Danger Danger
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High Voltage
 
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 Eichenherz

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Mrs Lovett
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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Do Jan 31, 2019 1:19 am

Arngrim hätte zu gerne gesehen, wie dieser junge Mann einen Berg wie ihn hochheben und dann tragen konnte, es wäre wahrscheinlich witziger und beeindruckender Anblick gewesen! Doch dazu waren sie nicht mehr gekommen, nicht in diesem Zustand und auch nicht in der momentanen Situation, in der sich die beiden befanden.
Der Thorwaler hätte sich normalerweise wahrscheinlich darüber geärgert, dass er einfach so gefallen war und seine Worte mit diesem Fall zunichte gemacht hatte, doch in diesem Moment erschien es ihm einfach zu amüsant, dass er gar keinen negativen Gedanken erst formen konnte. Das Bier war ihnen eindeutig zu stark zu Kopfe gestiegen!
Er wischte sich eine Lachtränen aus dem Augenwinkel, wollte noch etwas dem Kleineren mitteilen, als dieser plötzlich das Wort erhob und binnen weniger Augenblicke auf seine Brust sank und einschlief. Wie war das möglich von jetzt auf gleich in solch einen tiefen Schlaf zu verfallen?
Fragend schielten sein grünen Augen auf die schlummernde Gestalt, die es sich auf seinem Körper bequem gemacht hatte. War das sein Ernst?
„Hey, Wendolyn? Du tust doch nur so, oder? Drückst du dich davor, mich zu tragen, was?...Wendolyn?“, er rüttelte ein wenig am schmaleren Körper, doch nichts konnte ihn mehr wecken. Tja, das hieß wohl, dass er durchaus gewonnen hatte! Doch zu welchem Preis?
Ein wenig traurig hatte es ihn doch gestimmt, dass der Magier weggepennt war, sie hatten doch so viel Spaß gehabt und nun nahm dieser Spaß ein solches abruptes Ende! Andererseits hatte es irgendwie ein wohliges Gefühl den Anderen hier auf dem Boden auf sich liegen zu haben, zu spüren wie sich seine Brust immer wieder hob und senkte und welch angenehme Wärme er doch ausstrahlte. „Thorwaler scheinen eben doch mehr zu vertragen, als irgendein anderes Volk…“, er lachte leise in sich hinein, beobachtete die Schnarchnase auf ihm noch in bisschen, ehe er mit einem leisen Seufzer es irgendwie schaffte, sich zu erheben und Wendolyn gleich mit sich vom Boden zu ziehen. Der Gute sollte seinen Rausch nicht auf einem harten unbequemen Boden ausschlafen, der hatte doch schon die Nacht davor mieser denn je verbringen müssen!
Dieses Mal war Arngrim vorsichtiger, er wollte nicht erneut fallen und möglicherweise den anderen irgendwie unangenehm wecken, auch wenn seine Beine immer noch nicht standfester waren, als er es gerne gehabt hätte. Er brauchte ein wenig länger zur Kajüte, wo die meisten seiner Leute ihre Hängematten befestigt hatten und bereits zu schlummern schienen. Es war nur noch wenig Licht im Raum von einer fast abgebrannten Kerze, die irgendein Dummkopf nicht ausgemacht hatte.
Doch die Kerze sollte sein letztes Problem sein. Stirnrunzelnd musste Arngrim feststellen, dass seine Hängematte so ziemlich die Einzige war, die noch freistand und für Wendolyn kein weiterer Platz in Frage kam. Ach, verdammt! Sie wollten doch eigentlich noch Bettzeug für den Guten geholt haben! Wie konnte er das nur vergessen haben?
Ein wenig unbeholfen stand der Thorwaler vor seinem eigenen Schlafplatz, wusste nicht genau, was er jetzt eigentlich tun sollte und wohin er den Magier legen sollte. Würde er es ihm übel nehmen, wenn er ihn einfach in seine Matte legte? Aber wohin mit ihm?
Diese Fragen waren alle zu wirr für den alkoholisierten Kopf, er konnte ohnehin nicht klar einen Gedanken schöpfen und das Einzige, was ihm sinnvoll erschien, war einfach sich zu zweit in diese Matte zu legen. Sie war größer, da passte locker noch ein normaler Mensch mit rein und es war wohl besser hier die Nacht zu verbringen, als auf dem kalten, zugigen Boden!
Der Seemann zuckte lediglich mit den Schultern, ehe er versuchte sich irgendwie in diese Matte zu legen, während Wendolyn immer noch auf seinen Armen schlummerte.
Die Kerze war bereits ausgebrannt, als er es irgendwie geschafft hatte, sich und seinen Begleiter so in die Matte zu platzieren, dass sie einigermaßen nebeneinander liegen konnten und zog ihnen hastig die Decke über ihre Körper. Er bekam Sorge, dass er ihn in der Nacht mit seinem Ellbogen oder seinen Armen generell schlagen würden, die er etwas unangenehm an seinen Körper gepresst hatte, dass er irgendwann einfach sie um den schmaleren Körper schlang, damit beide eine bequemere Position zu schlafen hatten. Außerdem mochte er es ganz gerne mit anderen zu Kuscheln und Wendolyn hatte in dieser Situation wohl leider keine andere Wahl gehabt, auch wenn es wahrscheinlich irgendwann in der Nacht so oder so passiert wäre.
Mit einem lauten Gähnen verabschiedete sich auch der Seemann und schlief seelenruhig ein. Ein paar angenehme und teilweise ulkige Träume hatten sich hier und da eingeschlichen, ansonsten war es eine sehr angenehme, ruhige Nacht und das lag sicherlich nicht nur an dem Bier, das in seinem Körper war. Die Nähe und Wärme zum Magier hatte ihm einfach ein unfassbar wohliges Gefühl gegeben, dass er am nächsten Morgen nicht einmal die Augen öffnete, als der Andere langsam erwachte und sich in der Hängematte zu bewegen schien. Seine Arme lagen immer noch auf dem schmalen Körper, er war ein ruhiger Schläfer und änderte seine Position so gut wie nie, insbesondere, wenn diese besonders angenehm war.
So war es nicht abwegig, dass er, sobald sein Körper spürte, dass sich etwas an dieser angenehmen Position änderte, sich noch enger an Wendolyn schmieg und ihn näher zu sich zog. Er war noch nicht bereit aufzuwachen und so stieß er nur ein müdes Grummeln aus, ehe sich ein Lächeln auf die Lippen zauberte, so, als würde er etwas besonders angenehmes Träumen. „Geh noch nicht weg, ich mag das so…“, brummte seine schlaftrunkene Stimme und er döste einfach wieder weg, ohne zu merken, dass irgendwer irgendwas gesagt hatte.
Er wusste nicht genau, wie lange er noch weggetreten war, doch irgendwann schien sogar sein Körper genug Schlaf getankt zu haben, dass er langsam erwachte, ein zufriedenes Gähnen ausstieß und verträumt mit den Augen blinzelte, dabei Wendolyn anblickend, dessen Gesicht ein fröhliches Lächeln auf die markanten Züge des Thorwalers zaubernd. Er erinnerte sich glücklicherweise an alles, was letzte Nacht passiert war und er würde sich auch in den nächsten Monden noch daran erinnern, immerhin hatten sie eine wunderbare Zeit. „Morgen..“, murmelte seine Stimme verschlafen, noch nicht ganz die Körperhaltung und Anspannung des Anderen bemerkend. „Du bist gestern einfach eingeschlafen und ich wollte dich nicht auf dem Boden liegen lassen und….wir haben gestern vergessen deine Matte anzubringen.“, er lachte leise. „Aber in Notlagen muss man sich was ausdenken, nicht wahr?“, seine Lippen formten ein Grinsen, was jedoch beim Anblick des Dunkelhaarigen leicht bröckelte. Jetzt erst hatte er mitbekommen, dass irgendwas nicht zu stimmen schien. Und er glaubte auch zu wissen, was es war. Seine Arme ruhten immer noch auf seinem Körper, sodass er diese langsam wieder an seinen Körper heranzog. „Hey, Wendolyn, alles in Ordnung? Dir kommt nicht das Bier gerade hoch, oder?“, er runzelte besorgt seine Stirn. Nahm er es ihm übel, dass sie in seiner Matte zu zweit die Nacht verbringen mussten? Selbst, wenn kein beidseitiges Interesse bestand, konnte der Magier schlecht leugnen, dass seine Idee unpraktisch war. Und es geschah sehr häufig, dass man mit seinen Leuten auf engstem Raum schlafen musste!

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Do Jan 31, 2019 7:12 pm

Die Arme, die sie feste an den Leib des Hünen drückten, waren massiv wie Baumstämme, aber zu behaupten, dass Arngrim lieblos oder grob mit ihr umging wäre eine unfaire Unterstellung gewesen. Dennoch fühlte Mina sich beinahe schon wie ein Spielzeug in seinen Armen. Arngrim war einfach so…groß in mehr Hinsichten als nur körperlich, dass Mina sich beinahe etwas erstickt von ihm fühlte. Es war doch gestern nichts vorgefallen, an das sie sich nicht mehr erinnern konnte? Ihre Gedanken rasten panisch, ihre Erinnerungen endeten mehr oder weniger in dem Moment, in dem Arngrim mit ihr zu Boden gefallen war. Mehr war da nicht gewesen, oder? Der durchzechte Abend war natürlich nicht vollkommen an ihr vorbeigegangen. Leichte Kopfschmerzen plagten sie, aber sie war wohl noch jung genug, um nach einem solchen Abend nicht vollkommen in den Seilen zu hängen. Allzu gerne hätte sie einen Kater aber eingetauscht gegen die Situation, in der sie nun steckte. Arngrim hatte sie nur mit einem leisen Grummeln und ein paar verschlafenen Worten enger in seine Umarmung gezogen und kein Zappeln der Welt würde sie befreien. Außerdem wollte sie nach dem gestrigen Abend nicht direkt alles wieder kaputtmachen. Sie mochte Arngrim doch. Wieso musste er es ihr so schwer machen? Irgendwo war die Umarmung sogar angenehm, wenn das ganze unter anderen Bedingungen stattgefunden hätte. Ganz rot wurde Mina bei dem Gedanken. So nah hatte sie noch niemanden an sich herangelassen. Ihre Mitnovizen hatten zwar das ein oder andere Mal versucht, sie zu einem harmlosen Techtelmechtel anzustiften, immerhin waren die athletischen Zöglinge des Kampfseminars bei den Damen Andergasts nicht unbeliebt. Aber das alles war Mina viel zu riskant gewesen und auch, wenn sie vielleicht hin und wieder Schmetterlinge für jemanden im Bauch gehabt hatte, hatte sie sich immer zurückgehalten. Und nun rannte dieser Thorwaler einfach all ihre Mauern nieder und ließ sie verwirrt zurück, wo sie mit sich selbst überhaupt stand. Ein falscher Griff und Arngrim würde wohlmöglich etwas ertasten, was äußerst unerfreuliche Schlüsse zuließ. Aber wenn sie jetzt einen großen Aufruhr veranstaltete, machte sie es wohl nur noch schlimmer.
Also wartete sie angespannt darauf, dass der Blondschopf seine Hände vielleicht von selbst von ihr nahm, aber das Glück war ihr nicht vergönnt. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam erneut Leben in den Körper. Mina musste sich ein wenig verrenken, um Arngrim ins Gesicht blicken zu können, während er gähnend die Augen öffnete. Er nahm das alles mit so viel Gelassenheit, während Minas Herz bis zum Hals schlug.
„Guten Morgen, Arngrim“, presste sie mit einem etwas gezwungenen Lächeln hervor.
„Da hast du gut mitgedacht, aber ich würde jetzt ganz gern aufstehen.“
Ihre Hand klopfte versteift auf seinen Arm und Mina überschlug sich beinahe, als sie endlich aus der Hängematte fliehen konnte. Jetzt, da sie endlich frei war, machten sich die Strapazen der Nacht erst wirklich bemerkbar. Seit ihrer Gefangennahme hatte sie keine Nacht mal Zeit gehabt, die straffen Bandagen um ihren Brustkorb zu lösen. Mit einem dicken Waffenrock oder einem weiten Leinenhemd waren ihre Brüste quasi nicht zu sehen und sie hatte eine relativ gute Technik entwickelt, aber nach nunmehr über fünf Tagen wurden ihre Rippen gequetscht und gestaucht und die Nacht in der Hängematte hatte ihre Situation kaum verbessert. Sie stieß ein kurzes Jaulen aus ein hielt sich die Seite.
„Nein, keine Sorge, du hast den Wettbewerb gestern zwar gewonnen, aber ich bin noch nicht so verweichlicht, dass ich mich am nächsten Morgen kaum noch bewegen kann!“, versuchte Mina ihr Leid ein wenig zu überspielen und richtete sich gegen den Schmerz ankämpfend gerade auf.
„In Andergast sind die Leute etwas….distanzierter, nimm´s mir nicht übel, ich hab nur nicht damit gerechnet, heute neben einem anderen Mann aufzuwachen.“
Mina schenkte ihm ein nervöses Lächeln, die Arme vor der Brust verschränkt.
„Habt ihr eigentlich ein anderes Wams für mich?“, fragte sie beiläufig. Es war schwer, die ganze Situation angemessen herunter zu spielen, aber irgendwie musste sie weg von dieser zweisamen Nacht und all der Nähe und Verwirrung in ihrem Kopf. Und ein frisches Wams wäre tatsächlich langsam angebracht gewesen, auch, wenn Mina sich sorgte, wo sie sich unbemerkt umziehen sollte.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Do Jan 31, 2019 9:32 pm

Der Thorwaler beobachtete Wendolyn, wie dieser eher schlecht als recht aus der Hängematte krabbelte und musste sich ein Schmunzeln unterdrücken. Wenn man so ein „Bett“ nicht gewohnt war, dauerte es eine Weile, bis man herausgefunden hatte, wie man sich am besten hineinlegte wieder herauskam.
Jetzt, wo der Magier weg war, vermisste er die angenehme Wärme an seiner Seite und musste traurig feststellen, dass dies vielleicht die erste und letzte Nacht war, die sie eng umschlungen gemeinsam verbracht hatte. Oder es passierte noch was Besonderes und er konnte irgendwie herausbekommen, ob der junge Mann ansatzweise Interesse ihm gegenüber hegte. Aufgeben konnte er ohnehin noch nie so gut…
„Achja, ich hatte ja gewonnen! Das hab ich beinahe vergessen!“, lachte der Blondschopf und streckte sich noch einmal in der Matte, ehe er Wendolyns Beispiel folgte und sich ebenfalls erhob. Im Vergleich zum Anderen hatte er sich mit Leichtigkeit aus dem dicken Stoff winden können.
Sein Blick wanderte erneut zur kleineren Gestalt. Also, er konnte ja sagen, was er wollte, ganz so fit sah der Gute nicht aus. Arngrim zog seine Augenbrauen zusammen. „Das klingt aber sehr öde, wenn ihr so viel Distanz zwischen euch wahrt. Da muss meine Otta und besonders ich echt sehr aufdringlich für dich sein! Aber Spaß beiseite, ist wirklich alles in Ordnung? Nicht, dass ich dich irgendwie in der Nacht eingequetscht habe?“, so verkatert kam der Dunkelhaarige ihm nicht vor und eigentlich hatten sie früh genug aufgehört, sodass keine bleibenden Schäden an ihnen haften sollten…eigentlich. Er wollte ihn allerdings auch nicht zu sehr nerven und nickte stattdessen bei seiner nächsten Bemerkung energisch. „Meine Sachen passen dir wahrscheinlich dreimal, aber ich sehe, was ich finden kann! Warte einfach hier.“, er schenkte ihm ein Lächeln und zog schnellen Schrittes von dannen. Sie alle hatten Truhen gehabt und eine war für Kleidung, die sie entweder gefunden, erbeutet oder andere schlichtweg vergessen hatten. Da würde sich bestimmt etwas finden lassen.
Auf dem Weg war Arngrim anderen seiner Leute begegnet, die alle dick eingepackt den morgendlichen Tätigkeiten nachgingen und ihn laut und freundlich begrüßten. Hier und da wurde er in ein kurzes Gespräch verwickelt und musste feststellen, dass über Nacht die Temperaturen wohl gefallen waren und zwar sehr stark. Darüber hinaus hatte er auch den Grund herausbekommen können, weswegen man die beiden einfach so lange hatte seelenruhig schlafen lassen- sie waren wohl mit der heutigen Nachtwache beauftragt worden und das ausgerechnet dann, wo es so bitterkalt geworden war!
Nun gut, sie würden sich einfach besonders warm einpacken. Arngrim selbst hatte noch seinen warmen Pelzmantel in seiner Truhe verstaut und konnte in der provisorischen Fundsachenkiste nicht nur ein bequemes Wams für Wendolyn, sondern auch ein paar wärmere Klamotten für ihn finden, die ihm den Aufenthalt auf See etwas erleichtern sollte. Darüber hinaus nahm er noch schweren Herzens eine zweite Hängematte samt Decke mit. Er konnte nicht leugnen, dass ihm die Zweisamkeit fehlen würde.
Auch, wenn sie sich nur einen Tag kannten, hatte der Magier etwas an sich, was Arngrim dazu verleitete, ihn wirklich sehr gern zu haben. Er hatte ihn so sehr ins Herz geschlossen, dass er sich irgendwie wünschte, sie würden noch ein wenig länger auf diesem Schiff bleiben, vielleicht ausversehen vom Kurs abkommen…

