wut und Hass hatten sich in ihrem Inneren aufgestaut, die Emotionen kochten und trieben heiße Tränen in ihre Augen, die brennend das Gesicht hinunter kullerten, während sie auf dem kalten Steinboden lag und diesen Moment beobachtete. Die anderen waren stattdessen amüsiert und kümmerten sich nicht einmal mehr um das Häufchen Elend namens Selma, die nur dalag und leise in sich hineinschluchzte. Und sie war dankbar dafür, dass keiner seinen Blick in ihre Richtung gedreht hatte und ihre Tränen sahen.
Es war schwer, sich zu konzentrieren, doch Selma zählte artig jeden Schlag mit, damit sie es nicht wagten, mehr zu machen und war erleichtert, als die Peitsche beim letzten Hieb zusammengerollt wurde und sich die drei Männer an ihrem Werk ergötzten. Sie selbst konnte den Rücken der Magierin nicht gut sehen, doch etwas in ihr sträubte sich dagegen, hinzuschauen. Es musste die reinste Hölle sein.
Erneut schloss sie ihre Augen und wartete darauf, dass die Männer von dannen zogen. „Mal sehen, wie du ihn jetzt vom sterben bewahren willst. Kannst ja selbst nicht mal mehr stehen!“, der junge Mann spuckte auf den Boden und mit scharrendem Gelächter zogen sie davon. Sie wussten wohl, dass es nicht nötig war, die Zellentür abzuschließen, dass die Gefangene nicht fliehen konnte, nicht in diesem Zustand und schon gar nicht, solange sie in Ketten war.
Selmas Tränen wollten nicht versiegen, genauso wenig wie der Schmerz. Doch was war schon ihr Schmerz im Vergleich zu dem, was Mina durchmachen musste? Sie hatte kein Recht, sich jetzt schwach zu zeigen, denn kein Tritt war so schlimm wie diese grauenvolle Peitsche.
Mit einem Ächzen und Wimmern zwang sich die junge Frau dazu, sich aufzurichten und kroch regelrecht auf allen Vieren zu ihrer Freundin. „M-Mina…Mina…bist du..?“, plötzlich überkam Selma große Panik. Was, wenn ihr geschwächter Körper das nicht aushielt? Was, wenn sie diesen Wunden wirklich erlag und dies das Ende war? Ein dicker Kloß hatte sich in ihrem Hals geformt und sie schlug sich die Hand vorm Mund, um nicht laut los zu schluchzen. „Oh Mina…bitte halt durch….es…es tut mir so leid, du hast das doch nicht verdient….wie konnte ich das zulassen…?“

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Do Nov 28, 2019 8:01 pm

Dreißig Schläge waren zu viel. Nachdem die Zeit sich wie ins Endlose gedreht hatte, konnte Mina mit Recht sagen, dass sie die schlimmsten Minuten ihres Lebens überdauert hatte. Der erste Schlag war mit einer Überraschung und einem intensive Schmerz gekommen, die Mina kaum hatte einordnen können. Mit den Gedanken war sie noch ganz bei Selma gewesen, deren Schluchzen und Schmerzenslaute sie noch ganz leise vernehmen konnte. Ihr Herz wollte vor Mitleid und Wut beinahe aus der Brust springen. Dass diese Wachleute einen verhassten Andergaster so behandelten, mochte sich ihr ja noch erschließen, auch, wenn es grausam war. Aber wie konnten sie bloß Selma so etwas antun? War sie nicht immer ein guter Soldat gewesen bis jetzt? Dass man sie nun verdächtigte, mit dem Feind unter einer Decke zu stecken, war ganz allein die Schuld der Magierin. Wie sollte sie jemals wieder glücklich werden in dieser Kaserne, wenn ihre Truppe sie schlimmer behandelte als einen Straßenköter.
All diese Gedanken wurden unterbrochen von dem Schmerz, der über ihren Rücken zuckte wie ein Blitz, heiß und plötzlich. Der Schrei blieb Mina in der Kehle stecken, aber nur für einen kurzen Moment, dann kam bereits der nächste Schlag und Minas Stimme machte sich mit einem gepeinigten Schrei Luft. Die Striemen lauerten mit brennendem Schmerz und nach den ersten fünf Hieben war es quasi unmöglich, keine bereits verletzte Stelle zu treffen. Mit einer Wut und einem Hass, wie sie nur Andergaster und Nostrianer aufeinander haben konnten, ließ der ältere Wachmann die Peitsche hinabsausen, sodass die Magierin fürchtete, dass sie am Ende ihrer Bestrafung kein Fleisch mehr auf den Knochen haben würde. Hätte sie doch bloß auf das Essen verzichtet, dann wäre all das nicht passiert. Jeder Peitschenhieb ließ Mina aufs Neue zusammenzucken, ihre gefesselten Hände öffneten und schlossen sich hilflos. Es gab nichts, was sie tun konnte, um sich von dem Schmerz abzulenken, kein Beißholz, keine fernen Gedanken, kein Hoffnungsschimmer. Da sie die Qual beinahe rasend machte, war es ihr unmöglich, ihre Schläge mitzuzählen, dann hätte sie wenigstens gewusst, wann diese Qual ein Ende hatte. Aber so verlor Mina sich vollkommen im Schmerz der Bestrafung. Mit ungeahnter Intensität wallte der eiserne Geruch von Blut in ihrer Nase auf und sie konnte, den Blick gen Kerkerboden gerichtet, sehen, wie kleine Bluttropfen den Stein benetzten. Diese Narben würden sich tief in ihre Haut graben.
Irgendwann, als sie sich die Kehle wundgeschrien und jegliches Gefühl für Zeit verloren hatte, hörten die Schläge auf. Wie sie noch auf den Beinen war, war Mina selbst ein Rätsel. Ihr ganzer Körper zitterte und vermutlich stand sie unter Schock. Sie war während der Folter immer mehr Richtung Wand gesackt und hielt sich jetzt mit den Unterarmen gegen den kalten Stein gedrückt, vermutlich auch ein Grund, weshalb sie nicht längst zusammengebrochen war. Die Wachleute hörte sie lachen und gröhlen, aber ihre Worte drangen nicht zu ihr durch. Die ganze Zeit trieb Mina nur die Angst um, dass man sie noch genauer betrachten würde und auch noch ihr letztes Geheimnis lüftete. Doch irgendwann waren die Stimmen verschwunden und Mina hörte, wie sich ein Körper über den Boden an sie heranschob. Mit so minimalen Bewegungen wie nur irgend möglich drehte Mina den Kopf und blickte auf Selma herab.
Das Gesicht der jungen Frau sah übel zugerichtet aus. Blut troff aus ihrer Nase, rann ihr über die Augenlider und besudelte ihre Kleidung. So sehr war sie von Schmerzen geplagt, dass sie nicht einmal mehr aufstehen konnte. In Minas Augenwinkel stauten sich Tränen an. Ihr Körper fühlte sich an wie eine einzige Wunde und ein dumpfes Rauschen schien ihren Körper immer mehr einzuhüllen, als würde sie langsam im Wasser versinken. Wäre sie nicht so geschwächt gewesen, hätte sie das alles vielleicht besser verkraften können, doch nun rang Mina mit der Ohnmacht.
„S-Selma….Wie konnten sie dir d-das antun?“, presste sie hervor, ihre Stimme kaum mehr als ein Hauchen. Mina verharrte stumm in einer Position, den Kopf an den kühlen Stein gelehnt.
„Ich hab Angst, mich zu bewegen. E-Es wird so wehtun.“
Ihre Stimme brach und ein hässliches Schluchzen brach aus ihr hervor. Selbst diese Bewegung trieb unglaublichen Schmerz durch ihren Körper und die Magierin biss sich auf die Unterlippe, um das Weinen zu unterdrücken. Aber durch den Schmerz, der in ihrem Körper allgegenwärtig war, war es kaum zu bemerken.
„Wir müssen das alles verarzten, Selma, bitte, wir brauchen Hilfe.“
Aber wer würde ihnen in dieser verdammten Truppe schon helfen?
„Ich hätte dich n-niemals in solche Schwierigkeiten…bringen dürfen…“
Minas Stimme wurde immer leiser, ihr Sichtfeld immer schmaler und schmaler, während eine Schwärze über sie hereinbrach. Wo war Arngrim? Wieso hatte er sie denn bloß noch nicht hier herausgeholt? Während Ohnmacht ihr die Sinne nahm, sackte sie leblos in sich zusammen, rutschte an der Wand entlang, bis die Ketten es nicht weiter zuließen, und verlor in ihrem eigenen Blut das Bewusstsein.