Mit einem stolzen Lächeln hatte er die Kajüte betreten und sah den Magier immer noch dort stehen, wo er ihn vor einigen Augenblicken verlassen hatte. „Entschuldige mich, ich bin in zu viele Leute reingerannt und hab irgendwann die Zeit aus den Augen verloren aber dieses Mal habe ich an alles gedacht!“, entgegnete der Thorwaler, ehe er alles auf die Matte schmiss und sich direkt daran machte, den Schlafplatz für Wendoyln neben seinen eigenen anzubringen. „Ich hab was gefunden, was dir hoffentlich passen könnte, ich hab auch einfach eine neue Hose und alles mitgenommen, was ein wenig mehr Wärme spenden kann.“, murmelte er, beiläufig einen festen Knoten anbringend, dass der Dunkelhaarige nicht plötzlich nachts zu Boden fiel.
„So, jetzt musst du auch nicht mehr mit dem aufdringlichen Arngrim schlafen und hast deinen eigenen Platz.“, er klatschte sich in die Hände, drehte sich in einem Satz herum und hielt kurz die Luft an, als er den bandagierten, halb entkleideten Oberkörper Wendolyns erblickte. Er musste ein wenig zu lange auf ihn gestarrt haben, glaubte selbst ganz kurz ein bisschen mehr an Röte im Gesicht gewonnen zu haben. Arngrim erspähte einen athletischen Körper, die Armmuskulatur war ihm immerhin schon bekommt, der Rest jedoch weniger. „Aaah, tut mir Leid!“, etwas bedröppelt drehte der Größere sich wieder um und starrte lieber die Hängematte an. So viel zu respektvoller Wahrung seiner Distanz… „Ich wollte dich nicht blöd anstarren aber was soll die Bandage, wenn ich fragen darf? Kannst du nicht Verletzungen mit Magie einfach wegmachen? Ging bei mir doch auch wunderbar.“, entgegnete er neugierig, sich selbst dazu zwingend, nicht erneut rüber zu schauen.
„Sag Bescheid, wenn du fertig bist, ja?“

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Do Jan 31, 2019 11:35 pm

Zum Glück nahm Arngrim die ganze Angelegenheit recht gelassen. Das einzige, an dem er sich jetzt noch aufzuhängen schien, war in der Tat Minas schmerzender Brustkorb. Dabei hatte sie gehofft, dass sie die Aufmerksamkeit nicht zu sehr darauf lenken würde.
„Keine Sorge, ich hab mich nur beim Schlafen etwas verrenkt“, winkte sie lapidar ab und ließ ihre Hände von ihrer Seite sinken. Arngrim und seine Otta waren in der Tat ganz anders als ihre Mitstreiter am Kampfseminar. Weder so wirklich besser, noch schlechter.
„Was, du und aufdringlich? Niemals!“, witzelte Mina sarkastisch und war froh, dass ihr Gespräch sie ein wenig ablenkte. Erneut versicherte sie Arngrim, dass alles gut war, dann blickte sie ihm hinterher, als er aus dem Schlafbereich stapfte. Sie war überrascht, dass hier alles leer war und man sie hatte schlafen lassen. Innigst hoffte sie, dass es einen anderen Grund hatte und man ihnen nicht einfach die Hängematte zu zweit hatte überlassen wollen….Was musste der Rest der Mannschaft bloß denken? Hoffentlich hatte sie ihren Ruf zuvor schon genug gefestigt, dass man ihr diesen Ausrutscher nicht nachtragen würde.
Ein wenig genoss Mina diesen Moment der Stille, während Arngrim für sie auf Kleidersuche ging. Am liebsten hätte sie die Bandagen abgewickelt, aber der Hüne konnte jeden Augenblick wiederkehren und sie wohlmöglich in einer Situation finden, aus der sie sich nicht wieder herausreden konnte. Ohne Arngrim auf dem Schiff zu sein fühlte sich beinahe etwas falsch an. Sie über 24 Stunden waren sie einander nun kaum von der Seite gewichen und Mina hatte kaum einen Augenblick davon so wirklich bereut. Mit einem Seufzen ließ sie sich in die Hängematte sinken und schaukelte ein wenig auf und ab, während sie wartete. Was trieb der andere bloß so lange? Beinahe schon wollte sie aufstehen und nach ihm suchen, als sie plötzlich Schritte näherkommen hörte. Arngrim hatte Kälte mitgebracht und wenn Mina so darüber nachdachte, fühlte es sich auch eisiger an als zuvor. Anscheinend schlug das Wetter um, je näher sie Richtung Olport kamen.
Olport hieß Abschied. Was ein scheußlicher Gedanke.
„Bist ja bekannt wie ein bunter Hund hier, Arngrim.“
Sie mochte es, seinen Namen zu sagen und beobachtete ihn dabei, wie er sich ihrer Hängematte zuwandte. Etwas träge hatte die Magierin sich erhoben und griff nach den Kleidungsstücken, die man ihr mitgebracht hatte. Sie waren etwas muffig, als hätten sie länger in einer Kiste gelegen, aber müssten ihr sonst passen. Sie waren sogar so weit, dass Mina vielleicht später unbemerkt ihre Bandage ablegen konnte, solange sie ihren gefütterten Waffenrock trug.
„Vielen Dank! Es ist kälter geworden, oder?“
Mina musste einfach die Gunst der Stunde nutzen und endlich frische Kleidung anziehen. So langsam fühlte sie sich mehr als unwohl in ihren gestohlenen Sachen. Da Arngrim mit der Hängematte mehr als beschäftigt zu sein schien, drehte Mina sich leicht von ihm weg und zog sich ihr Wams über den Kopf. Ein wenig hektisch kramte sie nach ihrem Waffenrock, knöpfte ihn nach und nach wieder zu, als Arngrims Klatschen sie dazu veranlasste, sich reflexartig umzudrehen. Sie wusste, dass nicht viel an ihr eine weibliche Figur erahnen ließ. Die Bandagen drückten unbarmherzig jeglichen Brustumfang fort und eine Taille hatte sie sowieso kaum. Sie war gut durchtrainiert und leichte Muskeln zeichneten sich unterhalb ihrer Bandage ab. Dennoch errötete sie, als Arngrim sie so sah und knöpfte das Wams eilig zu.
„Heh, deine Fantasie soll hier für eigentlich ausreichen, du brauchst kein realitätsgetreues Bild!“, schimpfte sie, selbst errötend bei dem Anblick von Arngrims Wangen. Jetzt fing er auch schon so an!
„Oh das, das ist….“
Mina könnte sich selbst dafür ohrfeigen, dass sie sich nun wegen ihrer Unachtsamkeit in eine weitere Lüge verstricken musste.
„Alte Kriegswunde, wirklich kein schöner Anblick. So ein kleiner Kratzer ist leicht zu heilen, aber so eine Wunde?“
Mina winkte ab, plusterte sich dann vielsagend auf.
„Sie tut auch nur manchmal weh und ich will sie einfach nicht ständig ansehen müssen, du verstehst?“
Mittlerweile hatte sie sich obenrum neu bekleidet, aber die Hose sah zu warm aus, um dazu Nein zu sagen. Unsicher starrte sie zu Arngrim hinüber.
„Würdest du bitte-?“, bedeutete sie ihm mit einem Wink ihrer Hand und drehte ihm den Rücken zu. Wenn er jetzt lugte, hatte er wenigstens eine gute Aussicht, als Mina sich ein wenig nach vorn beugte, um sich vernünftig anzuziehen. Rasch drehte die Magierin sich wieder um, fast als hätte sie Blicke von Arngrim erwartet, aber er hatte sich zu mindestens in diesem Moment respektvoll weggedreht.
„Fühlt sich gleich schon viel wärmer an. Und in so einem Ding kann man schlafen, ohne rauszufallen?“, fragte sie skeptisch, ein „Ohne festgehalten zu werden“ behielt sie lieber auch für sich.
„Sind wir heute wieder für das Essen eingeteilt? Sind wir überhaupt gemeinsam eingeteilt?“, fragte Mina mit vielleicht etwas zu viel Besorgnis in der Stimme, während sie Arngrim aus großen Augen anstarrte.


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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Fr Feb 01, 2019 4:08 am

Es war schwierig, seine Neugierde zu unterdrücken und nicht wenigstens einen ganz kurzen Blick zu wagen, doch Arngrim wollte dieses Vertrauen, das er gewonnen hatte, nicht wieder zunichtemachen, nur, weil er sich nicht beherrschen konnte!
Stattdessen dachte er lieber über die Worte des Anderen nach. War diese Wunde so schlimm, dass er nicht einmal den Anblick ertragen konnte? Vielleicht war das Erlebnis besonders schlimm gewesen und er wollte ungerne daran erinnert werden. „Hmm, ich muss wohl noch einiges über Magie lernen. Aber mach dir nichts draus, was wäre man schon für ein Krieger ohne ein paar Narben, nicht wahr? Ich hoffe dennoch, dass sie dich nicht zu sehr stört.“, er hatte leicht besorgt seine Stirn gerunzelt, was der Magier natürlich nicht sehen konnte.
Er selbst hatte diverse Narben von Kämpfen behalten, einige stammen sogar von der regulären Arbeit auf dem Schiff, insbesondere aus der Zeit, wo er das erste Mal aufgenommen wurde. Sie alle erzählten eine Geschichte und irgendwo wollte er diese Narben auch gar nicht loswerden!
„Ich hab auch eine ganz blöde Narbe an meinem Fuß. Dumme Geschichte aus meiner Anfangszeit, wo ich noch ein wenig zu übermutig war…hat mir einen ganz schön krummen und platten Zeh verpasst, ich versuche das vor allem den Damen nicht zu zeigen, sowas will wirklich keiner sehen!“, ein lautes Lachen entwich seiner Kehle. „Wobei, Kerlen tue ich das auch nicht gerne an. Ein Hoch auf Socken, habe ich Recht?“ Es war seltsam, so mit Wendolyn zu reden, er wollte gerne sein Gesicht sehen, in seine braunen Augen blicken. Stattdessen starrte er die Wolldecke an, die für den Magier bestimmt war.
Als die nächsten Worte erklangen, war dies für den Seemann Aufforderung genug, sich wieder zu dem Anderen herumzudrehen und ihn anzulächeln.
„Ach, du kannst nicht rausfallen, der Stoff umschließt dich! Anfangs ist das vielleicht ungewohnt aber die größte Schwierigkeit wird eher das Rauskommen sein!“, gluckste der Blondschopf, war seinen Blick kurz zu seiner eigenen Hängematte, dann wieder zurück zu Wendolyn. „Ansonsten hab ich immer ein bisschen Platz bei mir.“, fügte er anschließend mit etwas leiserer Stimme hinzu, nahm jedoch schnell den Themenwechsel an, ehe noch die Stimmung in eine seltsame Richtung ging.
Mit einem schweren Seufzer schnappte der Thorwaler sich seinen Mantel und zog ihn langsam über. „Oh, nein, ich bin nicht immer für das Kochen zuständig, das hätten die anderen wohl gerne! Und keine Sorge, unser Kapitän hat ausdrücklich gesagt, dass ich die Verantwortung für dich trage, das heißt, alles, was ich tun muss, musst du wohl oder übel auch machen!“, er hielt kurz inne. Arngrim war echt froh, dass er diesen verlorenen Magier gefunden hatte und ihn nun für mittlerweile nur noch drei Tage immer an seiner Seite hatte. Er mochte diesen seltsamen Mann wirklich gern, auf einer Art und Weise, die er sich nicht ganz erklären konnte.
„Heute müssen wir die Nachtwache übernehmen. Das wird dir gefallen! In solchen eisigen Nächten ist der Himmel am klarsten, vielleicht sehen wir besondere Lichter am Himmel!“, seine Augen blickten den Anderen voller Begeisterung an. Er liebte den klaren Himmel und die zahlreichen Sterne über ihnen, wie sie auf der ruhigen See reflektierten. Sein Herz ging beinahe auf, weil er wusste, dass Wendolyn solch einen Anblick noch nie gesehen hatte, immerhin war er nie auf See, und er wollte zu gerne sehen, wie es ihm den Atem stockte. „Das wird lustig, wir können uns Bier zum Aufwärmen mit hochnehmen!“

Arngrim konnte den späten Abend kaum erwarten. Die Arbeiten an Deck gingen eher zäh voran, sie waren dazu verdonnert die ein oder andere Holzplanke zu reparieren, was in der Kälte ein wenig mühseliger war, als sonst, doch irgendwo wärmte die körperliche Betätigung auch auf und jedes Mal, wenn die grünen Augen zum Magier hinüber schielten und sich ihre Blicke trafen, wurde ihm einfach noch wärmer ums Herz. Ach, was hatte dieser Typ nur an sich, dass ihm mittlerweile die Mundwinkel schmerzten vom stetigen Lächeln?
Der Thorwaler hatte sich die Freiheit genommen, während ihrer Arbeit dem guten Wendolyn ein paar Lieder beizubringen oder sie zumindest vorzusingen oder vorzusummen, hin und wieder versuchten sie auf Thorwalsh sich zu unterhalten, als ihm offenbart wurde, dass er ein wenig die Sprache zu beherrschen schien. Witzig wurde es beim typischen Schimpfwort- Beibringen!
Mit solch ausgelassener Stimmung und Gesellschaft konnten sie wahrscheinlich die mieseste Arbeit erledigen!
Gegen Abend hatte es sie jedoch wieder hinein verschlagen, wo sie an ihren Vorräten noch ein wenig knabbern durften und zum Aufwärmen es sogar einen Kurzen für beide gab. Allerdings war heute nichts mit Wetttrinken, sie mussten nüchtern werden, als sie von einem Thorwaler, dessen Nase rot vor Kälte schimmerte, abgelöst wurden.
Eine Decke lag da bestimmt bereit, Arngrim hatte dennoch eine mitgenommen, vielleicht auch nur, um ein wenig Bier mit hinauszuschmuggeln.
„Dann wollen wir mal!“, ein breites Lächeln umrahmte die harten Züge des Seemannes, als er mit langsamen Schritten sich wieder in die Kälte wagte, gefolgt vom Dunkelhaarigen, der jedoch besonders zaghaft wurde, was ihn etwas stutzig machte. Abrupt blieben seine Beine stehen und er musterte den Kleineren fragend. „Ist alles in Ordnung, so blass hab ich dich aber noch nie erlebt. War irgendwas im Essen? Wirst du seekrank?“

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1So Feb 03, 2019 10:14 pm

Erleichterung durchfloss Mina, als sie realisierte, dass sie den Tag wieder mit Arngrim verbringen durfte. Der sozialste Mensch war sie nicht gerade und sie hatte ja schon bemerkt, dass nicht alle Mitglieder der Crew eine so offene und freundliche Einstellung hatten wie Arngrim. Mit solchen Leuten arbeiten zu müssen wäre ihr vermutlich sehr an die Substanz gegangen und hätte für einen ziemlich beschissenen Tag gesorgt. So konnte sie ihre Zeit mit dem Hünen noch ein wenig genießen. Denn auch den heutigen Tag über merkte sie wieder, wie sehr sie seine Anwesenheit genoss. Eine andere Sache hatte ihr Gemüt allerdings getrübt.
„Nachtwache? Braucht man sowas auf dem Meer denn überhaupt?“, fragte Mina nervös. Allein der Gedanke an die Dunkelheit, die hier draußen herrschen musste, bereitete ihr ein flaues Gefühl in der Magengrube. Die Nächte in den Wäldern Andergasts waren stockfinster und Geschichten von den Grauen der Nacht hatten Mina von Kindheit an wachgehalten. Noch heute ging sie ohne ein Licht und ein mulmiges Gefühl nicht in die Dunkelheit und wenn sie nachts nicht wenigstens an einem Lagerfeuer saß, bekam sie es schnell mit der Angst zu tun. Wie sollte sie diesem gestandenen Mann beibringen, dass sie sie im Dunkeln jegliche Rationalität verlor?! Aber für den Moment konnte Mina ihre Angst noch verbergen, diesem Problem würde sie sich stellen, wenn es so weit war.
Außerdem lenkten sie die folgenden Stunden mehr als nur gut ab.
Das Arbeiten mit Arngrim ging trotz der Kälte leicht von der Hand. Einfache handwerkliche Arbeiten fielen Mina immer recht leicht, hatte sie doch von klein auf gelernt, Zerbrochenes mit wenigen Handgriffen zu reparieren. Mit einem Lied auf den Lippen ließ es sich einfacher arbeiten und auch, wenn die Shantys des Hünen besser geeignet waren, um Arbeiten dazu zu erledigen, ließ Mina es sich nicht nehmen, die ein oder andere Geschichte aus dem andergastischen Sagenschatz mit ihm zu teilen. Schüchtern erzählte Mina Arngrim sogar, dass sie Thorwalsch in Bruchteilen verstand. Die Flussschiffer, die manchmal bis nach Andergast kamen, hatten ihr das ein oder andere beigebracht, aber im Kampfseminar hatte man auf diese Sprache wenig Wert gelegt, sodass Mina zwar staubige Bücher auf Bosparano rezitieren konnte, aber kein fließendes Thorwalsch konnte. Freilich brachte Arngrim ihr nur Unfug bei, aber im Gegenzug hatte Mina auch ein paar absurde Weisheiten oder Schimpfwörter aus ihren Landen parat.
Bevor die Nacht ganz über sie hereinbrechen konnte, hatte man sie fürs Essen unter Deck gerufen. Jetzt, da die Nachtwache immer näher zu rücken schien, spürte Mina ihr Herz immer schneller pochen. Den ganzen Tag über hatte sie in einem unbemerkten Augenblick ihre Bandagen lösen wollen, doch dann war ihr Arngrim nicht von der Seite gewichen und sie hatte einen ganzen weiteren Tag mit der einengenden Verkleidung verbringen müssen. Da kam ihr ein Schnaps gerade recht, um Nerven und Schmerzen ein wenig zu betäuben. Den einfachen Eintopf bekam sie kaum herunter. Selbst hier unter Deck merkte sie, dass sie Dunkelheit der Nacht unerbittlich über sie hereinbrach – und sie gleich dort hinausmussten. Dabei schwärmte Arngrim die ganze Zeit von einem Bier im Krähennest und irgendwelchen merkwürdigen Lichtern. Seine Freude zu dämpfen kam Mina herzlos vor. Dennoch schien ihr ganzer Körper wie eingefroren, als sie mit einer Decke unter dem Arm wieder auf das stockdunkle Deck trat. Ihr Körper wollte sich keinen Schritt nach vorn bewegen und sie klammerte sich fest an ihren Stab.
„I-Ich…nein, es war nichts im Essen. Aber es ist so furchtbar dunkel“, fiepte Minas Stimme ein wenig heiser und einige Oktaven höher als gewollt.
„In der Nacht treiben sich die schlimmsten Ungetüme herum. Wer weiß, was im Meer lauert, alles ist so weit und leer und…dunkel.“
Mit etwas zittrigen Händen klopfte sie ihren Stab einmal auf das Deck und eine helle Flamme erstrahlte an ihrem Ende. Das Licht ließ sie wenigstens ein bisschen entspannen und sie trat einen zaghaften Schritt an Arngrim heran.
„Und wir sollen die ganze Nacht dort oben im Krähennest hocken?“, fragte sie mit unverhohlener Sorge, als sie in die Dunkelheit über ihr blickte.
„Wie soll ich da im Dunkeln überhaupt rauf kommen? Können wir nicht von hier unten Wache halten?“, fragte Mina flehentlich.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Mo Feb 04, 2019 1:50 am

Sorgenfalten schlichen sich auf die Stirn des Thorwalers. Etwas schien nicht ganz in Ordnung zu sein und er hoffte, dass Wendolyn ihm schnell offenbaren konnte, was es war. Sein Körper schien regelrecht von einer Panik befallen worden zu sein, die er selbst am ersten Tag, als sie sich zum ersten Mal gesehen hatten, nicht so stark an ihn vermittelt hatte.
Vielleicht lag auch etwas in der Luft, was dem jungen Mann ein unwohles Gefühl gab? Doch seine Worte deuteten zumindest auf kein Ereignis hin und schien weder das Schaukeln, noch das Essen seine Gemütslage verschlechtert zu haben. Arngrim blickte den Magier aufmerksam an und hatte so langsam das Gefühl zu wissen, was hier vor sich ging.
Wendolyn hatte Angst vor der Dunkelheit!
Doch aufziehen wollte er ihn ganz sicher nicht damit. Seine Ängste waren gar nicht unbegründet, in der Nacht konnten viele gefährliche Dinge passieren, Dinge, die sie sich vielleicht nicht einmal ausmalen könnten und Arngrim selbst war gut darin, alten Märchen und Bräuchen zu schenken, sodass es für ihn im ersten Moment nicht seltsam erschien, wenn einige sich bei fehlendem Sonnenlicht sehr unwohl fühlten. Allerdings kamen sie nicht drumherum. Er hätte Wendolyn vielleicht wieder zurückschicken und die Nachtwache ohne weitere Probleme auch alleine bewältigen können, doch er wusste, dass die Nacht nicht nur Schreckliches für sie bereithielt, er hatte schon so viele wunderschöne Dinge gesehen! Allein das schöne Leuchten am Himmel betrachten zu können, war etwas, was man nur von alten Skaldenerzählungen gehört und nie selbst erlebt hatte. Der Dunkelhaarige würde was verpassen, würde er es zulassen, dass die Angst ihn so sehr übermannte!
„Ach, diese Strecke sind wir schon so häufig rauf und runter gesegelt, hier kann kein Ungeheuer oder irgendwas anderes uns auflauern! Keine Sorge, die garstigen Seeschlangen leben auf der anderen Seite, auf einem anderen Meer!“, der Thorwaler versuchte, ihm ein wenig die Panik zu nehmen, schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln, auch wenn weder die Worte, noch das Lächeln dem Guten zu helfen schienen.
Sein Blick wanderte ebenfalls hinauf zum Krähennest, ehe er erneut das Gesicht seines Gegenübers fixierte, dabei seine Augenbrauen hebend. „Hier unten haben wir ja gar keine Übersicht und das Licht lenkt nur zu stark ab. Wendolyn, du musst dir wirklich keine Sorgen machen! Da oben kann uns nichts passieren und in dieser Nacht sind die einzigen Gefahren, die uns Probleme bereiten können, irgendwelche Eisberge, die wir jedoch sehr einfach umgehen können.“, er legte kameradschaftlich eine Hand auf seine Schulter, ehe seine Miene etwas ernster wurde. „Ich bringe einfach schnell unsere Decken hinauf und dann kannst du ja schauen, wie einfach es ist, da drauf zu klettern, in Ordnung?“, mit diesen Worten schnappten sich seine Hände ihre Decke und das stibitzte Bier, knotete es provisorisch um seinen Körper, damit seine Arme etwas mehr Freiheiten hatten, und begann auf das Krähennest zu klettern. Er brauchte kein Licht, die Spiegelung des Mondlichts und des Sternenhimmels reichten vollkommen aus, um alles zu sehen, was man auch sehen musste. Abgesehen davon konnte Arngrim spüren, wo er hin fassen sollte. Wahrscheinlich hatte er auch einen Vorteil, weil er diesen Ausguck schon häufiger erklommen hatte in seinen jungen Jahren, doch er wusste, dass Wendolyn es dennoch ebenfalls schaffen könnte.
Schnell hatte er all die Sachen abgeladen, blickte erwartungsvoll hinunter zu Wendolyn, der immer seinen glühenden Stab fest umklammert hielt und beinahe drohte zusammenzuklappen, zumindest wirkte es von hier oben so.
Der arme Kerl, er konnte ihn nicht einfach so seinem Schicksal überlassen!
Hastig kletterte er wieder zu ihm hinunter. Er brauchte irgendeine Hilfestellung.
„Vertraust du mir?“, fragte er mit ernster Stimme und blickte durchdringend in die braunen Augen seines Gegenübers. Er wusste, dass sie sich erst seit zwei Tagen kannten und dass wahrscheinlich nicht jeder direkt blind einem vertrauen würde in solch einem kurzen Zeitraum. Dennoch konnte er von sich behaupten, dass er dem Magier genug vertraute und ihm wahrscheinlich auch eine Menge anvertrauen würde, selbst wenn dies nicht hieß, dass der Andere das genauso sah. Etwas sagte ihm, dass sie eine sehr gute Verbindung zueinander hatten, erstaunlich gut für zwei wildfremde Männer, dessen Welten nicht unterschiedlicher hätten sein können.
„Ich möchte nichts noch Schlimmer für dich machen, doch wenn ich dir sage, dass du absolut nichts zu fürchten hast hier draußen und vielleicht sogar etwas wahrlich Faszinierendes zu sehen bekommen kannst, dann kannst du mir glauben, dass ich dich nicht belüge!“, fügte er nach einer Weile hinzu, während er nebenbei überlegte, wie sie das Dilemma mit dem Klettern beseitigen konnten. Wendolyn konnte kaum seinen Stab in einer Hand halten und mit der anderen klettern, das wäre zu gefährlich gewesen, doch Arngrim konnte ebenso wenig ein Licht für ihn machen, dass er auch wirklich sah, wo er hintrat.
Es blieb ihm wohl nicht viel übrig, als ihn irgendwie dahin zu tragen.
„Wendolyn, du musst mir wirklich vertrauen und ein wenig meine Aufdringlichkeit zulassen, ohne, dass es dich stört. Ich nehme dich einfach huckepack und wir klettern gemeinsam das Teil hoch, halt dich einfach gut fest aber bei deinen Muskeln sollte das ein Leichtes sein.“, seine Augen glitten demonstrativ über seinen Körper, ehe er sich einfach hindrehe und ein wenig auf den Boden kniete, sodass der Kleinere seine Arme um seinen Nacken lecken konnte und er das Signal bekam, sich wieder zu erheben und zu klettern.
Allerdings schien der Magier zu zögern und irgendwo überraschte es den Thorwaler nicht einmal. Sie mochten sich vielleicht erst zwei Tage kennen, doch die Schüchternheit und Zögerlichkeit des Anderen war ihm bereits sehr früh aufgefallen. „Mach dir keine Sorgen, es ist doch nur für einen sehr kurzen Zeitraum! Du bist auch absolut nicht zu schwer und ich möchte dir wirklich nichts Schlimmes!“, bei anderen wäre er vielleicht ungeduldiger oder teilweise zornig geworden, dass sie sich einfach so viel Zeit mit dieser Sache ließen, doch bei Wendolyn hätten Stunden verstreichen können, er würde seine Geduld nicht verlieren. Etwas an diesem Mann schien die Ruhe regelrecht aus diesem wilden Körper heraus zu kitzeln, ein Zustand, der ihm wahrlich fremd und neu war.
Es hatte vielleicht ein wenig gedauert, bis der Magier endlich dieser Idee zugesagt hatte und er warme Hände um seinen Hals spürte, die sich fest an ihn geklammert hatten und ihm ein zufriedenes Lächeln auf die Lippen zauberten. „Am besten du klammerst dich auch ein wenig mit den Beinen am mich.“, fügte er mit etwas leiserer Stimme hinzu. Er hätte ihm einem vielsagenden Blick geschenkt, doch in dieser Position konnte er den Dunkelhaarigen nicht einmal ansatzweise sehen.
Als Arngrim das Gefühl hatte, dass Wendolyn sich fest genug an ihn geklammert hatte- auch wenn sein Körper regelrecht wie ein eingefrorenes Brett sich auf seinem Rücken anfühlte, so angespannt, wie er war- kletterte er den bekannten Weg noch einmal hinauf, dieses Mal jedoch ein wenig langsamer, immerhin wollte er nicht doch auf einmal sein Gleichgewicht verlieren! Wendolyn war, wie nicht anders zu erwarten, immer noch leicht genug, dass er nicht das Gefühl bekam, es würde ihn körperlich auslaugen und lange hatten sie ohnehin nicht gebraucht, bis sie endlich oben auf dem Krähennest war und er den Magier endlich absetzen konnte. Oben war vielleicht nicht so viel Platz, wie sie es in den letzten Stunden gewohnt waren, doch bot das Holz immer noch mehr Freiraum an, als vielleicht anfangs angenommen.
Lächelnd ließ er seinen Blick zum Kleineren schweifen, als dieser von ihm abgelassen hatte. „Siehst du, das ging doch einigermaßen schnell.“, entgegnete er mit sanfter Stimme.
Der Thorwaler atmete einmal tief durch, füllte seine Lungen mit der eiskalten Meeresluft, die sie umgab. Er liebte diesen Ort. Man war ein wenig abgeschottet von den anderen, hatte die Ruhe um sich herum und konnte ein wenig sein eigenen Gedanken ordnen. Heute würde er vielleicht nicht dazu kommen, all seine Gedanken zu ordnen, doch dafür konnte er einer anderen Person die wundervolle Welt eines Seefahrers zeigen und zusätzlich über bestimmte Phänomene in der Natur aufklären…oder zumindest auf diese zeigen, wenn sie auftauchten.
„Eigentlich können wir die ganze Nacht hier einfach sitzen und auf den Sonnenaufgang warten. Es passiert nachts auf diesem Weg so gut wie nie was. Wichtig sind Eisberge, andere Schiffe und Wale. Sehen wir Wale, wissen wir, dass wir wahrlich von Swafnir gesegnet sind. Ich beobachte sehr häufig den Sternenhimmel. Von hier oben sieht man alles so viel besser.“, schwärmend wanderten seine Augen zum Horizont, verloren sich allerdings zum Schluss immer im jungen Gesicht des Anderen. „Komm, setz dich, vielleicht ist das ja erstmal zu Beginn besser!“, er selbst ließ sich demonstrativ auf den Boden nieder, bereitete die Decken aus und klopfte auf den Platz nehmen sich. „Wir können Sternenbilder suchen oder neu erfinden und keine Sorge, ich bin groß genug, dass ich immer noch einen Blick auf das Meer werfen kann.“, Arngrim versuchte so ruhig und beruhigend wie möglich auf den Magier einzureden, in der Hoffnung, dass seine Panik bald verfliegen und er sich etwas besser fühlen würde. Hoffentlich hatte er seine Angst nicht noch mehr verschlimmert mit seinem Enthusiasmus und seinem Glauben, dass er diese für einen Augenblick in den Hintergrund schieben konnte.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Mo Feb 04, 2019 3:10 pm

Dass ein erwachsener Mensch nicht so eine große Angst vor der Nacht haben sollte, war Mina klar, doch selbst Arngrims Worte konnten sie nicht von ihrer verkrampften Anspannung lösen. Viel mehr weiteten sich ihre Augen ängstlich.
„Seeschlangen?! So etwas gibt es wirklich im Meer?“
Wenn solche riesigen Monstren unter der Wasseroberfläche lauern konnten, was trieb sich dann noch unter den pechschwarzen Wellen herum? Ihr Blick hob sich zu dem Krähennest, das von hier unten unbedeutend und klein wirkte. Dort oben würde noch so viel mehr Schwärze um sie sein und sie waren weit entfernt von jeglicher Zuflucht. Wenn dort oben etwas über sie herfiel, hatten sie doch keine andere Wahl als in die Tiefe zu stürzen. Ihre Gedanken rasten so sehr, dass kaum ein Wort Arngrims an ihre Ohren drang.
„Mich lenkt das Licht ganz und gar nicht ab, wie soll ich mich denn im Dunkeln zurechtfinden?“
Trotz ihres schwachen Protestes entfernte Arngrim sich nun von ihr, um schon einmal die Decken und das Bier nach oben zu bringen. Das Klettern in den Wanten sah bei ihm so einfach aus. Dabei war das Kraxeln in der Takelage etwas, was Mina ansonsten wenig Probleme bereitet hätte, aber ohne ein Licht? Sie hätte dort oben vollkommen schutzlos gehangen! Eher erschrocken als von der Leichtigkeit der Aufgabe überzeugt, beobachtete sie Arngrim, bis er schließlich für einen Moment im Inneren des Krähennests verschwand. Die Realisation, dass sie hier unten ganz allein in der Schwärze stand, traf sie wie ein Hammerschlag. Hatte sich dort etwas zwischen den Kisten an der Reling bewegt? Und war dies das Ächzen des Schiffes oder knabberte bereits eine Seeschlange an ihrem Rumpf? An selbstständiges Klettern war bei Mina nicht zu denken. Als Arngrim wieder zu ihr aufs Deck kam, war Mina ihm bereits entgegengeeilt, erleichtert, nicht mehr allein in der Dunkelheit zu sein.
Obwohl sie ihn erst seit zwei Tagen kannte, verspürte sie eine Bindung zu diesem Mann, die sie nicht erklären konnte. Also nickte sie überaus eifrig, als er ihr Vertrauen erfragte. Hauptsache, sie musste nicht wieder allein in der Dunkelheit ausharren. Dass der Thorwaler sie nun einfach Huckepack nehmen wollte, löste allerdings doch etwas Verwirrung in ihr aus. Sie war gerade froh gewesen, dass die Anhänglichkeit des anderen über den Tag hinweg nicht schlimmer geworden war und nun wollte er, dass sie sich erneut von ihm tragen ließ. Skeptisch beäugte sie den breiten Rücken.
„Und du kannst wirklich klettern und mich tragen? Das letzte Mal, als du mich getragen hast, ist das nicht so glorreich verloren“, gab Mina zu bedenken. Aber nun gut, da waren sie beide auch sturzbesoffen gewesen, im wahrsten Sinne des Wortes. Nach einigem Zögern entschloss sie sich also doch, dem anderen ihr Vertrauen zu schenken und legte ihre Arme um seinen Hals die Beine an seiner Seite festklemmend. Ihn ganz zu umschlingen glich bei Arngrims Körpermasse durchaus einer Herausforderung!
Entspannt war Mina allerdings wirklich nicht während der Kletterpartie und als Arngrim den Kopf schließlich durch den Boden des Krähennests steckte, löste sie sich etwas steif von ihm und zog sich selbst in den hölzernen Ausguck. Einen Moment blieb Mina noch sitzen, versuchte sich zu fassen, bevor sie den Kopf über den Rand des Krähennestes streckte und die unendliche Schwärze um sie herum aufnahm. Von hier oben konnte man meilenweit schauen und in alle Richtungen schien es schwarz zu sein. Bis Mina auffiel, wie hell die Sterne hier funkelten und wie das Mondlicht silbern auf den Wellen tanzte. Unter freiem Himmel war die Nacht gar nicht ganz so furchteinflößend wie in den dichten Wäldern Andergasts, wo die Eichenblätter selbst den letzten Funken Sternenlicht schluckten.
Beinahe wie in Trance setzte sie sich neben Arngrim auf die dicke Wolldecke, den Blick auf die Sterne gerichtet.
„Hier oben ist es heller, als ich gedacht hätte. All die Sterne…“
Sie deutete fasziniert auf einen besonders hellen Stern.
„Das ist der Nordstern, nicht wahr?“, fragte sie Arngrim, während ihre Hand sich dem endlichen Schwarz entgegenstreckte.
„Wenn das der Nordstern ist, muss das der Rabe sein. Unter dem Sternbild wurde ich geboren“, erklärte sie stolz. Ihre Mutter hatte ihr die Sterne erklärt, als sie noch jünger gewesen war und das Ausfindigmachen ihres Geburtssternbildes war das gewesen, was hängengeblieben war. Arngrim schien sich mit der Sternenkunde besser auszukennen als sie selbst und hatte einiges Interessantes zu berichten. Leicht an den Hünen angelehnt folgten ihre Augen seinem Finger und ließen sich von der Welt der Navigation und Sternenkunde einnehmen, bis plötzlich der Himmel aufzuleuchten schien. Im ersten Moment etwas besorgt rappelte Mina sich auf und reckte den Kopf zum Himmel. Als wären Bänder aus grünblauer Seide über den Himmel ausgegossen worden, flackerten über ihnen merkwürdige Lichter.
„Bei den Göttern!“, stieß die Magierin nur aus und starrte mit offenem Mund an den Himmel über ihren Köpfen. Noch nie hatte sie in ihrem ganzen Leben etwas so Wunderschönes gesehen. Sie fühlte sich klein unter diesem Schauspiel, das sie nicht verstehen konnte. Arngrim hatte sich zu ihr gesellt und schien ähnlich fasziniert von dem Anblick zu sein wie sie selbst. Mehrfach setzte Mina zum Sprechen an, fand allerdings keine Worte, die diesem Spektakel gerecht wurden. Sie war so ergriffen, dass es sie nicht einmal störte, dass Arngrim ihr wieder so nah gekommen war und in einem Moment tiefer Berührtheit hatten ihre Fingerspitzen vorsichtig nach seiner Hand gesucht und sie behutsam umschlossen, während über ihnen die Farben tanzten.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Mo Feb 04, 2019 7:42 pm