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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Fr Nov 29, 2019 6:33 pm

Minas Tränen zu sehen und ihr Schluchzen zu hören, brachte die Wachfrau dazu noch stärker zu weinen, unwissend, woher sie die Kraft dazu hatte. Noch nie hatte sie sich so verzweifelt gefühlt und noch nie hatte sie gesehen, wie jemanden, den sie wirklich gern hatte, so übel zugerichtet wurde. Hatte sie all die Jahre hinter Nostria gestanden für das hier?
„Dich trifft eine Schuld…Mina, du musst versuchen deine Kräfte dir aufzusparen, du musst…“, Selmas Augen weiteten sich voller Panik, als der Körper vor ihr zusammensackte und offenbar leblos an den Ketten hing. „M-Mina…Mina?“ Vorsichtig streckte sie einen Arm nach ihr aus, berührte ihren Unterarm und versuchte sie wachzurütteln. Doch keine Regungen kamen. Stattdessen blieben ihre Augen geschlossen und plötzlich war es so verdammt ruhig in der Zelle. Alle Geräusche waren versiegt und nicht einmal das rege Treiben außerhalb des Gebäudes schien hierher durchzudringen.
Es war ein unangenehmer Moment und ihre Angst stieg nur noch weiter an. „Oh nein…bitte halt durch…du darfst nicht schwach werden, bitte!“, ein weiterer Schwall an Tränen rannen über ihr Gesicht und sie wischte sie eher halbherzig mit dem Ärmel weg.
Sie brauchten wirklich Hilfe. Minas Wunden waren offen, bluteten weiterhin und würden nicht aufhören, bis jemand begann sie vernünftig zu verarzten. Selma konnte so etwas einigermaßen, andere zu heilen war schließlich anfangs ihr Traum gewesen und so hatte sie sehr viel vom Wundarzt und den Grundlagen ihrer Ausbildung gelernt. Aber würde es ausreichen? Doch was für eine Wahl hatten sie schon? Der Hauptmann würde sich wohl kaum nach ihrem Fehler auf ihre Seite schlagen und die anderen….nun, sie hatten sie windelweich geprügelt und würden wahrscheinlich weitermachen, wenn sie nach Hilfe fragen würde. Noch wollte sie niemanden aufgeben, sie war es der Andergasterin schuldig, zumindest ihre Wunden zu pflegen und zu verbinden, schließlich war es ihre Schuld, dass es erst dazu gekommen war.
„I- ich werde mich um dich kümmern…dir wird es bald besser gehen, versprochen!“, selbst wenn es das Letzte war, was Selma einem anderen Menschen versprach, sie würde ihr Wort halten und verdammt nochmal alles tun, was in ihrer Macht lag!
Schniefend versuchte sie die restlichen Spuren ihrer Tränen zu beseitigen, wenigstens sah ihr Gesicht schon gequollen und mitgenommen genug aus, dass niemand auf den Gedanken kommen würde, sie hätte hier unten geweint. Doch ihr Gesicht war wohl das geringste der Probleme. Aufstehen schien immer noch eine Tortur zu sein und sie stieß mehrere Ächzer und Schmerzenslaute aus, als sie sich langsam vom kalten Boden erhob. Ihre Magengrube schmerze, der gesamte Oberkörper zuckte bei jeder kleinen Bewegung schmerzhaft zusammen, was nur noch mehr Schmerzen hervorrief. Sie hatten wirklich nicht aufgepasst, wo sie mit ihren schweren Stiefeln hintraten und die Wachfrau fragte sich, was im Inneren alles zerstört worden war. Wenig schien es nicht zu sein.
Doch sie hatte keine Zeit, sich über ihre Blessuren Gedanken zu machen, sie waren bei weitem nicht so schlimm und immerhin konnte sie sich noch fortbewegen, wenn auch langsam und unter höllischen Schmerzen.
Noch nie erschienen ihr diese Treppen so endlos und grauenvoll, als sie sich jede einzelne langsam hinauf hievte und sich wünschte, dass dies die Letzte war. Doch Selma hatte es geschafft. Ächzend und schwer atmend bewegte sie sich zu ihrem Krankenraum, wo die Vorräte an Verbänden, Medizin und anderen Heilmittel immer aufgestockt wurden. Zu Kriegszeiten durfte man an so etwas nicht sparen. Die Blicke auf dem Weg von den wenigen Männern und Frauen, die auf ihr lasteten, waren ihr egal. All das war ihr egal, sie hatte nur ein Ziel vor Augen.
Es war schwer vernünftig alles zu erkennen mit einem geschwollenen Auge und der verschwommenen Sicht und schlussendlich schnappte sie sich alles, was auch nur ansatzweise hilfreich sein konnte und schmiss es in eine frei liegende Tasche, die man eigentlich mitnahm, wenn man in ein Schlachtfeld zog.
„Will jemand den Wundarzt raushängen lassen? Selma, glaubst du wirklich du hättest das Können für sowas? Aber weißt du was…wir sind gespannt, ob der Holzkopf es überlebt!“, amüsiert wie eh und eh beobachtete einer der Wachleute sie beim Zurückgehen dabei, wie sie langsam zum Kerker zurückkehrte. An einem anderen Tag wäre sie vielleicht wirklich niedergeschlagen und enttäuscht, jetzt jedoch würdigte sie die anderen keines Blickes. Sie hatten deutlich gemacht, was von ihr gehalten wurde und es gab absolut keinen Grund, wieso sie auch nur ein Wort mit ihnen wechseln musste.

Gerne hätte Selma auf den Treppen eine Pause eingelegt, ihre Augen geschlossen und vielleicht ein paar Tränen vergossen, weil es unerträglich war, sich weiter auf den Beinen zu halten, allerdings war eine Auszeit das Letzte, was sie jetzt tun sollte. Mina war immer noch schwer verletzt und sie betete zu den Göttern, dass sie noch am Leben war. An alles andere wollte und konnte sie nicht einmal denken.
So schnell sie nur konnte, hinkte ihr Körper die Treppen hinunter, ließ sich immer weiter antreiben von ihren rasenden Gedanken, bis sie sich bei der Gefangenen wiederfand.
Mina hatte immer noch dort gehangen, als hätte man sie zum Sterben einfach alleine hier verrotten lassen und für einen kurzen Augenblick glaubte die Dunkelhaarige wirklich, dass sie zu spät gekommen war. Erneut stauten sich die Tränen in ihren Augen und mit glasigem Blick trat sie noch näher an den verletzten Körper heran. Ihre Brust hob und sank sich, wenn auch langsam und schwach, was Selma nicht nur erleichterte, sondern ihre Augen mit noch mehr Tränen füllen ließ, dieses Mal mit Freude.
Schnell stellte sie ihre Medizintasche ab, kettete den schmalen Leib vorsichtig ab, sackte jedoch beinahe selbst zusammen, als das Gewicht der anderen auf ihrem Körper lastete. Sie wollte nicht, dass sie einfach plump wie ein Sack Mehl zu Boden fiel und zog sie unter vielen Schmerzen und Tränen zur Wolldecke, bis sie endlich ruhig lag und sie beginnen konnte, sich um ihre Wunden zu kümmern.
Der Anblick war grauenvoll, noch nie hatte sie so tiefe Striemen gesehen und sie konnte garantieren, dass einige von ihnen ebenso tiefe Wunden hinterlassen würden. Es war nicht fair, all das war so ungerecht und falsch! Mina hatte es nicht verdient auch noch bleibende Schäden von dieser Gefangenschaft zu behalten. Wie gerne sie sich doch wünschte, dass ihr Partner sie bald hier rausholte und somit weiteres Leid ersparte. Denn so sehr sie ihr vielleicht auch fehlen würde, der bloße Gedanke daran, was man ihr hier oder in Nostria selbst antun würde, war kaum auszuhalten und sie hatte die Freiheit verdient.
Ein Gutes hatte es wohl, dass Mina bewusstlos war, denn so konnte Selma ihre Wunden mit dem starken Alkohol desinfizieren, ohne sich noch schlechter zu fühlen, weil sie weiteren Schmerz verursachte, dafür hatten die Blutungen ein Ende genommen und sie konnte ruhigen Gewissens Wundsalbe und andere Heilmittel auf ihrem Rücken verreiben, ehe sie begann, ihren gesamten Oberkörper zu verbinden, was durchaus schwieriger und anstrengender war, als anfangs gedacht. Sie war erstaunt, wie schnell sie so ihre Brüste einfach ins Nichts bandagieren konnte, gut für beide, denn so würde keine Seele hier auch nur den Verdacht schöpfen, dass der Andergaster eigentlich eine Frau war.
Zu guter Letzt deckte sie die bewusstlose Mina mit weiteren Decken zu und merkte, wie nun- wo sie nicht mehr abgelenkt und beschäftigt war- ihr eigener Körper zu schmerzen begann. Sie konnte nicht viel tun, außer ihre äußerlichen Wunden so gut es ging zu verheilen, für alles andere fehlte ihr die Kraft und nicht lange, da sackte sie neben der Magierin zusammen und schloss ihre Augen, in der Hoffnung, dass ein bisschen Schlaf die Schmerzen nehmen konnte.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1So Dez 01, 2019 5:53 pm