Die Sorgenfalten auf seiner Stirn glätteten sich spätestens bei dem Anblick des Anderen und wie fasziniert seine Augen den Sternenhimmel betrachteten, stattdessen stahl sich ein zufriedenes Lächeln auf die schmalen Lippen. Also hatte sein Gefühl ihm richtig geraten, ihn ein wenig zu dieser Aufgabe breitzuschlagen, sodass er diesen wunderbaren Moment nicht einfach so verpasste!
„Siehst du! Es ist doch nicht so schlimm hier oben!“, lachte der Thorwaler, behielt den Blick jedoch lieber für eine Weile auf Wendolyns Gesicht, anstatt sich seinem Staunen anzuschließen.
Erst, als er auf einen der vielen Sterne gedeutet hatte, hatte er sich von ihm weggedreht.
„Das ist richtig. Du scheinst dich ja doch ein wenig auszukennen mit den Sternen.“, entgegnete die dunkle Stimme etwas überrascht, gefolgt von einem breiten Lächeln. „Dort hinten ist die Gans, unter dem Stern bin ich geboren. Man kann sich so gut nach ihnen orientieren, wenn nicht gerade eine Wolkendecke uns umgibt. Schon häufig konnten wir dank der Sterne aus Lagen rauskommen, wo kein Südweiser uns den richtigen Weg weisen wollte.“, Arngrim begann zu plaudern, deutete immer wieder auf verschiedene Sternenbilder und erklärte, dass selbst bei nebeligem Wetter und einer Regenfront einige Geweihte der Swafnir in der Lage waren, mit göttlichem Wirken in der Lage waren, eine klare Sicht auf den Himmel zu haben, sodass sie nicht vom Kurs abkamen und immer ihr Ziel erreichen konnten.
Er selbst hatte all dies auf seiner Seefahrt gelernt und war froh, dieses Wissen, was er erlangt hatte, an andere weiterzugeben und der Magier schien wahrlich interessiert an seinen Worten zu sein.
„Manchmal deuten wir unsere eigenen Bilder, ich sehe manchmal wirklich wirres Zeug, wenn ich die einzelnen Sterne verbinde.“, der Seemann schmunzelte, ließ seine Augen nach einer gefühlten Ewigkeit zu dem Dunkelhaarigen schweifen. Seine Begeisterung machte Arngrim aus irgendeinem Grund besonders glücklich. Vielleicht mochte er es einfach, wenn es dem Andergaster einfach gutging und wieso sollte er auch je wollen, dass er sich schlecht fühlte? Das waren doch normale Gedanken, die er anderen gegenüber sicherlich auch gehabt hätte und auch hatte!
Er hatte fast gar nicht bemerkt, dass die Lichter sich vor ihren Augen binnen weniger Augenblicke verändert hatte. Dabei war dies das mit Abstand Atemberaubendste, was sie mit ihren Augen je erblicken konnten!
Also Wendolyn sich erhob, hatte der Thorwaler es ihm wenig später gleichgetan, trat an die schmalere Gestalt näher heran. „Das sind Nordlichter.“, entgegnete Arngrim knapp mit leiser Stimme, beinahe schon ehrfürchtig, um diesen Moment nicht zu zerstören.
Seine Augen hatten das Lichterspektakel staunend beobachtet. Bei ihnen in Thorwal war dieser Anblick viel zu selten, man musste weiter nördlich reisen, im ewigen Eis, wo in den Wintermonden die Tage und Nächte regelrecht mit dieser Schönheit durchflutet waren.
Er konnte sich denken, wie der Magier sich gerade fühlte, hatte er vor einigen Jahren doch selbst hier gestanden und staunend mit aufgesperrten Mund den Himmel angestarrt, unwissend, was er sagen oder gar denken sollte. Sicherlich war es ein göttliches Zeichen, was anderes konnte er sich nicht vorstellen. Selbst jetzt war er nicht in der Lage eine Erklärung zu finden, die irgendeinen Sinn ergab. Doch er wollte auch keine sinnvolle Erklärung für solch ein regelrecht magisches Phänomen. Dere hatte so viele zauberhafte Dinge zu bieten, manchmal musste man sie einfach hinnehmen und bewundern.
Wie von Zauberhand rückte er ein klein wenig näher an den Magier heran, hatte nicht einmal bemerkt, wie dieser versuchte passende Worte für diesen Moment zu finden, was er jedoch bemerkt hatte, waren die zarten Fingerspitzen, die seine Hand berührt und anschließend umschlossen hatten.
Überrascht ließ er den Blick zum Dunkelhaarigen schweifen, während ein warmes Gefühl sich in seinem Körper breitmachte. Heute Morgen hatte er ihm noch erklärt, dass er ein distanzierter Mann war und dies in Andergast eine sehr normale Umgangsart war, wenn man keinen oder zumindest kaum körperlichen Kontakt zu anderen suchte und nun umfasste er einfach so, ohne Vorwarnung oder plausiblen Gründen, seine Hand!
Arngrim konnte nicht leugnen, dass er diese Berührung nicht genoss, auch wenn es in seinem Herzen eine kleine Verwirrung hervorrief und er sich so viele Fragen auf einmal stellte. Doch anstatt das Wort zu ergreifen oder gar seine Hand wegzuziehen, drückte er einfach die des anderen ein wenig fester zu, musterte das junge Gesicht seines Nebenmannes, realisierend, wie gern er diesen seltsamen Typen gewonnen hatte. Ja, sogar mehr als das. War diese kleine Geste vielleicht ein schüchterner Hinweis darauf, dass es Wendolyn nicht anders erging? Und wieso pochte sein Herz so schrecklich gegen die Brust?
Der Thorwaler wollte diesen Augenblick nicht mit einer Unachtsamkeit und seinen überschnellen Impulsen zerstören, nahm sich zumindest kurz die Zeit, darüber nachzudenken, was vielleicht angebracht wäre, denn er konnte nicht einfach hier so stehen und nichts tun. Er war doch ein mutiger Pirat! Jetzt war nicht der Zeitpunkt, um weiche Knie zu bekommen!
Vorsichtig beugte sich der Thorwaler ein wenig herunter, drückte einen zaghaften Kuss auf die Wange des Kleineren, ihn im nächsten Moment sanft anlächelnd. „Mein Vater sagt immer, ein Kuss unterm Nordlicht bringt Glück.“, entgegnete Arngrim mit leiser Stimme, im vollsten Wissen, dass dies ganz sicher nicht der Grund dafür war. Und als Wendolyn ihm noch nicht eine verpasst hatte, lehnte er sich noch ein wenig hinaus, umfasste vorsichtig sein Kinn mit der freien Hand und presste vorsichtig seine Lippen auf die des Magiers. Er hatte schon viele Lippen in seinem Leben geküsst, viele davon gehörten irgendwelchen Damen und sie alle waren ihm nie so zart vorgekommen wie Wendolyns. Vielleicht lag es auch einfach daran, weil er sich noch nie bei jemand anderen so wohl gefühlt hatte, wie bei diesem seltsamen Magier

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Mo Feb 04, 2019 10:03 pm

Was sie geritten hatte, dass sie plötzlich die Nähe des Thorwalers mit solch einer Vehemenz suchte, wusste Mina nicht. Die Gefühle, die in ihrer Brust brodelten, waren neuartig und fremd und mit nichts zu vergleichen, was sie jemals verspürt hatte. Aber die wunderschönen Lichter, die dort über ihr schwebten, schienen ihr neuen Mut zu verleihen. Vielleicht war es auch die Göttin Mada, die ihrem magischen Schützling ein wenig Mut schenkte. Aber Arngrim war so freundlich zu ihr gewesen, hatte so behutsam und doch beharrlich versucht, ihre Schale zu knacken, dass es ihr nicht übereilt vorkam, als sie plötzlich den festen Griff seiner Hand um ihre spürte. Ein Kribbeln ging durch ihren ganzen Körper und sie konnte selbst in dieser Eiseskälte nicht mehr frieren. Etwas schüchtern wandte sie den Blick für einen Herzschlag vom Himmel ab und schaute in Arngrims Gesicht, das ebenfalls in den Himmel gerichtet war. Die Farben funkelten auf seiner Haut und Mina war schlicht und ergreifend glücklich, dass sie hier war. Dieser Moment der Zweisamkeit hätte ewig dauern können, wenn es nach ihr gegangen wäre. So fern erschienen ihr die Momente, in denen sie ängstlich und nervös gewesen war, so fern erschien ihr sogar plötzlich ihr Leben in Andergast. Wollte sie wirklich zurück?
Bevor dieser plötzliche Gedanke sie noch mehr erschüttern konnte, hatte Arngrim ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich gelenkt. In einer Art und Weise, die eine noch viel tiefere Erschütterung in ihr hervorrief. Arngrims Bart kitzelte an ihrer Wange, als er ihr einen kurzen, unschuldigen Kuss gab. Mit großen Augen wandte sie sich zu ihm um, immer noch unfähig, etwas zu sagen. Noch heute Morgen hatte sie ihm eine Predigt darüber gehalten, dass sie ein etwas distanzierterer Mensch war und nun war sie hier, allein unterm Nordlicht mit einem Thorwaler, der sie ganz verliebt anstarrte.
War es das, was sie war? Verliebt? Es musste so sein, was war dieses Flattern in ihrer Magengrube denn sonst? Kein Wort verließ ihre Lippen, so überrascht war sie von Arngrims mutiger Aktion. Die Sekunden, die vergingen, fühlten sich an wie Stunden. Sollte sie etwas tun, etwas erwidern? Sie führte Arngrim doch immer noch an der Nase herum, er wusste nicht einmal, dass sie kein Mann war. Aber all diese Sorgen erreichten ihr Gehirn momentan nicht. Sie hätte ihm Nein sagen können. Doch stattdessen versuchte sie ihr Herz davon abzuhalten, ihren Brustkorb zu verlassen, als Arngrim ihr vorsichtig ans Kinn griff. Sie hatte mit einem Kuss gerechnet, doch als er kam, hätte sie nicht weniger darauf vorbereitet sein können. Ihre Augen schlossen sich, als sie Arngrims Lippen auf ihren spürte und ihre freie Hand legte sich leicht auf den Nacken des Thorwalers, als sie sich auf Zehenspitzen dem Kuss entgegenstreckte. Der Moment schien ewig zu während und war doch so schnell vorbei. Nun hatte ihr dieser Hüne auch noch ihren ersten Kuss gestohlen. Minas Augen hatten sich erwartungsvoll wieder geöffnet. Zwar war es dunkel, aber ihr Gesicht war so heiß, dass es in der Nacht glühen musste.
„Phex zwinkert heute Nacht wahrlich auf dich herab, Arngrim“, hauchte Mina atemlos. Vielleicht funkelte der Nordstern gerade einmal besonders hell, vielleicht bildete Mina sich das aber auch nur ein. Noch immer wogten die Nordlichter im Hintergrund und die Magierin war nicht bereit, diesen Moment einfach so vergehen zu lassen. Vielleicht fand sie sich nie wieder in solch einer Situation. In Angst und Vorsicht hatte sie ihr Leben lang verbracht.
„Meine Mutter hat immer gesagt, ich soll beharrlich bleiben“, entgegnete sie mit einem Schmunzeln, während sie Arngrims Gesicht zwischen ihre Hände nahm und ihn erneut küsste. Sein Bart piekste gegen ihre Handinnenflächen, ließ diesen Moment realer werden, als sie all ihren Mut aufbrachte, um ihre Lippen zu öffnen und mit ihrer Zunge gegen Arngrims stupste, ihn schmecken wollend.
Da war das Salz der See auf seiner Zunge und Bier und Geborgenheit, die sie so noch nie erfahren hatte. Mina lehnte sich in seine Umarmung hinein, unwissend, was passieren sollte, wenn sie es so weitertrieb, aber zu verloren im Augenblick, um sich wirklich Gedanken darüber zu machen.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Di Feb 05, 2019 12:32 am

Er konnte immer noch nicht glauben, dass er gerade diesen kleinen Schritt gewagt hatte und den Magier tatsächlich küsste! Ein wohliges Kribbeln legte sich auf seinen Körper, eines, was er noch nie so intensiv gespürt hatte. Dabei hatte er doch häufiger es mit anderen Frauen und auch Männern zu tun gehabt! Es war nicht das erste Mal, dass Arngrim sich auf einen Typen bewusst einließ und dennoch fühlte es sich so anders an, regelrecht unbeschreiblich. Vielleicht waren es die kleinen Gegensätze, die beide an sich hatten und sie automatisch anzogen? Nein, wahrscheinlich spiele weitaus mehr in diese Situation hinein.
Der Thorwaler schloss genüsslich seine Augen, spürte die Hand des Anderen an seinem Nacken und so nah, wie er sich ihm entgegen streckte, konnte das hier nicht ein kleiner Unfall oder gar ein Missverständnis sein! Er musste mindestens genauso ein Wirrwarr aus Gefühlen in seinem Herzen haben. Vielleicht brauchten sie einfach nur etwas mehr Zweisamkeit und Ruhe, um sich dem bewusst zu sein.
Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte dieser Kuss ruhig noch länger dauern können, die Lungen des Seemannes waren stark genug, doch irgendwann raubte es auch ihm den Atem, dass er langsam von Wendolyn ablassen musste und verträumt in sein Gesicht blickte. Wie konnte man dieses Gesicht nicht mit Küssen benetzen wollen?
Ein wenig Sorgen hatte der Blondschopf dennoch gehabt, er wusste nicht, wie die Reaktion des Anderen wirklich ausfallen würde und ob er es nicht vielleicht doch im nächsten Augenschlag bereute. Fragend ruhten die Augen auf den anderen, geduldig wartend, was nun auf ihn zukommen würde. Bei jedem anderen hätte Arngrim schon längst die Initiative ergriffen, doch sein Inneres sagte ihm, dass dies nicht irgendjemand anderes war und dass es besser war, mit Geduld und Ruhe an die Sache ranzugehen…was auch immer für seine Sache dies werden sollte.
Die Worte des Magiers erweckten ihn aus seinem Gedankenwust und er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Phex meint es wirklich gut mit mir…“, entgegnete er leise und wagte dabei einen kurzen Blick auf den Sternenhimmel. Die Götter mussten diese Nacht gesegnet haben, irgendwo in den Sternen stand es geschrieben, dass dieser Moment für sie allein bestimmt war und in seinem Kopf dankte er ihnen. Arngrim wollte noch etwas hinzufügen, den Anderen erfragen, ob sein Vorhaben nicht zu viel Nähe auf einmal war, doch da hatte dieser erneut die Stimme erhoben, entlockte dabei ein schiefes Lächeln, welches er jedoch mit einem überraschten Laut wieder fortwischte, als sich die fremden Lippen so bestimmt auf seine legten, die anderen Arme sein Gesicht so sanft berührten, dass ihm heiß und kalt gleichzeitig wurde.
Ohne darüber nachzudenken hatten sich seine Arme um die schmale Gestalt geschlungen, es fühlte sich gut und so vertraut an, wie der andere Körper in seinen Armen ruhte, doch nichts haute ihn noch stärker aus den Socken, als dieser Kuss, der so sanft und dennoch fordernd war, dass Arngrim glaubte, er würde gleich seinen Halt verlieren.
Wann war es das letzte Mal nur so um ihn geschehen? Der Thorwaler konnte sich an keine Begegnung erinnern, die seine Knie so weichwerden ließ, die solch eine wohlige Wärme in ihm hervorrief, die jede Pore seines Körpers einzunehmen schien, dass er gar nicht wusste, ob dies überhaupt noch normal war.
Ohne Widerworte gewährte er der Zunge des Magiers Einlass, innerlich wahrlich überrascht, wie viel Mut und Eigeninitiative der Andere gerade zeigte.
Nein, das konnte nicht einfach nur ein flüchtiger Moment sein, den eigentlich keiner von beiden gewollt hatte, das war so viel mehr!
Selbst seine Zunge fühlte sich so angenehm an, wie sie gegen seine eigene stupste und sich beide sehnsüchtig umschlangen und ineinander wandten.
Genau diese Sehnsucht hatte den Thorwaler ergriffen, als er den Körper des Dunkelhaarigen noch ein wenig näher an seinen presste und sich gänzlich der Nähe hingab.
Wendolyn schmeckte zuckersüß und dennoch ein wenig herb, erinnerte ihn leicht an frisches Holz, was so angenehm duftete. Wahrscheinlich waren die Wälder, in denen er aufgewachsen war, tief in seiner Seele verankert.
Kaum ließen sie voneinander ab, um nach Luft zu holen, hatte sich der Seemann bereits wieder zu ihm hinübergelehnt, um ihm einen weiteren Kuss zu stehlen. Er wollte diese Nacht nicht mehr von diesen Lippen ablassen, selbst wenn es das einzige war, was sie tun würden, er wollte nicht mehr, als diese schönen Momente, die keine Worte oder gar Erklärungen brauchten. Selbst, wenn einer von ihnen am nächsten Morgen vielleicht über den Anderen anders denken würde, wusste Arngrim bereits jetzt, dass er ihn in seinem Herzen aufbewahren und stets daran zurückdenken würde.
Waren seine Eltern sich nicht auch in einer ähnlichen Nacht näher gekommen? Und nun lebten sie ein Leben, von dem sie schon immer geträumt hatten!
Sein Verstand war regelrecht benebelt bei jeder kleinen Zärtlichkeit, die beide austauschten, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie sein Körper langsam zu Boden sank, sich zu ihren Decken setzte und Wendolyn regelrecht mit sich zog. Er wusste nicht, was noch passieren sollte, er wollte es auch nicht zu weit treiben, doch er wusste, dass er ihn nicht einfach so wieder loslassen konnte.
Seine Arme hatten mit sanfter Gewalt den schmalen Körper auf seinen Schoß gesetzt, benetzte die zarten Lippen noch einmal mit einem innigen Kuss, ehe er kurz innehielt.
Seine Finger strichten sanft über die warme Wange des Anderen. Wahrscheinlich war er gerade genauso rot, wie sein Gegenüber, doch in der Dunkelheit konnte man dies zum Glück nicht erkennen.
Seine Lippen formten ein leichtes Lächeln, ehe er ihn ein wenig näher zu sich zog und ihm einen sanften Kuss auf die Stirn drückte. „Meine Mutter hatte so etwas Ähnliches gesagt.“, hauchte er ihr leise entgegen, strich sanft mit seinen Fingern durch sein dunkles Haar, während sein Blick beinahe schon wehleidig auf Wendolyns Gesicht ruhten. Er hatte sich so sehr gewünscht, dass er einfach hier geblieben wäre, doch vielleicht waren dies die letzten zwei Tage, die sie gemeinsam hatten und er wollte sie so stark in Erinnerung bleiben lassen.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Di Feb 05, 2019 1:36 pm