Dass Mina nicht ihren Verletzungen erlegen war, war allein Selmas Verdienst. Am Tag ihrer Bestrafung war die Magierin mehrfach im Delirium wieder erwacht, war dabei allerdings kaum bei Bewusstsein gewesen. Ihr Körper war eine einzige schmerzende Wunde voll fiebriger Träume, doch auch, wenn sie kaum etwas bewusst wahrnahm, war sie sich darüber im Klaren, dass sich jemand um sie gekümmert haben musste. Und wer sollte das in diesem götterverlassenen Kerker schon anderes gewesen sein als Selma? Erst am Morgen des nächsten Tages wurde Mina zum ersten Mal wieder bewusst wach. Bewegen konnte sie sich kaum. Jede noch so kleine Rührung ließ ihren Rücken in Flammen aufgehen, nicht einmal die Arme konnte sie richtig bewegen. Mit ihrer Magie hätte sie sich der Wunden und des Schmerzes ein wenig entledigen können, doch so musste sie darauf warten, dass der Heilprozess langsam seinen Lauf tat. Da konnte Selma noch so gute Arbeit geleistet haben, so etwas brauchte einfach Zeit. Immer wieder hatte Mina der jungen Frau ihre Dankbarkeit beteuert und sie hatten sie gegenseitig tausendfach dafür entschuldigt, in was für ein Dilemma sie die jeweils andere gebracht hatten. All das Lamentieren half nichts, am Ende des Tages war ihnen beiden bewusst, dass andere Menschen diese Entscheidungen getroffen hatten und sie wenig an ihnen ändern konnten. Mina bemühte sich, Selma bei ihren eigenen Verletzungen zu helfen, sei es auch nur, dass sie ein wenig von ihrer eigenen Wundheilungskenntnis mit ihr teilte, denn viel bewegen konnte Mina sich nicht. Das Gesicht der Wachfrau war übel zugerichtet und am nächsten Morgen blutunterlaufen und blau, und wie sie unter ihrer Kleidung aussah, wo man sie gnadenlos getreten hatte, mochte Mina sich gar nicht vorstellen. Alles, was sie in dieser Situation für Selma tun konnte, war wohl, ihr nicht noch mehr Sorgen zu bereiten. Beinahe schon verbissen achtete Mina darauf, ihre Schmerzen so wenig es ging nach außen zu tragen, zuckte kaum, wenn man ihre Verbände wechselte und biss sich lieber auf die Zunge, als einen Schmerzenslaut abzugeben. Selma sollte nicht das Gefühl haben, dass ihre Pflege Mina Qualen bereitete, denn so weh es alles auch tat, es war nötig, um nicht viel schlimmere Konsequenzen erleiden zu müssen.
Falls der Hauptmann Wind von dem bekommen hatte, was man Selma angetan hatte, sagte er nichts dazu. Wohl aber schickte er nun immer eine andere, ebenfalls junge Wachfrau zu ihnen herunter, um ihnen Essen und Wasser zu bringen. Die Strafe der Magierin war zu mindestens in dieser Hinsicht aufgehoben, doch man vertraute Selma wohl nicht mehr genug, dass sie ihr Essen selbst holen durfte. Außerdem kontrollierte die Frau, ob man Mina auch wirklich angekettet hatte. Nachdem Mina beinahe wieder bewusstlos geworden wäre und so qualvolle Laute von sich gegeben hatte, dass die Wachfrau es nicht länger ertrug, war diese Anordnung allerdings für die ersten Tage ihres Heilungsprozesses außer Kraft gesetzt worden. Man hatte aber Selma und ihr einige Kräuter zukommen lassen, um ihrer beider Schmerz zu mindern und so verbrachten sie vier Tage damit, wieder etwas auf die Beine zu kommen.
Diese Zeit war auch bitter nötig, denn am fünften Tag hatte sich anscheinend hoher Besuch angekündigt. Mina wusste nicht, was das zu bedeuten hatte, aber für Selma bedeutete es, dass sie ihren Platz in der Zelle an Minas Seite fürs erste verlassen musste, um so präsentabel wie möglich auszusehen. Selbst die frisch gewaschene Uniform konnte nicht darüber hinwegtäuschen, wie niedergeschlagen sie aussah und wie sehr ihre Kameraden sie zugerichtet hatten. Hätten Mina und Selma in den Tagen nicht einander gehabt, wer weiß, wie das hier alles ausgegangen wäre. Gerade jetzt, wo es Mina so furchtbar ging, schweiften ihre Gedanken immer öfter angsterfüllt zu Arngrim. Würde sie ihn jemals wiedersehen? Was, wenn die Kopfgeldjäger ihn doch wieder eingefangen hatten und er ebenso litt wie sie selbst? Sie war doch nicht da, um ihn zu beschützen! Die Sorge um ihn machte Mina beinahe wahnsinnig. Viel hatte sie Selma von ihm erzählt und immer wieder hatte sie die Nostrianerin auch gedrängt, mit ihr zu verschwinden, sollte sich irgendwann noch einmal die Möglichkeit ergeben – was ihre „Kameraden“ ihr angetan hatten, war wohl der letzte Tropfen gewesen, so hoffte es die Magierin zu mindestens.
Während Selma sich herausgeputzt hatte, hatte man Mina dieses Mal endgültig in die Fesseln gezwungen, allerdings nicht ohne dass Selma ihr zuvor eine besonders stark betäubende Mixtur auf den Rücken geschmiert hatte. Doch auch so war es kaum auszuhalten. Mina hielt sich gerade so auf den Beinen, ihre Arme hatte man über ihrem Kopf mit einer kurzen Kette nah an der Wand gefesselt. Mehr schlecht als recht hielt Mina sich aufrecht. So musste sie nun den hohen Besuch erwarten, wer auch immer es sein mochte.