Mina wollte gar nicht mehr von dem anderen lassen und es schien Arngrim ähnlich zu sehen. Nun fand sie sich in einer innigen Umarmung wieder, während der Sternenhimmel um sie sich zu drehen schien. Es fühlte sich an, als würden all die Jahre, die sie in eigens auferlegter Unterdrückung gelebt hatte, mit einem warmen Plätschern von ihr abperlten wie Wasser. Dabei kannte sie den Hünen doch kaum. Dabei, wenn sie ehrlich war….Hatte sie den Novizen aus dem Kampfseminar jemals so viel über sich erzählt wie Arngrim? Hatte sie irgendeinem von ihnen erlaubt, so tief in ihre Seele zu blicken wie Arngrim? Während sie sich tiefer in die Umarmung des anderen lehnte und den Kuss genoss, konnte sie maximal eine Person nennen, der sie eine ähnliche Nähe erlaubt hatte. Aber auch Wenzel war so anders gewesen als der Thorwaler. Ohne Protest ließ sie sich von ihm mitziehen, als er wieder auf den Wolldecken Platz nahm. Etwas in ihr wusste, dass sie einschreiten musste, falls Arngrim mehr vorhatte. So sehr sie diesen magischen Augenblick genoss und für immer in ihrem Herzen wahren wollte, Arngrim konnte ihr Geheimnis nicht erfahren. Nicht hier und jetzt in dieser Situation. Aber noch wollte sie die Ruhe und das Herzklopfen nicht unterbrechen.
Die Intensität des Nordlichts hatte ein wenig nachgelassen, aber noch immer erstrahlte das Spektakel hell am Himmel. Vielleicht hatten sich einige der anderen Thorwaler an Deck versammelt, um es zu beobachten, aber hier oben im Krähennest waren sie ganz unter sich. Arngrim hatte sie ohne große Widerworte in seinen Schoß bugsiert und Mina mochte die Wärme, die er ausstrahlte, ließ sich vom Zauber des Moments weiter leiten, bis Arngrim mit einem sanften Kuss auf ihre Stirn ein wenig zur Ruhe zu kommen schien. Seine Hand hatte sich in ihren Haaren verloren und die Magierin genoss das Gefühl außerordentlich. Mittlerweile hatte Mina die Führung wieder dem Größeren überlassen, war ihr Mut aus dem Nirgendwo wieder ein klein wenig abgeebbt. Im Gegensatz zu ihr schien Arngrim genau zu wissen, was er tat. Vermutlich hatte er schon mehr als nur ein Herz erobert, so charismatisch und offen wie er war, während Mina oft nicht mehr verteilt hatte als schüchterne Blicke. Man merkte es an der Art und Weise, wie er sie hielt, wie er durch ihre Haare fuhr und sie umsichtig küsste, dass das alles für ihn nicht das erste Mal war. Es erleichterte Mina, nahm es ihr doch ein Stück die Unsicherheit, die sie in dieser Situation umtrieb.
„Die Sterne hatten schon immer einen seltsamen Effekt auf mich“, murmelte Mina und musste leicht schmunzeln. Sie hatte sich noch nicht die Zeit genommen, Arngrim so genau zu mustern, wie sie es jetzt tat. Er war schlicht und ergreifend ein schöner Mann mit seinen kantigen Gesichtszügen und seinen tiefen grünen Augen. Er konnte sich wohl aussuchen, wen er mit zu sich ins Krähennest nahm, und doch war sie es nun, die hier war. Vielleicht war sie auch nur hier, weil Arngrim nicht wusste, dass sie eine Frau war. Ihr Magen verknotete sich etwas. Wenn sie nicht wollte, dass der Thorwaler mehr über sie herausfand, hätte sie ihn hier und jetzt ins kalte Wasser schmeißen sollen. Dies konnte eine zauberhafte Nacht in ihrer beider Erinnerungen bleiben, an die man gerne zurückdachte an den Höhepunkt einer seltsamen Woche. Sie hätten beide getrennte Wege gehen können in nur ein paar Tagen und dies alles hier wäre irgendwann ein ferner Traum. Mina würde ihr Geheimnis behalten und Arngrim könnte sich an sie erinnern, wenn er wollte, oder eben auch nicht.
„Möchtest du mich nach Andergast begleiten?“
Die Frage war so aus ihr herausgerutscht, dass es sie selbst überraschte, aber nun, da die Worte über ihre Lippen waren, wusste sie, dass sie es genau so meinte. Sie bereute ihre Frage nicht, stützte ihre Hände an Arngrims Brust ab und blickte ihm fest in die grünen Augen.
„Du meintest doch, dass du manchmal länger an Land bleibst, wenn du einen Grund dafür hast und ich….“
Ihre Hand verkrallte sich leicht in seinem Oberteil. Wieso war es so schwer, sich ihm gegenüber zu artikulieren?
„Ich würde mich freuen, wenn du mich begleiten würdest. Ich meine, wir kommen gut miteinander aus, ganz offensichtlich, und der Weg ist weit und ich bin noch nie ganz allein gereist.“
Ein Schwall an Worten verließ nervös ihre Lippen.
„Also ich könnte mich wohl auch allein durchschlagen!“, versicherte sie mit leicht anschwellender Brust. Auf die starken Arme eines Mannes war Mina ganz sicher nicht angewiesen, auch, wenn sie einem ein so wohliges Gefühl gaben.
„Aber zu zweit wäre es sicher spannender?“

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Di Feb 05, 2019 2:25 pm

Arngrim fühlte sich wie in einem Traum, das Leuchten, das den Körper vor ihm umgab, wirkte beinahe unecht, dass er sich kurz leicht auf seine Zunge beißen musste, um feststellen zu können, dass dies tatsächlich alles passierte.
Die Kälte um sie herum wurde durch die Wärme, die sie ausstießen, regelrecht beiseitegeschoben, ein weiterer Grund, wieso er vom Magier gar nicht erst ablassen wollte.
Zu gerne hätte er ein paar passende Worte geformt, doch sein Kopf war nicht in der Lage, auch nur einen Satz zu formen. Umso erleichterter war er, dass es Wendoyln ein wenig anders ging.
Die Stimme des Anderen war angenehm in seinen Ohren, sie war nicht so hart und laut, wie er es sonst kannte und ganz sicher nicht so dunkel, wie die des Thorwalers, was wahrscheinlich auch nicht zu ihm gepasst hätte. Doch seine Aufmerksamkeit halt nicht der Stimme, die zu ihm gesprochen hatten, nein, es waren seine Worte, die eine überraschte Miene auf dem markanten Gesicht zauberten.
Hatte er ihm gerade wirklich angeboten, ihn zu begleiten? Gerade noch hatte Arngrim sich gefragt, was er tun konnte, dass der Magier bei ihm auf dem Schiff blieb und sie nicht bald einfach so getrennter Wege gingen und nun bot er ihm diese Gelegenheit an, mit ihm gemeinsam auf Reisen zu gehen!
Ein Schwall an Emotionen erschlug den Blondschopf regelrecht, während er wie ein Fisch an Land mit leicht geöffneten Mund nach Luft schnappte. Seine Überraschung war mittlerweile in Begeisterung umgeschlagen, beinahe aus kindlichen Augen heraus betrachtete er sein Gegenüber, wortlos heftig mit dem großen Kopf nickend. Wendolyn hatte absolut Recht mit dem, was er gesagt hatte- sie kamen wunderbar miteinander aus, besser, als er sich jemals hätte träumen lassen! Sie hatten nicht viel Zeit gebraucht, um sich zu gegenseitig so viel Vertrauen zu schenken. Ja, bei Swafnir, sie hatten in einer Hängematte geschlafen und gerade zärtliche Küsse ausgetauscht! Was brauchte man noch, um sich absolut sicher zu sein, dass man gut miteinander auskam?
„Ich möchte dich sehr gerne auf deinem Weg begleiten, Wendolyn.“, entgegnete die Stimme des Thorwalers sanft, ihn glücklich angrinsend, auch wenn er bei den nächsten Worten sich ein leises Lachen unterdrücken musste. „Oh, ich glaube, da draußen wirst du dich bei Weitem besser durchschlagen können, als ich es jemals könnte! Aber jeder braucht einen guten Koch auf der Reise und ich glaube wir könnten eine wirklich gute Zeit gemeinsam haben.“, Arngrim konnte sich gar nicht vorstellen, wie öde und auslaugend es wäre, wenn man solch einen weiten Weg ohne Begleitung auf sich nahm.
„Ich mag vielleicht die See, doch ein wenig sich die Beine vertreten wird mir sicher guttun und außerdem hast du etwas auf See gelernt, dann kann ich auch etwas an Land lernen!“, fügte der Seemann sanft lächelnd im nächsten Moment hinzu, strich ein weiteres Mal sanft über die Wange des Anderen und beugte sich anschließend hinüber, um ihn sachte zu küssen.
Trotz der Ruhe, die Wendolyn ausstrahlte, welche sich auf den muskulösen Körper des Thorwalers übertrug, spürte er eine innere Aufregung und Vorfreude auf das, was ihn in einigen Tagen erwarten würde. Er war noch nie wirklich außerhalb seines Schiffes unterwegs gewesen, oder zumindest für keinen langen Zeitraum, dabei wollte er viel mehr von Aventurien sehen und so viele neue Orte erleben! Doch in erster Linie wollte er mehr über den Magier erfahren und ihm so lange es möglich war nicht von der Seite weichen.
Es war schwer zu beschreiben, was in seinem Inneren vor sich ging, so viele Gefühle und Eindrücke hatten sich eingeschlichen und er glaubte, dass das Kribbeln sich immer schneller ausbreitete und bald seinen gesamten Körper einnahm.
Ob es Wendolyn genauso erging?
Auffordernd suchte er die braunen Augen des Anderen, klopfte kurz auffordernd auf seine Brust, dass dieser etwas näher kommen konnte, damit er ihn in eine Umarmung ziehen und gleichzeitig eine Decke über sie werfen konnte. „Es ist kalt, es wäre unverantwortlich, würden wir die Kälte an uns ranlassen.“, erklärte Arngrim schmunzelnd, auch wenn ihm bewusst war, dass er keine Ausreden oder Erklärungen dem Magier vorgaukeln musste in diesem Augenblick.
Den anderen Körper so ruhig in seinen Armen zu halten, gab ihm das Gefühl von Geborgenheit, Ruhe und Zufriedenheit und irgendwo wiegte er sich in Sicherheit, obwohl sein Körper wahrscheinlich ein wenig mehr Stärke aufwies als der des Anderen.
Wendolyn musste wahrscheinlich ein pochendes Herz regelrecht auf seiner Brust spüren, so unkontrolliert, wie es gegen seine Rippen donnerte, als wäre er mehrere Meilen gerannt.
Gedankenverloren strich er sanft über den fremden Rücken, nahm sich hin und wieder auch die Freiheit mit den kürzeren Haaren zu spielen. „Ich glaube, die Sterne sind nicht ganz verantwortlich für meine Handlungen…“, murmelte die dunkle Stimme gedankenverloren. Das Leuchten ebbte nach und nach ab, bis sie irgendwann nur noch umgeben von leuchtender Sternenpracht war, doch Arngrim hatte nicht bemerkt, wann dies geschehen war. Die Geborgenheit und die Wärme, die ihn umgab, stimmten ihn so zufrieden und glücklich und gleichzeitig zog es eine Schläfrigkeit mit sich, dass sein Kopf kurzerhand sich zur Seite neigte und ein leises, zufriedenes Schnarchen seine Atemwege verließ, während seine Arme sich immer noch locker um den anderen Körper geschlungen hatten.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Di Feb 05, 2019 4:18 pm

Da hatte Mina sich wohl nicht geirrt, der Thorwaler wollte sie wohl tatsächlich begleiten. Bei dem Gedanken kribbelte ihr ganzer Körper. Beinahe hatte sie sich schon mit dem Gedanken abgefunden, dass sie sich in ein paar Tagen von dem Thorwaler trennen musste. Und nun standen ihr plötzlich noch mehrere Wochen mit Arngrim bevor. Wie sie ihr Geheimnis so lange vor ihm verbergen sollte, war ihr schleierhaft. Aber das war ein Problem für einen anderen Tag. Jetzt konnte sie sich nur darüber freuen, dass sie die weitere Reise nicht allein antreten musste.
Während die Nordlichter über ihr langsam verloschen, drückte sich Mina enger in die angenehme Wärme, die Arngrim mit der Decke um sie geschaffen hatte.
„Keine Sorge, an Land kenn ich mich aus, wir werden schon nicht verhungern müssen“, murmelte sie. Es brauchte nicht mehr viele Worte, die sanfte Ruhe, die die sternenklare Nacht über sie brachte, war wie Balsam für ihre Seele und schon nach einiger Zeit hörte sie leises Schnarchen von Arngrim. Sie konnte nicht anders als leise zu lachen und mit dem Kopf zu schütteln. Hatte er nicht noch so groß getönt, dass er die Nachtwache problemlos durchhalten könnte? Und nun saß er hier und schlief wie ein Stein, eine Hand locker um ihren Rücken gelegt. Obwohl sie somit wieder alleine in der Dunkelheit war, konnte Mina keine Furcht spüren. Die Dunkelheit hatte für den Moment ihre Macht über sie verloren. Mina rückte ein wenig auf, sodass sie besser über den Rand des Krähennestes lugen konnte. Zwar schaffte auch sie es nicht, die ganze Nacht wach zu bleiben, aber als die ersten Sonnenstrahlen sie weckten, wurden sie sowieso abgelöst.
Was in der Nacht zwischen ihnen passiert war, blieb unter ihnen, aber Mina hatte nicht das Gefühl, dass sie ein Geheimnis daraus machen mussten. Kleine Zärtlichkeiten entwichen vor allem Arngrim während der Fahrt immer wieder, sodass die Crew bald grinsend von dem andergastischen Magier zu berichten wusste, den Arngrim sich geangelt hatte. Keiner schien es aber wirklich böse zu meinen und da Mina ihre Stärke früh genug demonstriert hatte, musste sie keine dummen Sprüche fürchten, als sie die letzten beiden Nächte auch noch in Arngrims Hängematte verbrachte. Über zarte Küsse und unschuldige Blicke war es bis jetzt noch nicht hinausgegangen, auch, wenn Mina das Gefühl hatte, dass es dem Thorwaler in den Fingern juckte. Das Dilemma kochte immer wieder in ihr auf, nur, um dann von der nächsten zarten Interaktion mit Arngrim einfach erstickt zu werden. Am Mittag des vierten Tages kam Land in Sicht, als Mina gerade auf den Schultern des anderen hockte, um einige Seile am Mast zu befestigen. Neugierig streckte Mina sich noch weiter, ihre Finger in Arngrims blonder Mähne vergrabend. Olport war wahrlich ein Anblick, hunderte von Masten reckten sich in die Luft vor den steilen Kalkklippen. Von diesem beeindruckenden Bild hätte Nostria sich ruhig einmal eine Scheibe abschneiden können!
„Das ist also eine wahre Thorwalerstadt!“, staunte sie und gab Arngrim ein Zeichen, dass er sie von seinen Schultern gelassen werden wollte. Jetzt hing sie unentwegt an der Reling und bestaunte die fremdartige Stadt, auf die sie durch das letzte Stück Flussmündung zufuhren.
„Und deine ganze Familie lebt hier? Sicher, dass wir dann einfach so aufbrechen wollen?“
Während sie noch staunte, erreichte sie allerdings ein Gedanke, der ihre Stimmung etwas drückte und die Spannung aus ihrem Körper wich ein wenig.
„Aber wir sollten vermutlich nicht trödeln, immerhin bin ich immer noch Soldat und muss zurück.“
Ihr Gesicht hatte bei diesen Worten ein wenig an Freude verloren, doch sie hatte den Blick von Arngrim abgewandt.
„Dabei würde ich vor allem Estrid gerne kennenlernen.“

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Di Feb 05, 2019 5:54 pm

In jeder anderen Situation mit einer anderen Person hätte es Arngrim wahrscheinlich geärgert, dass er einfach so eingeschlafen war, doch dieses Mal fühlte er sich höchstens ein wenig schuldig, dass er Wendolyn einfach die Nacht über hatte alleine wachbleiben lassen.
Alles andere bereute er jedoch kein bisschen.
Was zwischen ihnen passiert war, wirkte immer noch wie ein wunderschöner Traum, der ihn in der Nacht verfolgt hatte. Doch die nächsten beiden Tage zeigten wieder, dass dies alles andere als ein Traum war.
Normalerweise liebte er es mit seiner Otta über seine neuen Errungenschaften zu reden, zu schwärmen, welch schöne Zeiten er mit einer anderen Person verbracht hatte, in diesem Falle jedoch wirkte es beinahe unangebracht, so prahlerisch zu sein, insbesondere, weil es nicht in seinem Interesse lag, den Anderen bereits fallen zu lassen.
Häufig hatte der Seemann die Nähe zum Magier während ihrer zugeteilten Arbeit gesucht, und wenn er nicht gerade behutsam über seinen Rücken strich oder sanft sein Haar küsste, waren es die vielsagenden, verträumten Blicke, die ihn verrieten und anderen Zeichen genug war zu sehen, dass die beiden wohl nicht einfach nur ein paar nette Kumpel waren, die das Beste aus dieser Lage gemacht hatten. Da war so viel mehr.
Arngrim war glücklich darüber, dass Wendolyn sich nicht für die letzten zwei Nächte in seine eigene Hängematte verkrochen hatte und sie eng umschlungen in seiner nächtigen konnten, anders hätte man in diesem Teil ohnehin nicht schlafen können!
Der Thorwaler versuchte so umsichtig wie möglich zu sein, er hatte sich auf die Reise nach Andergast gefreut und er wollte ihre Zweisamkeit nicht damit ruinieren, dass er ein wenig zu übereifrig handelte und seine manchmal wilde Energie zu stark nach außen trug, wenn es darum ging, Zärtlichkeiten auszutauschen. Manchmal war es schwieriger, sich selbst auf die Zunge zu beißen und nicht allzu aufdringlich dem Anderen gegenüber zu sein, häufig jedoch fiel es ihm gar nicht so schwer, wie zu Anfang erwartet. Ein sachter Kuss, ein Lächeln, mehr hatte er gar nicht wirklich gebraucht.
Die Zeit schien regelrecht im Fluge zu vergehen und ehe sie sich versahen, hatte ihre keine Reise beinahe schon ein Ende genommen.
Der Thorwaler hatte Wendolyn auf seine Schultern gesetzt, damit er an die Stellen besser dran kam, die selbst seine langen Arme nicht erreichen konnten, klopfte dabei gedankenverloren auf seinen Beinen, wenn er sie nicht gerade mit festem Griff umfasste, dass er bloß nicht das Gleichgewicht da oben verlor und noch zu Boden fiel.
Summend wandte er seinen Blick zum Horizont und stieß ein lautes Lachen aus, als seine Augen seine Heimat endlich zu sehen bekamen. Sein Herz machte immer einen kleinen Hüpfer, wenn er sein Zuhause sah, ein Ort, wo er immer wieder zurückkehren konnte und stets willkommen war. Wie sollte es einen also nicht mit Freude erfüllen?
„Und wenn du mich fragst, auch die Beste!“, entgegnete der Blondschopf mit einem Hauch von Stolz, ehe er den Magier hinunterließ und sich kurzerhand zu ihm gesellte.
Die anderen hatten es ebenfalls bemerkt, einige von ihnen ließen ihre Arbeit kurz stehen, um Olport entgegenblicken zu können. Ach, welch ein Anblick, er erfüllte ihre Herzen mit einer Zufriedenheit, die wahrscheinlich sogar jene aus dem Festland verstehen konnten!
„Oh ja! Meine gesamte Familie ist in Olport geblieben, die halbe Stadt wird von uns bevölkert!“, Arngrim musste leise lachen, dabei entsprach dies wahrscheinlich sogar der Wahrheit.
Behutsam hatte sich ein Arm locker um die Taille des Kleineren geschlungen, für einen Augenblick gedankenverloren in die Ferne starrend. Seine Familie hätte sich sicherlich gefreut, die beiden für einige Tage bei sich aufzunehmen, sie zu feiern und kugelrund zu füttern. Allerdings könnte dieser kurze Besuch locker eine Woche dauern und sie wussten ja nicht einmal, dass er so schnell wieder daheim aufkreuzen würde. Vielleicht sollte er wenigstens sich seiner Mutter zeigen. Andererseits hatte sie wohl mit ihren abertausenden von Enkeln mehr als genug zu tun.
„Ach, es ist ja nicht so, dass ich nie zurückkehre. Später bekomme ich noch einen hintern Latz, weil ich häufiger daheim als auf See bin! Vielleicht sehen wir ja meinen Alten, der arbeitet schließlich am Hafen.“, erwiderte der Thorwaler, den Kleineren sanft anlächelnd. „Sobald wir deine Angelegenheiten fertig haben, bringe ich dich mal zu Besuch mit!“, fügte er hastig hinzu. Seine Familie war herzlich und offen, sie würden sogar einen waldbegeisterten Herren bei sich aufnehmen, da war sich Arngrim mehr als nur sicher!
Während er sich bereits überlegte, was sie alles vorher abklappern sollten, hatte Wendolyn jedoch bereits weitergesprochen und seine Laune schien bei den Worten, die seine zarten Lippen verlassen hatten, getrübt zu werden, was leichte Sorgenfalten auf Arngrims Stirn zauberte.
„Ach, Soldat hin oder her! Ein Tag mehr oder weniger würde den Braten jetzt auch nicht fetter machen!“, er klopfte dem Magier aufmunternd auf die Schulter. „Du wirst Estrid noch kennenlernen!“, fügte er hastig hinzu. „Vielleicht sogar noch heute, wir können jetzt ohnehin nicht direkt das Schiff verlassen und losrennen, du wirst schon sehen, was ich meine.“
Als der Magier sich immer noch nicht zu ihm zurückgedreht hatte, beugte der Thorwaler sich ein wenig hinüber, stupste den kleineren Kopf mit seinem an, bis er endlich wieder seine Aufmerksamkeit bekam. „Wie wäre es damit! Wir schauen bei meiner Schwester vorbei und bleiben dort eine Nacht, sehen zu, dass wir alles mitnehmen können, was wir brauchen und ziehen dann am nächsten Morgen bei Einbruch der Sonne los. So hast du keine Zeit vertrödelt und wir kommen ein bisschen zur Ruhe.“, schlug Arngrim vor, dabei fragend in die braunen Augen blickend.
Während sie eine Einigung suchte, die für beide recht und gut war, war das Boot bereits gefährlich nah am Hafen und setzte an einer freien Stelle an.
An Land hatten bereits laute Stimmen sie erwartet. Es war immer eine Freude, wenn eine Otta ihr Zuhause erreicht hatte und alle wohlauf waren, das waren zwei wunderbare Gründe, um zu feiern!
Ein kleiner Ruck ging durch ihr Schiff, als sie endlich stehen blieben und plötzlich reges Treiben an Deck, wie auch an den Docks vorherrschte und so gerne Arngrim die Zweisamkeit weiter mit Wendolyn genossen hätte, mussten sie doch alles vorbereiten, dass sie das Schiff verlassen und dieses in einem vernünftigen Zustand hinterlassen konnten.
Abgemeldet hatte er sich wenigstens bei dem Kapitän bereits, den es wahrscheinlich nicht weniger hätte stören können, hier nahm keiner jemand anderem es übel, sollte die Person sich für eine Weile auf etwas anderes konzentrieren wollen, denn sollten sie zurückkehren wollen, würde ihr Platz bis zum Ende freigehalten werden. Immerhin waren sie eine Otta und das war gleichzusetzen mit dem starken Familienband, welches er hatte.
Die beiden hatten nicht viel Zeit, sich zu unterhalten, alle Segel wurden eingeholt, ihr Gepäck wurde eingepackt und Arngrim hatte Wendolyn sogar seine nie benutzte Hängematte samt Decke in die Hände gedrückt. „Falls du eines Tages dich doch wieder in einem Schiff wiederfindets, hast du schon mal einen Schlafplatz!“
Natürlich hatten es einige seiner Leute nicht genommen, beide zum Feiern in den lokalen Schenken einzuladen und als der Thorwaler schweren Herzens ihnen abgesagt hatte, hatte man sie zumindest in starke Umarmungen gezogen.
Selbst Leif, mit dem es sich Wendolyn am Anfang verscherzt hatte, hatte freundschaftlich seine Arme um beide geschlungen. Nachtragend war hier zum Glück niemand!
„Sei gleich vorsichtig, wir waren vier Tage auf wackeliger See, Festland wirkt jetzt wie Neuland für dich.“, warnte der Blondschopf seinen Begleiter, als sie schlendernd den Mast hinuntergingen und den Hafen endgültig erreichten.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Di Feb 05, 2019 7:26 pm

Gespannt lauschte Mina Arngrims Erzählungen über seine Familie. Olport sah nicht so groß aus wie Andergast, bei Weitem nicht, dennoch waren die Worte des Thorwalers wohl eine Übertreibung. Von ihrer eigenen Familie war nichts mehr übrig außer sie selbst, doch dieser Gedanke sollte ihre Stimmung nicht trüben. Arngrim war viel zu glücklich, wieder hier zu sein, als dass Mina ihn gleich mit traurigen Geschichten attackieren wollte.
„Ist dein Vater auch Seefahrer? Du musst mir alles über deine Familie erzählen, ich würde sie so gerne kennenlernen!“
Ihr Lächeln verrutschte bei den Worten des Thorwalers ein wenig, denn sie wusste, dass das alles nicht so einfach war, wie er sich das vorstellte. Wenn sie wieder in Andergast war, musste sie ihren Wehrdienst fortsetzen. Das waren Jahre, die sie im Krieg und vor allem in ihrem Heimatland selbst verbringen musste. Für Abenteuer war da keine Zeit, wenn die Pflicht rief. Zwar hatte Mina mit ihrer hoffnungsvollen Anfrage einige wertvolle Wochen mit dem anderen rausgeschlagen, aber irgendwann würde der Moment kommen, in dem sie sich unausweichlich von ihm trennen musste.
„Welche deiner Schwestern, Estrid?“, fragte Mina nach und ließ sich nur allzu bereitwillig von ihren trüben Gedanken ablenken. Wenigstens eine Nacht in Olport zu verbringen sollte wohl in Ordnung sein, einen festgelegten Zeitplan hatte sie immerhin nicht, sodass Arngrim mit seiner Aussage wohl recht hatte. Vielleicht konnte sie dort endlich einmal wieder ein Bad nehmen und in einem ordentlichen Bett schlafen! Außerdem hatte sie auch nicht einen Kreuzer bei sich, um sich mit den notwendigsten Dingen für die Reise einzudecken! Nahrung hätte sie sich im Zweifelsfall selbst organisiert, aber Zelt und Decken wurden schon schwieriger.
„Ist es denn in Ordnung für deine Schwester, wenn wir einfach bei ihr vorbeischneien?“, fragte Mina neugierig, während um sie herum geschäftiges Treiben ausbrach. Das Drachenboot war bereit anzulegen und wurde schon von einer kleinen Traube Thorwaler erwartet. Ihr Bestes gebend, um nicht im Weg zu stehen und bei der ein oder anderen Aufgabe helfend, wartete Mina, bis das Boot endlich still im Hafen lag. Für einen kurzen Moment ging es zu wie in einem Bienenstock. Viele Thorwaler strömten auf den Steg, umarmten ihre Liebsten oder verabschiedeten sich von ihren Reisegefährten. Einige kamen auch vorbei, um sich von Arngrim zu verabschieden. Dass der sie fürs erste verlassen würde, hatte sich wohl rumgesprochen und Mina bekam nun zu spüren, wie viele Mitglieder dieser Crew sich herzlichst von ihm verabschieden wollten. Zwar ließ sich die Magierin nicht lumpen, sich ebenfalls von den Leuten zu verabschieden, die sie mittlerweile wenigstens vom Sehen her kannte, doch ihre Aussage, dass sie nicht so eine offenherzige und laute Person war wie die meisten Thorwaler, zeigte sich noch einmal aufs Neue. Als die Verabschiedungen endlich etwas abgeklungen waren, drückte Mina ihre Hängematte etwas fester an sich.
„Und du bist dir sicher, dass du nicht doch hierbleiben möchtest?“, fragte sie etwas kleinlaut, während sie über den Steg an Land gingen. Arngrim hatte Recht, das Festland fühlte sich nicht mehr so solide und sicher an, wie sie es gewohnt war und etwas irritiert versuchte sie, ihrem Körper das Ausbalancieren beizubringen.
„Sapperlot, ich weiß schon, wieso ich normalerweise nicht aufs Meer gehe!“, schimpfte Mina, während sie sich haltsuchend an Arngrim klammerte. Sie waren schon weit in die Gassen OIports marschiert, bis sich ihre Beine wieder etwas normalisiert hatten.
Obwohl nicht nur Thorwaler in der Hafenstadt unterwegs waren, stellten sie doch den Großteil der Leute, die durch die Gassen stromerten und Mina fühlte sich auf einmal noch ein bisschen kleiner. Mittlerweile wurde es schon langsam dunkel, sodass Mina froh war, als sie vor einer gemütlichen Taverne hielten.
„Deine Schwester hat eine eigene Taverne?“, fragte Mina mit leuchtenden Augen und ließ sich von Arngrim mit ins Innere ziehen. Drinnen war es laut und warm; ein Barde gab auf einem der Tische stehend eine Heldenlegende zum Besten und eine große Frau knallte gerade eine Ladung Bierhumpen auf einen Tisch, als sie Arngrim eintreten sah. Mit einem überschwänglichen Grinsen kam sie auf die beiden zu und hob den Thorwaler in einer festen Umarmung kurz vom Boden an.
„Arngrim, kleiner Bruder, hast du dich auch endlich wieder hierher verirrt?“, lachte sie mit lauter Stimme. Mina konnte nicht anders, als die Thorwalerin mit großen Augen anzustarren. Noch nie hatte sie so eine riesige Frau gesehen und ihre Muskeln stellten die Arngrims beinahe in den Schatten. Waren etwa alle aus der Familie des Seefahrers solche Giganten? Augenblicklich nahm Mina Haltung an und streckte der Wirtin eine Hand zur Begrüßung entgegen. Ihr Händedruck war kräftig wie eh und je, Estrid allerdings zerquetschte ihr fast die Finger.
„Ihr müsst Estrid sein, Arngrim hat mir viel über Euch und Eure Stärke erzählt.“
Ehrfürchtig senkte Mina den Kopf zu einem Nicken.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Di Feb 05, 2019 9:13 pm

Es hatte ein wenig gedauert, bis Wendolyn wieder sich mehr oder weniger sicher auf dem Festland bewegen konnte, Arngrim hatte selbst für einen klitzekleinen Moment sich daran gewöhnen müssen, dass kein stetiges Schaukeln sie umgab.
„Mir ist aufgefallen, du bist kein einziges Mal seekrank geworden, so schlecht war das Meer ja gar nicht zu dir!“, mit einem breiten Lächeln ließ er seinen Blick zum Kleineren wandern, während sie durch die Gassen umherstreiften.
Es war reges Treiben in Olport, sie hatten zu einer sehr beschäftigten Zeit angelegt und so mussten sie manchmal einigen Menschenmassen ausweichen.
Obwohl der Tag sich ganz sicher noch nicht zum Ende neigte, begann die Sonne sich hinter dem Horizont zu verstecken und als sie endlich vor den Türen einer Taverne standen, wurden bereits die ersten Fackeln angezündet, damit die Stadt nicht der Dunkelheit ausgeliefert war.
Auf die Frage des Anderen hin nickte der Blondschopf nur eifrig, schnappte sich seine Hand und zog ihn mit hinein in die warme Schenke.
Ah, alleine der Duft, der sie umgab, fühlte sich wahrlich heimisch an. Es hatten sich bereits einige Bewohner und auf Reisende hierher verirrt, ein Skalde hatte bereits für ein gutes Bier und eine warme Mahlzeit die besten Geschichten und Lieder hinaus in die Menge getragen und wurde dafür ordentlich gefeiert.
Die grünen Augen musste nicht lange suchen, um seine große Schwester zu finden, sie war auch kaum zu übersehen, überragte sie doch die meisten ihrer Gäste um einiges.
Mit einem breiten Grinsen, gefolgt von einem Lachen öffnete er seine Arme, die sich im nächsten Moment fest um den muskulösen Körper der hoch gewachsenen Frau schlangen, die es sich nicht hatte nehmen lassen, und ihre Stärke direkt demonstrierte, indem sie ihn ein wenig hochhob. Er konnte immer noch nicht fassen, dass er immer noch nicht genauso stark war wie sie!
„Estrid! Wie ich sehe steht die Taverne ja sogar noch!“, lachte der Thorwaler, sich demonstrativ umschauend, ehe sein Blick wieder zu seiner Schwester wanderte.
„Das ist übrigens Wendolyn, er ist aus Nostria mit uns hierher gereist und bräuchte, so wie ich, eine Unterkunft. Wir sind auch besonders platzsparend!“, das netteste Lächeln, was er eh fabriziert hatte , stahl sich auf seine Lippen. Er wusste, dass sie ihnen niemals die Tür vor der Nase zuschlagen würde. Für besondere Besucher und Familie hatte sie immer ein Zimmer frei, was sie nicht einmal dann vermietete, wenn ihre Taverne regelrecht aus allen Nähten platzte.
Estrid winkte ihren Bruder wortlos ab, wandte sich lieber zu der neuen Bekanntschaft, die ihr kleienr Bruder da mitgebracht hatte, seine Hand lächelnd entgegen nehmend und fest drückend. Sollte der Kerl mal sehen, aus welchem Holz die Thorwaler hier geschnitzt waren!
„Wendolyn, also! Und dann hast du schon alle wunderbaren Geschichten mir vorweggenommen! Arngrim! Wie soll ich denn jetzt aufziehen, wenn du es schon für mich getan hast?“, mit einem Kopfschütteln blickte sie kurz ihren Bruder an, welcher sich im nächsten Moment jedoch von den beiden entschuldige, als er zwei laute Kinderstimmen vernahm und regelrecht von zwei Jungs überrannt wurde, die begangen auf ihn zu klettern und sich hochheben zu lassen, während ihre Plappermäuler nicht aufhörten, den Seemann mit den unsinnigsten Fragen auszulöchern. Sie sah es schon kommen, sie zog gerade noch zwei Piraten auf!
Mit einem schweren Seufzer, gefolgt von einem leisen Lachen ließ sie ihre dunklen Augen wieder zu dem fremden jungen Mann schweifen.
Na, nach einem Seemann sah der aber nicht aus!
„Damit ist er für den halben Abend wohl beschäftigt. Die beiden können nicht genug von ihrem Onkel haben. ‚Wann bringt Onkel Arngrim uns was mit? Wann können wir mit ihm in See stechen? Ich will auf ein Säbel!‘.“, sie schüttelte erneut den Kopf. „Soll der noch einmal ankommen mit seinen fünf Kindern, die er irgendwann mal großziehen will!“, fügte sie scherzhaft hinzu, hielt einen Moment inne, ehe sie sich schnell wieder sammelte und Wendolyn auf die Schulter klopfte. „Aber genug von Familiengeplapper! Wollen wir doch erstmal zusehen, dass ihr euch hier ein bisschen ausruhen könnt! Ein gutes Bier und ein warmes Essen wäre doch mal ein Anfang!“, Estrid musterte den jungen Mann für einen Augenblick und rümpfte kurz die Nase. „Wobei, vielleicht lasse ich euch beiden mal ein Bad ein. Man sollte meinen auf See gibt es genug Wasser, um sich waschen zu können, aber die See trügt manchmal! Komm, mein Guter, dein Freund ist ohnehin gerade mit den Unruhestiftern beschäftigt, da kann ich dir mal ein schönes warmes Bad einlassen!“
Estrid bedeutete dem Dunkelhaarigen ihr die Treppen hinauf zu folgen, musterte dabei hin und wieder neugierig die schmale Gestalt. „Ein Magier mit einem Schwert? Das sieht man ja nicht alle Tage und schon gar nicht aus Nostria. Was genau hat es dich auf ein Thorwalerschiff verschlagen?“, fragte die Wirtin neugierig, während sie bis zum Ende eines langen Ganges schlenderten. „Und etwas sagt mir, dass ihr wahrscheinlich nicht mehr so lange hierbleibt, sonst hätte mein kleiner Bruder sich bei unseren Eltern eingenistet. Geht es etwa bald wieder auf hohe See?“
Estrid hatte schon sehr viele Besucher kommen und gehen sehen und sie hatte schon immer ein gewisses Gespür für das, was Leute antrieb und vor allem für wie lange sie an einem Ort bleiben wollten. Was den Magier angetrieben hatte, sich ein paar Piraten anzuschließen, konnte sie allerdings noch nicht ganz verstehen oder gar erkennen.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Di Feb 05, 2019 11:20 pm