Dass die Rettungsaktion für Arngrims Geliebte so umfangreich ausfallen würde, hatte nicht einmal Elena gedacht, doch es war nicht einfach gewesen, die richtigen Leute zu finden und zu schmieren. Und als sie alle wichtigen Informationen gehabt hatten, war es für die Elster erst einmal an der Zeit gewesen, einen Plan auszuhecken. Vor wenigen Tagen hatten sie bereits das erste Mal mit Hauptmann Pernstein gesprochen, ein unglaublich trockener und strenger Mann, der sie mit harten Augen musterte. Da niemand wusste, wer der thorwalsche Komplize des Andergasters wirklich war, hatten sie Arngrims Identität gut ausschmücken können und nun war das reiche Jarlpaar auf der Suche nach diesem Übeltäter, einem ehemaligen Mitglied ihrer Familie höchstselbst, weshalb Jarl Beorn Ormson sich ganz persönlich und möglichst diskret um die Angelegenheit kümmern wollte. Solche Heimlichteuerei war doch nur typisch für die hohen Herren aller Lande, das wusste Elena allzu genau. Um dem Plan noch die Krone aufzusetzen, würden sie mit ihrer Entourage den Gefangenen höchstselbst als wichtigen Zeugen nach Nostria überführen. Wieso sollte an einem hohen Jarl auch misstrauen? Botenrouten hatte sie ebenfalls auskundschaften müssen, um die Nachrichten zwischen dem Hauptmann und Nostria zuverlässig abzufangen und durch ihre eigenen Fälschungen zu ersetzen, damit auch ja niemand Verdacht schöpfte. Solch ein Fälscher hatte auch erst einmal gefunden werden müssen, ihre Fluchtroute hatte gesichert werden müssen und Elena hatte ihr Lager umverlegt, damit Arngrim und Mina sicher waren, selbst, wenn ihr Plan nicht so aufgehen würde wie eigentlich geplant.
All das hatte Zeit und viel Geduld gefordert, eine Tugend, die gerade Arngrim kaum zu besitzen schien. Jedenfalls nicht, wenn es um Mina ging. In den fast zwei Wochen, die vergangen waren, seit sie sich kannten, war es ebenfalls eine der schwersten Aufgaben gewesen, den Thorwaler zu beruhigen und ihm immer wieder zu versichern, dass ihre Vorsicht ihnen später zugute kommen würde. Mit ihren kleinen Tricks hatten sie außerdem einiges an Geld und Proviant zusammengeklaubt und des weiteren die nötigen Kontakte aufgesucht, um die Reise der beiden durch Nostria etwas zu erleichtern, wenn sie endlich aufbrechen wollten. Nichtsdestotrotz war es schwierig, Arngrim auf seine Rolle zu fokussieren, als endlich der Tag gekommen war, an dem man ihnen ein Gespräch mit dem Gefangenen erlaubt hatte, auf Basis dessen dann die Entscheidung zustande kommen würde, Mina zur Überfahrt nach Nostria in ihre Hände zu geben. Mit stets wohlgefälligem Lächeln hatte Elena sich bei Arngrim eingehakt und sprach ihm stumm Mut zu. Immer wieder hatte sie ihm in den letzten Tagen versichert, dass mit Mina alles in Ordnung sein würde, immerhin würde man sie beide sonst nicht zu ihr vorlassen. Viele Worte der Aufmunterung waren gefallen, doch als sie nun die Treppen in den zugigen Kellertrakt hinuntergingen, wurde selbst Elena etwas mulmig zumute. Es war kalt und feucht hier unten und es kam kaum Licht hier hinunter. Die anderen Zellen hier waren wohl leer. Außer Arngrim waren noch der Hauptmann und ein thorwalscher Gefolgsmann bei ihnen, wobei sie ersteren für das Gespräch loszuwerden erhofften. Sie würden wohl noch einmal die Karte der Heimlichtuerei spielen und hoffen, dass ein wenig Dukaten ihn im Zweifelsfall überzeugen würden.
„Der Brief ist quasi schon geschrieben, Herr Hauptmann. Sollte dieser Gefangene wichtige Informationen über meinen abtrünnigen Verwandten haben, können wir ihn sicherlich innerhalb der nächsten Tage offiziell mit nach Nostria nehmen.“
Arngrim hatte den Text gut gelernt, aber Elena hörte trotzdem, wie seine Stimme vor Aufregung bebte. Es waren nur noch wenige Schritte bis zur Zelle und Elena drückte seinen Arm fester. Eine Wache, das Gesicht im Schatten ihrer Kapuze beinahe verborgen, stand vor der unscheinbaren Zelle. Die Elster musste selbst zugeben, dass sie nach all den Tagen auch neugierig war, wie Mina denn nun aussah. Beinahe im Dunkeln verborgen war nun die Gestalt eines schmalen Mannes zu erkennen, angekettet, den Kopf gen Boden gerichtet, aber die Stimme des Hauptmannes zwang ihn den Kopf zu heben. Das schmale, kantige Gesicht sah ausgehungert und schmerzverzerrt aus, wobei Elena zu mindestens in ihrem Gesicht keine Verletzungen erkennen konnte. Im Schatten meinte sie allerdings, einen bandagierten Oberkörper zu erspähen. Verwirrung huschte über das Gesicht und Elena merkte, wie sie die Augen leicht zusammenzog und Arngrim musterte. Erkannte sie ihn etwa nicht? Es dauerte eine Weile, bis sich die Augen der Magierin zu weiten schienen, doch auf einen mahnenden Blick Elenas hin blieb sie stumm, auch, wenn ihr Blick wie an Arngrim zu kleben schien.
„Herr Hauptmann, wäre es möglich, wenn wir allein mit dem Gefangenen reden?“


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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Mo Dez 02, 2019 7:30 pm

Die Tage vergingen schnell und wider Selmas Erwartung hatte man die beiden meistens in Ruhe gelassen. Der Hauptmann hatte wohl endlich das bekommen, was er wollte und ihre Kameraden hatten ebenfalls die Chance gehabt, ihre Wut und ihren Hass an der Wachfrau auszulassen. Sie war froh darüber, dass man sie nicht weiterhin belästigte, so konnte sie wenigstens in Ruhe sich um Minas Wunden kümmern, ihren Rücken so gut es ging verarzten. Doch ihre halbwegs vernünftigen Heilkünste hatten ihre Grenzen, schließlich war sie keine Ärztin, Geweihte oder gar magisch begabt und versuchte das, was sie gelernt und gesehen hatte, so gut es ging in ihre Handlungen zu übertragen und zu hoffen, dass es gut genug war. Dabei waren ihr die eigenen Wunden eigentlich ziemlich gleich, viel konnte ohnehin nicht gemacht werden und irgendwann dachte sie gar nicht mehr daran, dass ihr Gesicht schlimmer als sonst aussah und dunkle Blutergüsse unter der Kleidung ihren Körper zierten, schließlich musste den wenigstens kaum einer sehen.
So sehr ihre Einschränkungen und ihre fehlende Expertise sie auch frustrieren mochten, kleine Erfolge waren zu sehen und Mina schien- wenn auch sehr langsam- wieder zu Kräften zu kommen, was wahrscheinlich auch daran lag, dass man ihr regelmäßig Nahrung und Wasser brachte. Außerdem tat es gut, einander zu haben und sich gegenseitig so gut es ging aufzubauen. Die Dunkelhaarige hätte nicht gewusst, wie sie optimistisch und guter Dinge hätte sein können, wenn die Worte der Magierin nicht tagtäglich ihre Worte erreichten. Trotz eines schlechten Gewissens und den Bauchschmerzen, die zwischendurch aufstiegen, wenn die Behandlung offensichtlich schmerzhaft waren- auch, wenn die Andergasterin dies häufig zu kaschieren versuchte- fühlte es sich gut an, zu wissen, dass ihre Anwesenheit und ihre Bemühungen willkommen waren und Mina guttaten.

Die Ruhe hatte jedoch schon bald ein Ende genommen, als man ihnen die Nachricht zukommen ließ, dass sie schon bald eine wichtige Person besuchen würde und etwas von Mina wollte. Selma musste natürlich zeigen, dass hier alles nach rechten Dingen zuging und jeder Soldat und Wachmann sich stets bemühte, ordentlich und vernünftig auszusehen. Das hieß also auch, dass sie die Magierin für eine gewisse Zeit allein in der Zelle lassen musste, um die Uniform vernünftig gewaschen zu bekommen, wie auch selbst ein schnelles Bad zu nehmen. Es war das allererste Mal, dass sich jemand Wichtiges bei ihnen in diesem götterverlassenen Dorf ankündigte, sodass es niemanden wunderte, dass der Hauptmann alle umherscheuchte und hier und da etwas zu ausfallend wurde, wenn die Dinge nicht nach seiner Vorstellung gemacht wurden oder getrödelt wurde.
Selma konnte sich beinahe denken, wer hier aufkreuzen wurde und bei diesem Gedanken zog sich ihr Innerstes zusammen. Es waren bestimmt welche aus Nostria, die Mina mitnehmen würden. Offenbar war der Tag gekommen und es trieb ihr beinahe die Tränen in den Augen. War ihr diese junge Frau wirklich so wichtig geworden? Noch hatte sie mit ihr gehofft, dass ihr Partner sie befreien würde, wahrscheinlich hätte sie solch einen Abschied noch eher ertragen können, anstatt sie in Ketten in ihre nächste Kriegsgefangenschaft gehen zu sehen. Häufig hatte Mina sie gefragt und versucht zu überreden, einfach mit ihnen zu fliehen und irgendwo wollte es wirklich gerne, doch ein Teil von ihr sperrte sich immer noch davor und redete in ihr Gewissen, dass sie damit jedem ihrer Familie Unrecht tun würde.
Nun jedoch wusste sie nicht einmal, ob dieser Tag der Flucht je kommen würde.
Selma trug einen Umhang um ihre Uniform, hatte die Kapuze tief in ihr Gesicht gezogen, damit niemand sehen konnte wie zugerichtet sie aussah.
„Das wird bestimmt schnell gehen, es ist bestimmt gar kein so wichtiger Besuch…“, murmelte die Dunkelhaarige leise Mina entgegen, die nun angekettet an der Wand stand. „Ich werde dich danach schnell von den Ketten lösen, das ist doch-“ Selma verstummte augenblicklich, als die Tür zu den Kerkern aufschwang und sie Stimmen vernahm. Es war eine dunkle männliche Stimme, die wohl mit dem Hauptmann zu sprechen schien, während die ruhigen Schritte immer näher kamen und sie schon bald einen Blick auf die vier Gestalten werfen konnte. Hauptmann Pernstein war natürlich ein ihr bekanntes Gesicht, die anderen jedoch wirkten nicht wie hohes Militär aus Nostria.
Neugierig musterte sie alle drei- der gerade gesprochene Mann war ein ungemein hoch gewachsener Thorwaler, breiter, als jeder Mann, den sie hier gesehen hatte und an seiner Seite stand eine ebenfalls große, rothaarige Frau, wenn auch bei Weitem nicht so groß, wie ihr Begleiter. Sie wirkten reich, edel und Selma verstand nicht ganz, was sie von Mina wollten.