Zu hören, sie sei aus Nostria – auch, wenn sie wusste, wie Arngrim das gemeint hatte – versetzte Mina einen leichten Stich ins Herz, aber bevor sie die Angelegenheit richtig stellen konnte, wurden sie schon von zwei Kindern regelrecht überfallen. Mina musste schmunzeln bei dem Anblick, wie sie Arngrim erklimmen, als wäre er ein Berg und wie sie ihn mit Fragen löcherten. Dieser Mann schien aber wirklich auch überall beliebt zu sein! Wer konnte es den Leuten schon verübeln, wenn sie ihm massenweise ergeben waren, auch jetzt beschäftigte er sich direkt rührend mit seinen Neffen und war schnell in alberne kleine Kraftdarstellungen und Erzählungen verwickelt.
„Keine Sorge, ich höre mir gerne noch mehr Geschichten von starken Frauen an! Ich bin mir sicher, dass Arngrim längst nicht alles erzählt hat“, schmunzelte Mina. Dass solche Frauen wie Estrid hier in Thorwal existierten, dass es generell hier in der Welt Gegenden waren, die offenherziger und progressiver waren als Andergast, stimmte sie freudig.
„So große Pläne hat Arngrim also noch?“
Minas Augenbrauen hoben sich an. Vielleicht hatte er doch nicht nur an Männern ein Interesse. Sonst würde das mit dem Nachwuchs nämlich schwierig werden. Sollte sie das nun froh oder eher besorgt stimmen? Und wieso plante sie überhaupt eine so ferne Zukunft mit ihm? Gut, dass Estrid einen besseren Fokus dafür hatte, was jetzt in diesem Moment wichtig war. Essen und Trinken klangen zwar verlockend, aber Mina war froh, dass die Wirtin das Bad von selbst ansprach. Frische Kleidung und ein wenig Seife würden für ihr Selbstwertgefühl gerade wahre Wunder wirken! So weit weg von Nostria konnte Mina vielleicht auch endlich wieder ihre Uniform tragen, wenn Estrid so freundlich war, sie zu waschen.
„Ich glaube, in den Fluten hätte ich nicht schwimmen gehen wollen, das Meerwasser ist doch eiskalt“, gestand Mina der großen Frau etwas peinlich berührt und folgte ihren schnellen Schritten. Im Moment war sie ständig von Menschen umgeben und die Aussicht auf etwas Zeit für sich allein war verlockend. Außerdem bestand ihr Brustkorb mittlerweile nur noch aus Schmerz, sodass sie sich nach einer Gelegenheit sehnte, die Bandagen endlich loszuwerden. Vermutlich hatte sie sich längst eine Rippe gebrochen, aber nachdem sie die Nächte immer eng umschlungen mit Arngrim verbracht hatte, hatte sie es nicht gewagt, ihre Verkleidung zu lockern.
„Oh, ich komme keinesfalls aus Nostria, den Zwölfen sei Dank!“, beeilte Mina sich, das Missverständnis aufzuklären. Allein der Gedanke, man könnte sie für einen von diesen Flunderköpfen halten, furchtbar!
„An unserem Kampfseminar werden alle Magier im Kampf mit dem Schwert geschult. Auf körperliche Ertüchtigung wird ebenso viel Wert gelegt wie auf das Bücherstudium. Im Krieg sollte man immerhin kein Stubenhocker sein“, erklärte Mina ihr nicht ohne Stolz. Sie war froh darüber, das Klischee vom bücherbesessenen, der nicht einmal einen Dolch führen konnte, nicht zu bestätigen.
„Ich wurde gefangengenommen und nach Nostria verschleppt, aber ich konnte mich auf ein Schiff retten. Ich hatte wirklich großes Glück, dass Arngrim mich dort entdeckt hat. Er war gut zu mir.“
Bei den letzten Worten war eine Röte in Minas Gesicht aufgestiegen, aber vielleicht hatte Estrid das ja auch nicht gemerkt, immerhin hatte sie gerade die Tür zu einem kleinen Baderaum geöffnet.
„Arngrim möchte mich zurück nach Andergast begleiten!“, erklärte sie Estrid, während sie eintraten. Ein großer Zuber stand dort in der Mitte, in dem sicherlich auch vier Thorwaler Platz gehabt hätten. Mina half Estrid beim Befüllen und trat dann ein Stück vor.
„Wenn ich das Wasser selbst erhitze, bekomme ich dann ein paar ruhige Minuten für mich allein im Bad?“, fragte Mina herausfordernd und krempelte ihre Ärmel hoch. Sie musste ihren Ignifaxius nur ordentlich hinunter schrauben und schon brodelte das Wasser mit einer angenehmen Wärme! Triumphierend blickte Mina die Wirtin an und legte ihre Waffen anschließend demonstrativ auf einen kleinen Hocker neben sich.
„Dürfte ich Euch bitten, meine Kleidung zu waschen? Sonst könnte das Bad eventuell nicht so produktiv wie nötig sein.“
Estrid hatte ihr sogar ein paar frische Sachen gebracht, die sie bis morgen tragen konnte und hatte Mina dann für eine Weile sich selbst überlassen. Die Tür war kaum ins Schloss gefallen, als Mina sich ihr Wams eiligst über den Kopf zog und den Verband beinahe von ihrem Körper riss. Als die Bandagen endlich gelöst waren, sank sie mit einem tiefen Stöhnen ins Badewasser. Ihr Oberkörper war grün und blau und als sie sich selbst vorsichtig abtastete, meinte sie, eine gebrochene Rippe zu spüren. Selbst im warmen Wasser war der Schmerz beinahe unerträglich, sodass Mina einige leise Schluchzer ausstieß und ihren Kopf tiefer in das warme Wasser drückte, damit es ihre Tränen direkt fraß.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Mi Feb 06, 2019 12:22 am

Interessiert lauschte sie den Worten des Anderen, dabei anerkennend nickend. „Das hatte Arngrim wohl vergessen mitzuteilen, aber dann bin ich jetzt ein wenig schlauer.“, erwiderte die blonde Frau freundlich lächelnd. Sie kannte den Zwist zwischen den beiden Völkern nur oberflächlich und aus Gesprächsfetzen oder Beschwerden ihrer Gäste, die aus diesem Gebiet oder aus der Nähe herkamen. Sie selbst hatte beide Orte noch nie besucht und jetzt verlor das Leben eines Reisenden irgendwie auch seinen Reiz, immerhin hatte sie alles hier, was sie wollte und sie wollte es für kein wahnwitziges Leben austauschen, was ihr kleiner Bruder und ihre kleine Schwester beide führten.
Die nächsten Worte des Magiers machten sie ein wenig aufmerksamer, sie blickte kurz von der Tür zum Baderaum weg, erkannte die leichte Röte im Gesicht des Kleineren und musste sich ein Lachen verkneifen. Arngrim konnte nie die Finger von anderen lassen! „Das stimmt wohl, Arngrim ist eine gute Seele. Und es tut ihm vielleicht auch ein wenig gut, mehr als nur die schäumende See zu sehen. Da draußen gibt es weitaus mehr als nur Boote.“
Zu hören, dass irgendjemand es geschafft hatte ihren kleinen Bruder vom Schiff zu reißen, erstaunte Estrid zutiefst, nicht einmal ihre Eltern konnten ihn dazu bringen länger als ein paar Tage daheim zu verbringen, ehe er schon zu seiner Otta sprintete und ihnen allen ‚Lebewohl‘ sagte! Da war Sigrun noch ein wenig umgänglicher.
Offenbar schien der Seemann weitaus mehr, als das übliche Interesse diesem jungen Heeren gegenüber zu empfinden.
„Nun, dann wollen wir dir mal ein schönes Bad einlassen!“, mit diesen Worten begann die Wirtin das Wasser in den großen Zuber zu schöpfen, dankbar dafür, dass der Andere ihr dabei aushalf, sodass sie schneller mit dieser nervigen Prozedur fertig waren, als es normalerweise gedauert hätte. Sie wollte gerade etwas Feuerholz unter den Zuber werfen, als die Stimme des Kleineren erklang und sie für einen Moment innehielt. „Oh, bitte, ich werde dich nicht davon abhalten, meine Ressourcen zu sparen!“, lachte die Wirtin herzlich, dabei den Magier beobachtend, wie er das Wasser offenbar langsam zu erhitzen brachte.
Neugierig hielt sie ihre Hand in das Wasser und stieß dabei einen erstaunen Laut aus. Estrid hatte nicht an den magischen Fähigkeiten gezweifelt, doch interessant war es dennoch gwesen! „Ja, beim großen Wal, ich sollte mir einen Magier für meine Schenke zulegen, das würde hier einiges einfacher gestalten!“, sie blickte den jungen Mann anerkennend an, ehe sie mit einem Lächeln nickte. „Natürlich wasche ich deine Sachen, wenn ihr wieder aufbrechen wollt, sollten sie bis morgen früh auch wieder frisch und sauber sein. Ich hab hier sicherlich noch etwas liegen, was dir passen könnte!“, mit diesen Worten hatte sie sich hastig vom Baderaum wegbewegt und in einer Kleidertruhe Kleidung gefunden, die ihr Mann zu seinen jüngeren Jahren getragen hatte. Dieser hatte sich natürlich mittlerweile der Wirtschaft gewidmet, während die Thorwalerin sich um ihren Gast kümmerte.
Schnell brachte sie dem Magier die Wechselkleidung und ließ ihn alleine im Bad, immerhin wollte sie ihn nicht allzu lange aufhalten und ein Familienmitglied und viele Gäste warteten im Schankraum auf sie!

Schnell hatte sie Bestellungen angenommen, die großen Bierhumpen mit einer Leichtigkeit von einem Tisch zum nächsten balanciert und Arngrim sogar gegen seinen Hinterkopf geschlagen, als dieser sich einen Teller auf ihrem Tablett stibitzen wollte, welcher nicht für ihn bestimmt war. Dieser war ohnehin aufgegangen mit ihren Jungs, erzählte ihnen die abenteuerlichsten Geschichten, bei denen sie hin und wieder lachend den Kopf schütteln musste. Jedoch ließ ihr kleiner Bruder es sich nehmen, nach seinem neuen Begleiter zu fragen und wo sie ihn hingesteckt hatte. Sie konnte sehen, dass er zu gerne ihm beim Baden beigewohnt hätte, die Sehnsucht in seinen Augen war förmlich spürbar. War ihr kleiner Bruder etwa verliebt in den badenden Burschen? Na, dass sie sowas noch erlebte!
Ach, bei Swafnir! Die Kleidung! Wie konnte sie das vergessen?
Mit schnellen Schritten eilte die Thorwalerfrau schnell die Treppen wieder hinauf, ließ den langen Gang mit einigen langen Schritten hinter sich, bis sie vor der Tür zum Bad stehen blieb und für einen kurzen Augenblick innehielt.
Waren das Schluchzer, die sie da vernommen hatte? Es klang ganz so, doch wer sollte da drinnen schluchzen außer Wendolyn? Estrid verzog besorgt das Gesicht. Sie war keine Frau, die ihre Gäste einfach so störte und wenn er einen ruhigen Moment brauchte, um sich zu sammeln, sollte er das bekommen, doch schien das Leid ihn wahrlich gepackt zu haben, dass er sogar einige Oktaven höher offenbar seine Tränen zu vergießen schien.
War Arngrim vielleicht doch nicht so gut zu ihm, wie er es vorher angegeben hatte? Nein, das wäre untypisch für ihren Bruder!
Was auch immer es war, Estrid wusste, dass sie nicht einfach so wieder gehen konnte, sie brauchte ja noch die Kleidung zum Waschen!
Zaghaft klopfte sie gegen die Tür, diese jedoch im nächsten Moment öffnend. Sie hatte es tagtäglich mit Männern zu tun, sie würde ihm also nichts weggucken, doch er hatte genug Zeit bekommen, um sich so zu setzen, dass sie keinen Blick auf bestimmte Körperteile wagen konnte, nicht, dass es überhaupt in ihrem Interesse lag.
„Entschuldige, Wendolyn, ich hab vergessen deine Kleidung zum Waschen mitzunehmen.“, entgegnete sie mit einem leichten Lächeln, während sie die schmutzige Bekleidung einsammelte, dabei die grauen Bandagen etwas näher betrachtend.
„Bist du verletzt? Soll ich dir gleich eine neue Bandage anlegen?“, besorgt wandte sie sich an den jungen Mann, der beinahe schon panisch seinen Oberkörper zu bedecken schien. Seltsam.
Doch mehr Besorgnis erregte ihr Gesicht, was deutliche Merkmale aufwies, dass das Schluchzen, was ihre Ohren vorher vernommen hatten, keine Hirngespinste waren. „Wendolyn, hast du Schmerzen? Hast du deswegen geweint?“, sie wusste, dass es wahrscheinlich sehr plump von ihr war, diesem jungen Mann solche bohrenden Fragen zu stellen, doch in erster Linie hatte sie die Fürsorge gepackt, sie wollte ihn nicht bloßstellen oder schlecht über ihn denken.
Natürlich wollte er es herunterspülen und so tun, als wäre nichts, doch so einfach war Estrid nicht auf der Nase herumzuführen!
Fast schon verärgert zog sie ihre Augenbrauen zusammen, den Magier voller ernst anblickend. „Mein Bruder mag manchmal ein kleiner Dummkopf sein, aber ich bin es nicht. Du brauchst mir nicht vorzuspielen, dass du keine Schmerzen hast, ich sehe es doch an deinem Gesicht! Glaube mir, ich bin in einer Familie aufgewachsen, die allesamt versuchen die Stärksten zu sein und wer ist im Endeffekt der Stärkste unter uns allen? Ganz genau, das bin ich? Und weißt du wieso? Weil ich weiß, wann es Zeit ist zu sagen, dass man verletzt ist und Hilfe braucht und sich nicht wohl fühlt. Es ist nichts Schwaches daran, wenn man eine Träne vergießt, ja selbst wenn es Hunderte von Tränen sind! Du kannst keine wochenlange Reise auf dich nehmen und dabei so tun, als würde dich nichts stören. Lass mich wenigstens sehen, was du da verbirgst, bitte. Ich schwöre bei Swafnir und meiner Taverne, dass ich Arngrim auch nichts sagen werde, ich bin doch kein Tratschmaul, wie jeder andere Wirt da draußen!“, auffordernd stemmte die Thorwalerin ihre Arme in die Hüfte, geduldig darauf wartend, dass Wendolyn endlich nachgab.
Etwas schien hier nicht ganz zu passen, sie wusste nur nicht genau, was es war, doch etwas sagte ihr, dass diese Verletzung nicht das Einzige war, was sie gerade versuchte vor ihr zu verbergen. Wenn man so lange so viele Menschen ein- und ausgehen sah, so viele Gespräche und Körpersprachen beobachtet hatte und dann noch irgendwann selbst lernen musste, die Haltungen und Körpersprachen ihrer Kinder zu deuten, war es irgendwann ein Leichtes, zu erkennen, wenn etwas nicht stimmte.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Mi Feb 06, 2019 7:26 pm

Dass Mina sich so sehr von ihren Emotionen einnehmen ließ, dass sie völlig die Fassung verlor, war eigentlich eher untypisch für sie. Aber die letzten Wochen hatten sich wie eine bedrohliche Welle über ihr aufgetürmt, und nun endgültig über ihr zusammenzubrechen. Es war nicht nur der Schmerz in ihrem Oberkörper, es war auch die Anspannung nach ihrer Gefangennahme und ihre generelle Hilflosigkeit ihrer Verkleidung, die sie plötzlich einholten. Arngrim hatte mit seiner Anwesenheit den Stress und die Angst für eine Weile vertrieben, doch nun war alles wieder da und zog ihr den Boden unter den Füßen weg. Mina konnte gerade nur hoffen, dass ihre Tränen irgendwann versiegen und das Bad ihre Seele beruhigen würde. Gerade, als sie sich zu mindestens damit abgefunden hatte, dass sie sich ausweinen musste, bevor sie in den Schankraum zurückkehrte, hörte sie ein Klopfen an der Tür. Mit geweiteten Augen starrte sie auf die Klinke, die sich langsam herunterdrückte und drückte ihren Körper tiefer unter Wasser, die Arme schützend vor ihrer Brust verschränkt. Mit verquollenen Augen starrte Mina zu Estrid auf, die zu ihr ins Bad kam. Vielleicht schnappte sie sich ja wirklich nur schnell ihre Sachen und verschwand dann wieder. Aber ein solches Glück hatte Mina wohl nicht. Aus ihrer jetzigen Position konnte die Thorwalerin unmöglich etwas erkennen, aber ihr prüfender Blick machte keine Hoffnungen, dass sie diese Situation so ruhen lassen würde.
„Oh, das ist nicht schlimm, ich hätte sie Euch auch nachgebracht“, versicherte Mina eilig in dem Bestreben, das Gespräch in eine unbeschwerte Richtung zu lenken, aber Estrid hatte sie wohl schnell durchschaut.
„Das ist nichts, nur eine alte Kriegsverletzung, darüber müsst Ihr Euch keine Sorgen machen.“
Wie hatte Mina bloß so unvorsichtig sein können? Sie hätte die Bandagen nicht so offen liegen lassen sollen, aber sie war so eifrig gewesen, sie loszuwerden und in das heiße Bad zu steigen, dass sie ihre übliche Vorsicht vergessen hatte. Und nun stand Estrid vor ihr und stellte bohrende Fragen.
„Es ist schon in Ordnung, ich kann mir gleich mit einem Zauber selbst verarzten, Ihr müsst Euch wirklich keine Sorgen um mich machen, Estrid.“
Mina merkte selbst, wie verzweifelt ihre Stimme klang. Sie konnte gegenüber der Thorwalerin nicht ausfallend werden – und wollte es auch nicht. Immerhin hatte sie sie ohne Nachfragen in ihre Taverne eingeladen und war so herzlich und offen gewesen. Aber wie sollte sie aus dieser Situation entkommen? Wollte sie es überhaupt? Der zornige Blick der Frau war einschüchternd und die Magierin musste wieder daran denken, dass sie noch stärker war als Arngrim.
„E-Es geht nicht darum, dass ich keine Schwäche zugeben kann!“, protestierte Mina stotternd. Sie wusste ja selbst nicht, wohin mit sich. Irgendetwas in ihr vertraute dieser Frau. Sie mochte laut und forsch sein, aber sie schien Ahnung vom Leben zu haben. Sie würde sie nicht auslachen oder verurteilen, sie war doch selbst eine starke Frau!
„Ihr dürft das hier niemandem verraten, Estrid. Wo ich herkomme, steht auf so einen Betrug die Todesstrafe“, entgegnete Mina ihr mit brüchiger Stimme. Ihr Blick glitt kurz an der Hünin vorbei zur Tür, die noch leicht angelehnt war. Sie streckte ihre rechte Hand aus und ließ sie mit einem Motoricus ins Schloss fallen. Was sie nun erzählen würde, durfte nicht an die falschen Ohren gelangen. Obwohl sich ihr ganzer Körper dagegen sträubte, nahm sie auch den linken Arm von ihrer Brust und setzte sich leicht im Badewasser auf, sodass Estrid ihre Brust sehen konnte, die zwar nicht besonders üppig, aber doch unverkennbar weiblich war.
„Ich heiße gar nicht Wendolyn, ich heiße Mina. Bitte, ich wollte Arngrim nicht boshaft an der Nase herumführen, das müsst Ihr mir glauben! Aber niemand darf wissen, dass ich eine Frau bin, ich lebe versteckt, seit ich zwölf bin, das konnte ich doch jetzt nicht einfach aufgeben!“
Betrübt blickte Mina auf die Wasseroberfläche, auf der sich leichte Wellen kräuselten. Niemals hätte die junge Magierin gedacht, dass sie einer wildfremden thorwalschen Wirtin ihr Herz ausschütten würde, aber die Worte hatten ihre Lippen schon so lange verlassen wollen und irgendwie fühlten sie sich bei dieser Person sicherer an als anderswo.
„Und jetzt war ich seit Tagen immer umringt von Menschen und ich konnte die Bandagen nie lösen und hab mir eine Rippe gebrochen und wenn Arngrim herausfindet, dass ich ihn angelogen habe…“
Mina rang mit den Händen und wischte sich schließlich einige hilflose Tränen aus dem Gesicht.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Mi Feb 06, 2019 9:22 pm