Arngrim hatte gedacht, dass der Tag nie kommen würde. Es war beinahe zum verrückt werden, dass ihr Plan so lange dauerte und sie sich so viele Gedanken um so ziemlich jede Kleinigkeit machen mussten. War es nicht vielleicht doch besser gewesen, einfach einzubrechen und Mina rauszuholen? Häufig fragte er sich das im Stillen, doch Elenas Plan war eigentlich sehr gut und sicher, sicherer, als alles andere, was er jemals hätte auf die Beine stellen können.
Für alles wurde gesorgt und der Thorwaler war froh, dass er hier und da mithelfen und sich beteiligen konnte.
Dennoch wirkte es wir eine Ewigkeit, seit er Mina überhaupt gesehen hatte. Er vermisste ihre Nähe, ihr Gesicht, einfach alles und es war kaum noch auszuhalten, sich in Geduld zu wahren. Es tat ihm häufig genug Leid, dass er seinen neu gewonnenen Freunden wahrscheinlich mehr auf die Nerven ging, als es nötig war und das schlechte Gewissen plagte ihn häufig genug in der Nacht, wenn er seine Augen nicht schließen konnte. Das Schlimmste an all dem war die Ungewissheit, wie es der Magierin eigentlich erging und wie man sie im Gefängnis eigentlich behandelte. Er fühlte sich so grauenvoll, dass sie all das alleine durchstehen musste und er nicht bei ihr war, dass es sein Herz regelrecht zum Zerreißen brachte.
Doch nach so vielen Tagen des Wartens und der Ungeduld, Nervosität und beinahe allen Gefühlen, die ein Lebewesen fühlen konnte, war es endlich so weit. Alles lief nach Plan und sie waren nun endlich bereit empfangen zu werden, sie konnten endlich Mina sehen und herausfinden, wie es ihr wirklich erging und wie schnell sie handeln mussten. Elena hatte bereits Worte der Warnung ausgesprochen, dass sie schlecht die Magierin am selben Tag herausholen mussten und dass es wahrscheinlich weitere zwei oder gar drei Tage dauern sollte, bis die Bürokratie und alle anderen Erledigungen fertig waren. Natürlich waren dies Neuigkeiten, die Arngrim nicht allzu glücklich machten, doch es gab ihm ein wenig Hoffnung, dass der Tag generell kommen würde.
Sie hatten natürlich thorwalischen Geleitschutz bei sich, als sie die Wache betraten und bereits vom Hauptmann selbst empfangen wurden. Viel mussten sie nicht um den heißen Brei herum reden und der Mann selbst schien schnell zur Sache kommen zu wollen, sodass man sie nicht einmal allzu lange auf die Folter spannte und bereits zum Gefangenen führte. Der Seemann hatte bei seinen Worten noch einmal versucht zu verdeutlichen, wie wichtig und unausweichlich diese ganze Sache war und bekam als Antwort ein stummes und anerkennendes Nicken.
Mit jeder Treppenstufe, die sie nahmen, stieß die Nervosität in seinem Inneren immer stärker an und Arngrim war froh, dass e am Arm der Elster etwas Halt finden konnte und dass sie ihm hierbei Beistand leistete. Er hatte versprochen ruhig zu bleiben und nicht aus der Rolle zu fahren und er wollte dieses Versprechen auf gar keinen Fall brechen. Das machte es jedoch nur umso schwieriger und er spürte, wie sein Körper beinahe zu Beben schien, als sie die letzten Stufen hinter sich ließen und nun endgültig vor der Zellentür standen, in der sich offenbar Mina aufzuhalten schien.
Der Hauptmann selbst drehte sich nun zu ihnen um und blickte sie ernst an. „Natürlich werde ich die Befehle keineswegs missachten. Der Gefangene wird in Nostria erwarten und unter Eurer Aufsicht wird er sicherlich auch rechtzeitig dort erscheinen…“, sein Kopf lehnte sich leicht nach vorne zu einem halben Nicken. Bei den Worten Elenas fixierten sich jedoch seine grauen Augen augenblicklich auf den Rotschopf, schien dabei über den Inhalt dieser Worte nachzudenken.
Arngrim versuchte in der Zwischenzeit nicht allzu auffällig zwischen die Gitter zu blicken, doch er musste einen Blick wagen, er musste mit seinen eigenen Augen sehen, wie Mina es erging und wie sie sich fühlte. Vorsichtig ließ er die grünen Augen zur Zelle schweifen und biss sich augenblicklich auf die Zunge beim Anblick seiner Geliebten. Mitgenommen sah sie aus, ausgehungert, schmutzig. Er konnte sogar so etwas wie Schmerz in ihrem Gesicht erblicken und spürte, wie mit einem Schlag sein Körper vor Schuld zu schmerzen begann. Was hatten sie Mina nur angetan? Welch Grauen musste sie hier ertragen?
Kurz trafen sich ihre Augen und der Thorwaler merkte, wie sie ihn langsam zu erkennen schien, die Augen starr auf sein Gesicht gerichtet. Wie gerne er ihr einen hoffnungsvollen Blick zu geworfen hätte! Seine Züge waren vielleicht für einen kurzen Moment weicher geworden, doch er nahm schnell die ernste Miene wieder auf und zwang sich nun erneut in die Richtung des Hauptmannes zu blicken.
„Ich traue dem Gefangenen nicht allzu sehr. Dieser Andergaster hat mir in den letzten Tagen nur gezeigt wie verabscheuungswürdig seinesgleichen doch sind. Ich kann nicht versprechen, dass Ihr bei einem Gespräch mehr herausbekommen werdet, wenn er überhaupt das Verlangen hat, Euch wichtige Informationen zu vermitteln. Ich habe meine Wege…“, er hielt einen Moment inne und blickte nun ebenfalls in die Zelle hinein, schief lächelnd. „Vielleicht kennen Thorwaler aber gute Methoden. Ich lasse Euch mit ihm reden, die ihm zugestellte Wache bleibt jedoch hier, sie kann Euch auch später hinausgeleiten. Ich warte in meinem Büro.“, er machte eine leichte Verbeugung und ging langsam an Arngrim vorbei die Treppen hinauf, bis das laute Schließen der Tür signalisierte, dass er weg war. Doch noch konnten sie nicht aufatmen, schließlich stand immer noch eine Wache unmittelbar neben ihnen und schien sie stumm anzustarren. Ob sie argwöhnisch ihnen gegenüber war oder nicht, konnte man nicht sagen, machte die Kapuze es doch schwer, ihr Gesicht zu erahnen.
Der Blondschopf räusperte sich leicht. „Nun denn…wie sollen wir mit ihm reden, wenn er so weit hinten in Ketten ist? So kann ich ihn ja nicht einmal richtig sehen!“, wenigstens war es nicht schwierig mieslaunig und zerknirscht zu sein, schließlich gefiel ihm dieser Anblick seiner Geliebten ganz und gar nicht und das nächst beste, was er gegen seine Gefühle tun konnte, war es sich viel zu beschweren. „Du da, du bist seine Wache, bring ihn etwas näher an die Gitterstäbe, ich hab was zu besprechen mit ihm!“

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Mo Dez 02, 2019 11:47 pm

Mina wusste nicht, was sie erwartet hatte bei dem hohen Besuch, aber bei dem Anblick des Thorwalers hätten ihre Knie fast nachgegeben. Sicherlich, es dauerte eine Weile, bis sie ihn unter der Verkleidung erkannte, aber nun wusch Fassungslosigkeit über sie herein. Es war wohl gut, dass sie die Schatten des Kerkers verbargen, denn es war ihr nicht möglich, ihren Gesichtsausdruck großartig unter Kontrolle zu halten. Die Tränen, die in ihren Augenwinkeln aufstiegen, verklärten ihre Sicht und sie biss sich heftig auf die Unterlippe, um nicht schluchzen zu müssen. Vielleicht hätte man diesen Ausfall aber auch ihrem allgemeinen Zustand zugeordnet und sich nichts dabei gedacht. Wer sollte hinter dem Thorwaler schon etwas vermuten? Mina fiel es schwer, der ganzen Situation einen Sinn abzuringen. Wieso war Arngrim so verkleidet? Und wieso hatte er so eine wunderschöne Frau bei sich? In jeder anderen Situation hätte Mina dieser Umstand vermutlich in Verlegenheit gebracht, hätte sie neugierig und vermutlich ein wenig verunsichert und eifersüchtig gemacht. Doch im Moment konnte ihr angeschlagener Kopf nicht einmal eins und eins zusammenzählen. Nichts wollte sie mehr, als endlich wieder in den Armen des Größeren zu sein, ihn zu berühren und nicht in ständiger Angst zu leben. Die glücklichen Tage zwischen ihnen schienen so lang her zu sein, dass sie sich wie ein schöner, aber unwirklicher Traum anfühlten.
Solange Pernstein noch hier war, konnte Mina allerdings kein Wort verlieren. Seine Worte schnitten tief in ihr Fleisch und sie zuckte leicht zusammen, hielt den Blick gen Boden gerichtet. Ja, der Hauptmann hatte wahrlich seine Methoden gehabt, um sie zum Reden zu bringen. Über Minas Wangen kullerten langsam die Tränen. Die Kräuter, die man ihr gegen die Schmerzen gegeben hatte, hatten bereits vor einiger Zeit an Wirkung verloren und so lange hatte Mina seit ihrer Bestrafung nicht mehr am Stück stehen müssen. Es war erschreckend, wie sehr sie die ganze Tortur mitgenommen hatte und sie konnte nur hoffen, dass sie sich ohne große Nachwirkungen davon erholen würde.
Vor Nervosität hatte sich Minas Magen fast verknotet, als sie hörte, dass der Hauptmann den Kerker verlassen und sie mit Selma und Arngrim allein lassen wollte. Sollte er wirklich gehen, mussten sie diese Scharade nicht mehr aufrechterhalten, dann konnte sie vielleicht sogar mit Arngrim reden! Sie konnte sehen, dass Selma nicht wohl bei der ganzen Angelegenheit war, immerhin wusste sie ja nicht, wen sie hier wirklich vor sich hatte, aber sie wollte wohl auch nicht die Anweisungen eines Jarls missachten.
„Wir wollen wirklich nur reden. Ohne…Wege.“
Die Stimme der Frau war sanft und nachdem Mina so viel Zeit in Thorwal verbracht hatte, war sie sich recht sicher, dass sie keine echte Thorwalerin war, auch, wenn ihre flammend roten Haare und ihre Größe einen Laien darüber hinwegtäuschen konnten. Gerne hätte die Magierin etwas gesagt, um die Situation aufzuklären, als sie endlich unter sich waren, aber keine Worte wollten ihre Kehle verlassen. Als Selma an sie herantrat, um ihre Fesseln zu lösen, verließ Mina kurz die Kraft und Selma musste sie stützen, damit sie nicht zu Boden ging, als die Eisen sie nicht mehr auf den Beinen hielten. Selbst die wenigen Schritte bis an die Gitterstäbe waren mit Schmerzen verbunden und Mina klammerte sich fest an die Stäbe, als sie angekommen war. Die Magierin hätte irgendetwas sagen sollen, um die Situation für alle aufzulösen, immerhin war sie die einzige, die wusste, wer in diesem Raum ihre Freunde waren und wer nicht, aber sie konnte nicht. Starr war ihr Blick auf Arngrim gerichtet, der vollkommen anders aussah als beim letzten Mal, wo sie ihn gesehen hatte. Keine Augen hatte Mina für Elena, die eindringlich von Arngrim zu Mina starrte, als wollte sie sie beide ermahnen, sich nicht zu verraten. Aber sie waren einander doch so nah….
„Arngrim…“
Ihre Stimme war leise, fast, als hätte sie vergessen, wie man diesen Namen aussprach und obwohl sie nur ein Wort gesprochen hatte, klang es, als müsste sie mehrfach Luft holen, als würde es sie alle Kraft kosten.
„Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen!“, brach es mit einem Schluchzen aus ihr heraus. Ihre Hände langten nach seiner Kleidung. Er war solch ein Baum von einem Mann, dass es immer schwierig war, ihn ganz zu umfassen, doch die Gitterstäbe hatten größere Abstände, sodass es Mina nicht schwer fiel, wenigstens ihre Arme um ihn zu legen und ihr Gesicht gegen seine Brust zu pressen. Sie wollte ihn nie wieder loslassen, seine Nähe, sein Geruch, seine Stimme, all das fühlte sich so vertraut an. Als wäre sie nicht in diesem schrecklichen Kerker, sondern Zuhause. Und zuhause war Arngrim. Ihr Körper hatte sich verkrampft, die Schluchzer, die sie schüttelten, bereiteten ihr Schmerzen, aber sie war nicht bereit, diesen Moment durch irgendetwas zerstören zu lassen.
„Bitte hol mich hier raus, Arngrim, ich will mit euch verschwinden und Selma müssen wir auch mitnehmen. Ich will von hier fort.“
Mina wusste selbst, wie verzweifelt und kindisch sie sich anhören musste, wie sie so an der Brust des Hünen klebte, aber es war ihr egal, sie wollte doch einfach nur nicht mehr in Gefangenschaft sitzen.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Di Dez 03, 2019 7:56 pm

Mit zusammengezogenen Augenbrauen beobachtete Arngrim die Wachfrau, wie sie langsam das Gitter aufschloss und Mina von ihren Fesseln befreite. Er konnte sehen, wie die Frau zögerte und wusste nicht, ob es ihr Argwohn ihm und Elena gegenüber war, oder sie schlichtweg keinen Kontakt zur Magierin haben wollte. Schließlich wusste er ganz genau, wie sehr sie sich einander verabscheuten und dass sie nur durch diese hasserfüllte Beziehung zwischen beiden Orten hier gelandet war. Doch kaum war Mina beinahe in sich zusammengefallen, stützte Selma die junge Frau so schnell sie nur konnte, legte ganz umsichtig einen Arm um ihre Hüfte, als würde ihr wirklich etwas an der Person liegen.
Allzu lange dachte er jedoch nicht über die fremde Person nach, denn kaum war die Dunkelhaarige näher an das Fackellicht getreten, konnte der Thorwaler spüren, wie er den Atem anhielt und sich seine Augen weiteten. Er hatte dieses Gesicht schon so lange nicht mehr gesehen, es wirkte beinahe wie ein unendlich langer Lebensabschnitt, in welchem sie getrennt voneinander waren. Vermisst hatte er sie, jede einzelne Faser ihres Körpers, ihre Stimme, einfach alles. Jedoch kam Arngrim nicht hinweg zu erkennen, wie eingefallen ihre Wangen wirkten, das Haar ungewaschen noch ein bisschen länger auf ihrer Stirn klebte und ihr Körper vor Schmerz sich gar nicht mehr richtig halten konnte. Es war ein Anblick, den er niemals sehen wollte, nicht an einer Person, die er so innig liebte. Nach ihren grauenvollen Tagen bei den Kopfgeldjägern und den widerlichen Dingen, die der Magierin dort widerfahren waren, hatte er gehofft, dass die Tortur ein Ende genommen hatte, doch etwas auf Dere hatte dieser Hoffnung ein Riegel vorgesetzt und nun hatte sie so viel Leid und Schmerz alleine ertragen müssen, dass es jedem das Herz brechen würde, sie in diesem Zustand zu sehen und zu wissen, dass man nichts dagegen tun konnte, dass man ihren Schmerz nicht auf sich nehmen konnte.
Arngrim hatte Schwierigkeiten, ruhig zu bleiben und ballte seine Hände zu Fäusten, ermahnte sich in seinem Inneren auf gar keinen Fall aus der Rolle zu fallen, doch die Stimme seiner Geliebten, so schwach sie auch sein mochte, wie sie seinen Namen aussprach, erweichte augenblicklich seine Züge und er trat näher an die Gitter heran, die das Paar voneinander trennte. Was machte er sich denn auch vor? Konnte man es ihm wirklich verübeln? Für einen kurzen Moment vergaß er sowohl Elena als auch die Wache, welche nun ihren Kopf schief legte und ihren Blick zum Rotschopf wandern ließ, beinahe so, als ob sie nicht verstand, welch eine Rolle sie eigentlich spielte.
„Mina…“, seine Worte waren ein atemloses Flüstern und er spürte, wie sich seine Augen langsam mit Tränen füllten, die er versuchte zu unterdrücken. Ihre Arme auf seinem Körper zu spüren, das Gesicht an der Brust, erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr sie ihm gefehlt hatte und wie gerne hätte er ihre Umarmung doch erwidert, doch die Sorge, dass seine Arme in den Gittern feststecken würden, ließ ihn zögern.
„Oh Mina, ich wünschte, ich hätte dich viel eher befreien können…du bist schon bald hier raus!“, er wagte es, sich etwas von ihrem Griff zu lösen und stattdessen ihr Kinn zu umfassen, um ihr Gesicht besser erkennen zu können. Zwischen all den Tränen und dem Dreck war sie immer noch die schöne Frau, die er je kennengelernt hatte und schon bald würde sie freikommen.
„Ich kann doch gar nicht ohne dich, hast du das schon vergessen?“, seine Lippen formten ein sanftes Lächeln, während sich einige Tränen auf seinen Wangen verloren. Er konnte nicht anders, als wenigstens kurz ihre Lippen zu berühren, jetzt war die Katze ohnehin aus dem Sack und ihm wurde schlagartig bewusst, dass eine Wache immer noch anwesend war. Hastig drehte er sich zu der Frau herum, welche mittlerweile ihre Kapuze abgesetzt hatte. War das die Selma, von der Mina gesprochen hatte?
Selma hatte die kurze Panik und den Zorn in den Augen beider Gestalten erkannt und schüttelte langsam den Kopf, als die Blicke auf sie gerichtet waren.
Nun wusste sie immerhin, wer dieser Arngrim war und was es mit dem „hohen“ Besuch auf sich hatte. Eine Scharade, nichts weiter. Wahrscheinlich war die unbekannte Frau diejenige, die dem Thorwaler bei dem Ausbruch helfen wollte. „Bitte..macht euch keine Sorgen um mich, ich bin eine Freundin, Minas Freundin….ich…ich kenne ihr Geheimnis und ich kenne…Euch?“, sie deutete schüchtern auf den großen Mann. „Um mich müsst ihr euch keine Gedanken machen, weder jetzt noch bei eurem Fluchtplan. Seht nur zu, dass Mina hier wegkommt und vernünftig verheilen kann…ihr Rücken und das Essen ist nicht das Beste, was man bei uns bekommt. Wenn ich helfen kann…“, sie ließ ihren Blick zur Andergasterin schweifen, lächelte dabei. „…helfe ich liebend gerne.“

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Do Dez 05, 2019 7:08 pm

Wie sehr wünschte jede Faser in Mina sich, dass Arngrim sie in eine Umarmung schloss und endlich wieder alles beim Alten war. Doch seine breiten Arme wären vermutlich zwischen den Gitterstäben steckengeblieben und so ließ er es bleiben. Dass Arngrim einmal der Vernünftige von ihnen sein würde, hätte Mina auch kaum für möglich gehalten. Mit einem Schniefen presste sie sich enger an ihn und hoffte, dass dieser Moment niemals vergehen würde. Die Magierin sah nicht einmal, dass dem Thorwaler ebenfalls dicke Tränen über das Gesicht kullerten, doch das war vermutlich auch besser so, sonst wäre sie nur noch aufgebrachter gewesen. Alles in ihr sträubte sich, sich von ihm zu lösen, selbst, als der Seefahrer ihre Umarmung eigenständig beendete, um sie sacht zu küssen. Die Berührung ließ ihre Beine zu Brei werden, egal, wie kurz sie war und sie hielt sich beinahe etwas verzweifelt an Arngrim fest, um nicht umzufallen. Ja, sie hatte ihn vermisst, aber jetzt, da sie ihn endlich wiedergesehen hatte, fühlte sich ihre Sehnsucht nach ihm noch stärker an.
„Wieso siehst du so anders aus?“, fragte sie schließlich schniefend und strich vorsichtig über seinen Bart und seine Schläfen.
„Teil deines Plans?“
Der alte Arngrim gefiel Mina besser, was sie allerdings für sich behielt. Wenn es Teil des Fluchtplans war, war es wohl egal, wie er gerade aussah. Ungewohnt war es trotzdem. Eigentlich wäre jetzt wohl der Moment gewesen, indem sie die Verwirrung über ihre Wache hätte auflösen sollen, doch sie hatte nur Augen für Arngrim, wollte nicht von seiner Seite weichen und brauchte sowieso gerade eine Stütze. Allerdings schien Selma durchaus fähig, sich selbst vorzustellen. Ein warmer Schauer lief bei ihren Worten über Minas Rücken und sie löste sich so gut es ging von Arngrim, um der Nostrianerin in die Augen blicken zu können.
„Ohne Selma wäre ich jetzt nicht hier. Sie hat sich für mich eingesetzt und ihre „Kameraden“ haben sie dafür so zugerichtet. Sie ist meine Freundin und ich bestehe darauf, dass wie sie mitnehmen.“
Ein strenger Blick der Magierin traf Selma, doch schnell kroch ein flehentlicher Ausdruck hinein.
„Selma ist die mitfühlendste Person, die ich je kennengelernt habe und wenn sie sich nicht ständig um meine Wunden gekümmert hätte, wäre ich nicht hier. Wir begleiten dich zu einem Perainetempel“, fuhr Mina bestimmt fort.
„Das geht doch, oder nicht?“
Mit dieser Frage drehte sie sich zum ersten Mal bewusst zu der anderen Frau um. Sie war bildhübsch und das nicht nur, weil Selma und Mina neben ihr gerade eh keine gute Figur abgaben. Ihre grünen Augen musterten Selma eindringlich, dann stieß sie einen Laut der Zustimmung aus.
„Ich bin mir sicher, dass es ein Leichtes sein sollte, Selma als Eskorte nach Nostria zu verlangen.“
Ihre angespannte Haltung fiel nur langsam von ihr ab, doch Selma musterte sie weiterhin innig.
„Eine Geweihte möchtest du werden? Hier solltest du auf jeden Fall nicht bleiben, was für Schweinehunde richten denn ihre eigene Kameradin so zu? Weißt du, in meiner Gruppe ist auch immer ein Platz frei“, entgegnete sie schelmisch grinsend, allerdings nicht ohne einen Hauch von Mitgefühl im sommersprossigen Gesicht.
„Für einen Moment war ich besorgt, dass an dieser Stelle unser ganzer Plan zusammenbricht, Arngrim!“
Tadelnd trat sie an den Thorwaler heran und knuffte ihn mit dem Ellbogen in die Seite.
„Zwei Tage müsst ihr noch aushalten, dann hat es der Brief aus Nostria glaubhaft hierher geschafft. Haltet noch so lange durch, ja?“
Ihre Stimme war zum Ende hin leiser geworden, sanfter. Ein wenig hatte sich Minas Magen schon verknotet bei der Aussicht auf mehr Zeit in diesem Kerker, aber seit ihren Peitschenhieben ließ man sie hier sowieso so sehr in Frieden, dass es wohl auszuhalten war. Viel konnte Mina außer liegen und schlafen und sich auskurieren sowieso nicht tun.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Mo Dez 09, 2019 8:02 pm

So gut und detailliert wie möglich hatte Arngrim versucht sowohl Mina als auch der Wachfrau ihren Plan zu erklären und wie viel Zeit sie in diesen investiert hatten. Zwar wusste er, dass die Magierin keine Zweifel daran hatte, dass er hart an ihrem Ausbruch arbeitete, und trotzdem wollte er zu verstehen geben, wie viel sie im Voraus planen mussten, ehe sie sich wiedersehen konnten. Ohne Elena und ihrer Bande wäre es niemals dazu gekommen und es bestünde nicht einmal die kleinste Chance, Mina problemlos herauszuholen, wenn sie nicht alle wären. Dass ausgerechnet nun auch noch eine Person aus den eigenen nostrischen Reihen sich dazu bereit erklärt hatte, sie zu unterstützen, war wohl für alle eine durchaus angenehme Überraschung.
Der Thorwaler hatte keine Zeit sich allzu lange mit der jungen Frau zu beschäftigen, oder gar herauszufinden, was für eine Person sie war, doch ihr schien viel an Mina zu liegen, was ebenfalls eine Überraschung war, doch er wollte ihr vertrauen und hoffte, dass sie nicht in den nächsten zwei Tagen plötzlich aufflogen, weil Selma sie verraten hatte.
Es tat beinahe körperlich weh, die Dunkelhaarige wieder zu verlassen und dem Kerker den Rücken zuzukehren, am liebsten wäre Arngrim dort geblieben und hätte Mina nicht mehr losgelassen, doch je länger sie brauchten, desto auffälliger könnte es werden, schließlich sollte dies nur eine Art kleines Verhör sein.
Einen letzten, innigen Kuss hatte er der Magierin auf die Lippen gedrückt und ihr versichert, dass die zwei Tage im Flug vorübergehen würden, ehe sie endlich frei kam, dann mussten sie schon die Treppen hinauf stampfen und sich beim Hauptmann ein letztes Mal melden. Bis jetzt schien die Scharade beinahe zu gut zu laufen. Niemand hatte ihnen misstraut und Hauptmann Pernstein selbst schien sogar besserer Laune zu sein, nun, wo er wusste, dass die Ermittlungen mit dem Andergaster endlich vorangingen und er ihn aus seiner Zelle haben konnte. Wahrscheinlich glaubte er, dass er schon bald selbst eine höhere Position bekommen würde, für all die Arbeit, die er hier geleistet hatte, doch die Enttäuschung würde schon bald kommen. Bis dahin waren sie hoffentlich über alle Berge.

Unsicherheit und Aufregung hatten sich mittlerweile in Selma breitgemacht. Dass sie einfach so mit den Leuten mitkommen würde, hatte sie durchaus nicht in ihre Planung eingerechnet und wusste auch nicht, ob es wirklich eine gute Idee war. Auf der anderen Seite hatte sie nichts und niemand hier gehalten und vielleicht würde diese Bande, die zu der hübschen Rothaarigen gehörte, ihr auch guttun. Gute Menschen schienen sie allemal zu sein und auch, wenn sie anfangs etwas verlegen wegschauen musste, wenn Mina und ihr Partner so liebevoll zueinander waren, war sie froh, dass der Thorwaler es geschafft hatte, sie vernünftig freibekommen zu können. Die Wachfrau konnte ein bisschen verstehen, wie man Gefallen an dem jungen Mann haben konnte, doch ihre Gedanken kreisten eigentlich eher um etwas ganz anderes. Nämlich um die nächsten zwei Tage.
Man hatte beide zum Glück in Ruhe gelassen und sie weiterhin mit der nötigen Medizin versorgt, mit welcher Selma die Magierin heilen konnte. Langsam schlossen sich die Wunden, begannen zu verheilen aber leider auch zu vernarben. Es würde wohl noch seine Zeit brauchen, bis sie endgültig geheilt waren und Mina sich vielleicht sogar wieder umarmen lassen könnte. So sollten aufmunternde und sanfte Worte und eine liebevolle Berührung an der Schulter ausreichen.
„Ich weiß nicht, Mina…denkst du ich gehöre wirklich in einen Tempel hinein? Peraine sieht es bestimmt nicht gern, dass ich ein Schwert schwinge…“, Unsicherheiten hatten sie hier und da geplagt und mehrmals ließ sich die Dunkelhaarige das Szenario durch den Kopf gehen, wo sie ein zufriedenes Leben irgendwo anders führen konnte. Vermissen würde sie diesen Ort nicht, keineswegs. Doch würde sie wo anders wirklich glücklicher werden?
„Denkst du, ich finde Freunde?“, ihre großen Augen blickten die Andergasterin fragend an. Sie würde wohl nicht stets an ihrer Seite bleiben, so viel stand fest. Wahrscheinlich hätte sie im schlimmsten Falle wirklich bei Elena bleiben können, sie schien sehr offenherzig zu sein. Eines stand zumindest fest- sich den Kopf darüber zu machen half ihr absolut nicht und stattdessen schenkte sie lieber der Gefangenen ihre vollste Aufmerksamkeit und wartete geduldig auf die Nachricht, die sie schon bald erreichen sollte.

Angrim hatte recht behalten, dass die Tage schneller vergingen, denn genau nach zwei Tagen hatte man am frühen Morgen die Wachfrau zum Hauptmann befohlen, welcher ihr knapp erklärte, dass sie den Andergaster mit dem Jarlpaar nach Nostria begleiten sollte und etwas Zeit hatte, alles Wichtige einzupacken für die Reise, ehe es am selben Tag losging. Selma hatte fast erwartet, dass im selben Atemzug der Hauptmann klarstellte, dass ihm bewusst war, um welch einen Betrug es sich hierbei handelte, doch stattdessen schickte er sie wieder weg und sie hatte die Chance gehabt, die Wache für einen kurze Augenblick zu verlassen.
In der Hoffnung, dass niemand Mina in der Zwischenzeit Unrecht tun würde, war sie regelrecht zu ihrem kleinen Häuschen gesprintet, sammelte alles ein, was sie besaß und stopfte ihr erspartes Gold in ihren Wams. Ihre Katze konnte sie keineswegs hierlassen, sie hatte sich häufig in der Nähe herumgetrieben und nach einigen Kratzern und protestierenden Lauten, schaffte sie es, den Vierbeiner in einen geflochtenen Korb zu befördern, den sie vorsichtig schloss, damit sie nicht rausspringen konnte. „Es ist ja nur für eine kurze Zeit, bitte sei mir nicht böse!“
Es fiel der jungen Frau schwer, breit zu lächeln, als sie eine Viertelstunde später mit Rucksack und Korb die Treppen zum Kerker hinunterlief, zum letzten Mal.
„Mina…wir werden gleich abgeholt!“, sie streckte ihren Kopf zwischen den Gitterstäben und lächelte die Magierin breit an.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 15 Icon_minitime1Di Dez 10, 2019 7:28 pm

Es war so unglaublich schwer, Arngrim gehen zu lassen. Mina wollte nicht, dass er wieder verschwand und sie ihn tagelang nicht wiedersah. Seine Versicherungen, selbst sein noch so ausgeklügelter Plan, konnten seine Nähe nicht ersetzen. Wo sie ohne Selma jetzt wäre, das wollte Mina sich nicht einmal vorstellen. Allein die Wachfrau war es, die sie mit ihrer aufgeregten Vorfreude bei Laune hielt, während Tag und Nacht von starken Schmerzen geprägt waren. Verheilten die Wunden auch langsam, jede Bewegung war schmerzhaft und die Mittelchen, die man ihnen gab, waren nun mal nicht die magische Sofortlösung, die Mina normalerweise gewohnt war. Die feinen Narben, die sich zu bilden begannen, würde sie nicht einmal mehr mit einem Balsam beseitigen können, dafür war es in ein paar Tagen einfach zu spät. Einzig der Gedanke, dass sie selbst ihren Rücken nie zu Gesicht bekam, munterte sie in dieser Hinsicht ein wenig auf.
Zu mindestens schien Selma sich nun entschlossen zu haben, sie zu begleiten, eine Entscheidung, die Mina nachts wenigstens ein bisschen besser schlafen ließ. Niemals hätte sie es mit sich verantworten können, Selma hier zurückzulassen. Ehre hin oder her, wer so von seinen Kameraden behandelt wurde, verdiente etwas Besseres. Selma verdiente etwas Besseres. Unermüdlich sprach Mina ihr gut zu, bestärkte sie immer wieder in ihrem Vorhaben.
„Wenn ein Tempel nichts für dich ist, kann du bestimmt auch anders Leuten helfen! Wer weiß, vielleicht ist es auch besser, wenn du gar kein Schwert mehr schwingst“, stichelte Mina mit einem leichten Grinsen.
„Du hast mich gefunden. Und die Leute dort in der großen Welt können nur besser sein, als die Ratten, die sich hier in der Garnison herumtreiben.“
Mina stieß ein verärgertes Schnaufen aus. Am besten wäre es, wenn sie die drei Wachmänner nie wieder zu Gesicht bekommen musste. Mittlerweile schienen sie wenigstens jegliches Interesse an Selma und ihr verloren zu haben.
Etwas unwohl wurde die Magierin am Morgen des dritten Tages, als Selma sie in aller Frühe für eine Stunden verlassen musste. Ihre Sachen packen, sagte sie, und Mina versuchte, in der Kälte des Kerkers noch ein wenig Ruhe zu finden, doch ihr Schlaf war leicht. Dabei konnte sie wirklich jedes bisschen Ruhe gebrauchen. Erleichtert richtete sie sich auf, als sie Selma näherkommen sah.
„I-Ist es wirklich endlich so weit?“
Die Magierin konnte es schon fast nicht glauben.
„Selma, ohne dich wäre ich nicht mehr lebend hier weggekommen. Kannst du es glauben? Ich kann dir doch noch meine Magie zeigen!“
Es würde schwierig werden, sich vor Arngrim unauffällig und teilnahmslos zu verhalten, aber Mina würde es schon gelingen. Lügen war sie immerhin gewohnt. Während Selma noch ihren Kopf aus den Gitterstäben entfernte, wurden oben Schritte laut. Die Stimme Pernsteins war darunter, aber auch Arngrims vertrauter Bass. Ihr Herz musste gleich aus ihrer Brust springen vor Nervosität. Wenn wirklich alles so lief, wie es geplant war, war sie in wenigen Stunden endlich frei und in Sicherheit und Selma gleich mit ihr! Die Geräusche näherten sich und nun war es eine Hand voll Männer, die in dem engen Gang vor ihr standen. Das musste wohl Arngrims Entourage sein. Bewusst hielt Mina den Blick gen Boden, um sich nicht zu auffällig drein zu schauen.
„Liekenstek, leg dem Gefangenen vernünftige Fesseln an, wir wollen nicht, dass er auf der Reise genauso aufmüpfig ist wie hier. Wobei…“
Mina hörte das Klirren von Ketten, die Selma übergeben wurden und hielt den Kopf weiterhin gesenkt.
„Seit seiner Auspeitschung ist er doch eigentlich ganz umgänglich, nicht wahr?“
Dieses Mal musste die Magierin nicht aufblicken, das breite Lächeln trug Pernstein förmlich in der Stimme.
„Sollten Sie also Probleme mit ihm haben, nach meiner Erfahrung hilft da nur Gewalt. Aber hoffen wir mal, dass Eure Reise kurz und ereignislos verläuft, Euer Ehren. Immerhin habe ich Euch eine meiner fähigsten Soldatinnen zugeteilt, es besteht also kein Grund zur Sorge.“

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