Aus auffordernden Augen heraus, hatte sie den jungen Mann angeblickt, ein wenig Zorn spielte wohl auch hinein. Nicht, weil er ihm vielleicht etwas vorgaukelte, sondern, weil er es sich nur noch schlimmer machte und keine Hilfe zuließ.
Wieso waren einige Kerle nur so unglaublich stur? Aber Estrid wäre nicht Estrid, wenn sie auch diese Nuss knacken würde, sie lebte in Thorwal, verdammt nochmal, da waren sowohl Mann und Frau schlimmer denn je! Und sie hatte bereits viele Bekanntschaften mit Zwergen gemacht, die sie nicht, wie ihr kleiner Bruder, mit einem Hauch von Abscheu be- und verurteilte.
„Keine Sorgen? Na du bist mir ja einer!“, erwiderte die Stimme polternd. Da hatte er leider die falsche Person vor sich gehabt und er sollte besser schnell sich damit abfinden, dass sie nicht so leicht einfach wieder nachlassen würde. Jetzt erst recht nicht.
Fast hätte die Thorwalerin den jungen Herren persönlich aus dem Zuber gezerrt für seine Worte, die absolut keinen Sinn ergaben. Was denn für einen Betrug? Was wollte Wendolyn ihr eigentlich gerade vermitteln? Doch anstatt noch etwas zu sagen, hatte die Wirtin nur stumm genickt, abwartend, was es für ein Betrug sein sollte, der den Anderen gar zum Tode verurteilen sollte.
Allein der Gedanke, dass so etwas in anderen Umgebungen noch Gang und Gebe war, ließ sie ein wenig schaudern. Sie war nie ein Freund von solchen Vorhaben und würde sie auch niemals für gut oder gar richtig empfinden. Was also konnte diese Person verbrochen haben, was ihm sein Leben kosten konnte?
Doch noch bevor Estrid ihren Gegenüber wirklich fragen konnte, hatte dieser bereits seinen schützenden Arm entfernt und entblößte der Thorwalerin seine Brust. Oder besser gesagt ihre Brust!
Ein überraschter Laut verließ ihre Kehle, ihre Züge erweichten bei dem Anblick, zauberten jedoch schnell erneut eine besorgte Miene auf ihr Gesicht. Die Blessuren sahen nicht allzu gut aus. Bei Swafnir, das arme Weib musste sich ja ihre Brüste regelrecht zerdrückt haben!
Schnell wanderten ihre dunklen Augen zum fremden Gesicht, zu lange wollte sie nicht auf die Oberweite starren, ehe es noch unangenehm wurde. „Ja beim großen weißen Wal!“, brachte sie regelrecht atemlos über ihre Lippen, konnte nicht ganz verstehen, wie es zu dieser schrecklichen Sache gekommen war.
Ihre Ohren lauschten gebannt den Worten der jungen Frau. Estrid konnte sich nicht vorstellen, dass sie diese Scharade nur zum Spaß aufrecht erhalten hatte und ihren kleinen Bruder bewusst anlog, irgendwo ergaben ihre Beweggründe auch Sinn. Dennoch musste sie schwer seufzen und leicht ihren Kopf schütteln. „Es wäre mir in meinem Traum nicht erschienen, dass eine Frau sich für einen Mann ausgeben muss und das auch noch für solch eine lange Zeit, um es weit zu schaffen. Mina, du bist wahrlich eine Frau mit so viel Stärke und Willen, dass es mir das Herz bricht, dass so viele da draußen nicht einmal wissen, dass sie es mit keinem Mann zu tun hatte.“, sie hatte sich die Freiheit genommen und sich auf den Boden neben dem Zuber gekniet, so musste sie nicht die ganze Zeit auf den entblößten Körper der Magierin starren und konnte gleichzeitig dennoch in ihr Gesicht blicken.
„Na, na, na! Du hast genug gelitten in den letzten Tagen!“, intuitiv streckte sie ihren Arm nach der Anderen, ihr behutsam durch das nasse Haar streichend. Es brach ihr einfach das Herz, wenn sie andere weinen sah. „Du hast ein jedes Recht Tränen zu vergießen, ich kann mir nicht vorstellen, wie schwer es ist, sich tagtäglich verstecken zu müssen und sich so etwas anzutun! Meine Liebe, dein armer Körper hat eine bessere Behandlung verdient!“, erneut entwich ein schweres Seufzen aus ihrer Kehle, während sie behutsam einige Tränen von der Wange der kleineren Frau strich und sie aufmunternd anlächelte. „Ich kann dir versichern, dass hier niemand dir den Kopf abschneiden wird, dafür, dass du eine Frau bist. Starke Frauen brauchen diese Dummköpfe hier draußen und wir haben ein jedes Recht für unsere Willenskraft und Geduld gefeiert zu werden. Ich bin mir sicher, dass Arngrims Otta dich ebenso mit offenen Armen als die empfangen hätten, die du eigentlich bist. Aber ich verstehe deine Angst, sie sind fremde, laute Thorwaler, wir wirken sicherlich sehr einschüchternd und unberechenbar auf andere.“, sie musste bei den Worten leise lachen. Es stimmte wohl, andere Völker waren ihnen nicht immer sehr gut gesonnen.
„Ich muss dich dennoch auffordern wenigstens ehrlich zu meinem Bruder zu sein. Er hat dich zu gern, als dass er es verdient hat, belogen zu werden. Du musst ihm nicht einmal alles erklären, ich glaube, es kümmert ihn nicht viel, solange du einfach du selbst bleibst.“, und irgendwo war sie das sicherlich auch. Eine Verkleidung änderte nicht direkt auch den Charakter und sie konnte sich sehr gut vorstellen, dass ihr kleiner Bruder so einiges aus dem Verstand dieser armen Gestalt herauskitzeln konnte.
„Komm, ich schrubbe dir den Rücken! Du musst seit Jahren keinen guten Frauenplausch mehr gehabt haben, wir holen das jetzt ein wenig nach!“, lächelnd klatschte Estrid in die Hände, richtete sich ein wenig auf und schnappte sich im Vorbeigehen Seife und Schwamm, ehe sie sich hinter Mina platzierte und sanft über ihren Rücken strich. „Mei oh Mei, du hast aber ein paar gute Muskeln aufgebaut.“, entgegnete sie anerkennend.
Estrid wollte, dass sie sich wieder besser fühlte und die Trauer und Angst langsam verflog, doch eines konnte sie bei der ganzen Sache nicht ganz verstehen.
„Sag, Mina. Wenn es in Andergast Frauen nicht einmal erlaubt ist, eine Magierin zu sein oder gar ein Schwert zu führen, wieso möchtest du den beschwerlichen Weg zurück nehmen? Bist du es nicht Leid dir selbst so viel Leid zuzufügen?“, sie wollte ihr nicht auf die Füße treten, doch sie konnte auch nicht verstehen, wie sie ihre eigene Freiheit wieder so wegwerfen wollte, wo sie jetzt den besten Zeitpunkt hatte, um frei zu sein?

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Mi Feb 06, 2019 11:18 pm

Seit so vielen Jahren hatte niemand gewusst, wer sie wirklich war. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten hatte Mina ihren eigenen Namen ausgesprochen und es tat gut. Es tat zu gut, Estrids Worte der Ermunterung zu hören und ihr Geheimnis endlich los zu werden. Schweren Herzens setzte Mina sich in der Wanne ein wenig auf und suchte die warmen Augen der älteren Frau. Sie erinnerte Mina ein wenig an ihre Mutter, jedenfalls an das, was ihr von der Magierin noch im Gedächtnis geblieben war. Als sie vor 14 Jahren verstorben war, hatte sie Mina nicht viel mehr als Erinnerungen und ihre magische Gabe hinterlassen, aber irgendetwas tief in ihrem Inneren rumorte, als Estrid ihr mit so starker Stimme zuredete.
„In Andergast sind die Dinge leider ganz anders als in Thorwal. Als Frau ist man dort nicht viel wert, als Wendolyn hingegen habe ich Bestleistungen an der Akademie erzielt. Es ist nicht fair, aber was soll ich schon an der Welt ändern?“
Nun, genau gesehen glimmte in Mina schon die Hoffnung, dass sie irgendetwas bewirken konnte. Dass sie irgendwann enthüllte, dass eine der erfolgreichsten Magier Andergasts eine Frau war! Aber das alles war mehr Wunschdenken als ein fester Plan.
„Danke, dabei kennst du mich doch kaum. Vielleicht bin ich ja auch ein Feigling dafür, dass ich mich so sehr verstecke“, murmelte sie und entfernte mit dem Handrücken auch die letzten Reste ihrer Tränen. Während sie noch versuchte, ihre Fassung zurückzugewinnen, hatte Estrid sich neben ihr auf den Boden gekniet, sodass sie auf Augenhöhe waren. Unbewusst entspannte Mina sich ein wenig in ihrer Haltung, denn auch, wenn die Thorwalerin sie nicht schamlos angestarrt hatte, hatte Mina sich sehr inspiziert gefühlt. Die Finger, die sanft über ihre Haare strichen, brachten das flatternde Herz zur Ruhe. Was hatte diese Familie nur an sich, dass sie immer genau zu wissen schienen, was sie gerade brauchte?
„Ich wollte die nächsten Tage die Bandagen weglassen und stattdessen meinen dicken Waffenrock tragen, um mich etwas zu schonen“, schlug Mina versöhnlich vor und schenkte Estrid ein müdes, aber ehrliches Lächeln. Die Frau war so bemüht darum sie aufzubauen und Mina wollte ihr nicht das Gefühl geben, dass ihre Anstrengungen umsonst waren. Immerhin war sie kämpferisch und ließ sich nicht so schnell hängen.
„Ich habe gesehen, was für Holzköpfe teilweise auf Arngrims Schiff unterwegs waren, die hätten es niemals mit mir aufgenommen, egal ob Frau oder nicht“, entgegnete Mina mit einem stolzen Lächeln.
„Aber Thorwaler sind wirklich nicht zu vergleichen mit Andergaster. Ihr seid so laut und herzlich und man bekommt kein ruhige Minute, wenn man mit euch zusammen ist.“
Bei dem Gedanken kam trotz allem dennoch ein warmes Lächeln auf ihre Züge, das allerdings mit Estrids nächsten Worten komplett verwischte. Betreten starrte sie auf ihre Hände, die sie knapp über der Wasseroberfläche nervös knetete.
„Aber ich habe ihm jetzt tagelang etwas vorgegaukelt. Der Moment, wo ich ihm das hätte beichten sollen, ist bestimmt längst vorbei. Wir sind uns doch schon so nahe gekommen“, murmelte sie betreten und ihre Wangen erröteten leicht. Wie konnte sie das jetzt noch verstecken, wo Estrid sie so offen darum gebeten hatte, ihrem Bruder die Wahrheit zu sagen? Aber so einfach war das doch nicht!
Zum Glück schien Estrid nicht ewig auf dem Thema herumreiten zu wollen. Der Gedanke an einen Frauenplausch war neu und ungewohnt und Mina war sich nicht einmal sicher, ob sie wusste, was sie ältere Frau meinte. Über was redeten Frauen so? Aber sie protestierte nicht, als sie die warmen Finger auf ihrer Haut spürte und der reine Duft der Seife ihr in die Nase stieg. Mit so ernsten Themen hatte sie in dem Moment nicht gerechnet und war ein wenig froh, dass sie der Thorwalerin den Rücken zudrehte.
„Andergast ist nicht nur schlecht. Ich bin dort aufgewachsen, es ist meine Heimat und ich habe die Hoffnung, dass es dort irgendwann besser wird. Dann möchte ich da sein, ich möchte miterleben, wie Andergast endlich aufhört, so verdammt rückständig zu sein!“
Mina merkte selbst, dass sie sich in Rage redete. Immerhin führte sie diese Gespräche sonst nur in ihrem Kopf mit sich selbst. Keinem ihrer Mitnovizen hätte sie so etwas jemals erzählen können.
„Außerdem habe ich einen Eid geschworen, ich bin in der Armee und falls man in Andergast mitbekommt, dass ich noch am Leben bin und mich irgendwo in Aventurien rumtreibe, statt zurückzukehren…Man würde mich einfangen und bitterlich bestrafen.“
Hilflos zuckte Mina mit den Schultern.
„Das ist für einen Thorwaler sicher schwer nachzuvollziehen, aber die Tradition meines Landes ist mir sehr wichtig.“
Die leichte Massage, die Estrid ihr verpasst hatte, hatte ihre Muskeln und auch ihre innere Verspannung gelöst, sodass Mina sich jetzt entspannt genug fühlte, um ihre gebrochene Rippe zu heilen. Leise murmelte sie den Zauber vor sich hin, den sie mittlerweile ganz gut beherrschte. Warmes Licht floss über ihre Fingerspitzen in ihren Brustkorb, richtete die Rippe und ließ die Blessuren abklingen, bis sie nur noch eine leicht verfärbte Erinnerung waren. Das hatte sie viel astrale Energie gekostet, die sie hoffentlich bald auffrischen konnte.
„Ich glaube, ganz ohne Bandagen traue ich mich nicht auf Reisen“, erklärte sie Estrid mit einem etwas peinlich berührten Blick, während sie aus der Wanne aufstand und sich mit einem Handtuch trocken rubbelte. Schnell schlüpfte sie wenigstens in die bequeme Leinenhose.
„Würdest du mir helfen, die Bandage etwas lockerer anzubringen?“, fragte sie vorsichtig.
„Bringt Arngrim oft….solche wie mich von seinen Reisen mit?“, hakte Mina zögerlich nach, während Estrid ihr bei den Bandagen half. Sie konnte schlecht von einer Beziehung sprechen, aber mit etwas harmloserem wollte sie ihre Beziehung zu Arngrim auch nicht vergleichen. Das fühlte sich nicht richtig an. Und Estrid kannte ihren Bruder sicherlich gut genug, um ihr ein paar Einsichten in den abenteuerlustigen Thorwaler zu geben.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Do Feb 07, 2019 1:21 am

Es war gut zu sehen, dass sich ihre Muskeln langsam auflockerten und sie nicht mehr solch eine angespannte und krampfhafte Haltung annahm. Ihr ganzer Körper musste wahrscheinlich eine gesamte Verspannung sein, doch Estrid konzentrierte sich lieber nur auf den hübschen Rücken, der sich vor ihr präsentierte. Etwas sagte ihr, dass sie nicht einmal wusste, dass sie vieles zu bieten hatte, es wunderte sie also gar nicht, dass Arngrim von der Dame- oder für ihn noch Herren- angetan war.
„Hmmm. Ich bin mir sicher, dass Andergast auch gute Seiten hat, sonst hättest du vielleicht doch schneller das Weite gesucht.“, murmelte ihre Stimme leicht in Gedanken. Sie wollte versuchen, Mina zu verstehen, nachzuvollziehen wie wichtig Traditionen und Bräuche für einen Menschen sein konnten, dass man regelrecht sich selbst aufgab oder versuchte mit etwas auszutauschen, was man eigentlich gar nicht war. Sie verurteilte die Magierin keineswegs dafür, dass sie diesen Schritt gewagt hatte, nein ganz im Gegenteil konnte sie sich den Druck und die dauerhafte Angst gar nicht vorstellen, die sie stets umgeben musste, wenn niemand erfahren durfte, dass sich hinter den Bandagen eine Frau verbarg. Ja, ein wenig Zorn stieg sogar auf, mehr auf die anderen Leute aus der Heimat der Fremden, als auf irgendwas anderes.
„Na das klingt nach einer Menge Verantwortung. Ich verstehe Traditionen, die haben wir hier in Thorwal auch, nur sind wir durch und durch ein freies Volk. Ich wünsche es mir für dich, dass dein Volk hoffentlich bald auch frei genug ist, damit du dich nicht verbergen musst und als das geschätzt wirst, was du bist.“, die Thorwalerin schenkte der Kleineren ein ehrliches Lächeln, ehe sie sich selbst erhob und darauf wartete, dass sie sich abtrocknete. Sie ließ einen kurzen Blick auf das Wasser schweifen, es war noch sauber genug aber aufwärmen müsste sie es für ihren Bruder dennoch gleich.
Bei den nächsten Worten verzog Estrid ein wenig unglücklich das Gesicht, ihre Arme vor der Brust verschränkend. „Willst du deinen Brüsten denn gar keine Ruhe gönnen? Aber wirklich nur locker, du musst gar nicht so fest die Bandagen zuziehen, sie können als Muskulatur getarnt werden, wenn du es wenigstens leicht oder mit mehreren Lagen versuchst!“
Auch wenn sie nicht einverstanden war, dass Mina sich hier unter ihrem Dach eine unangenehme Zeit bereitete, half sie ihr dennoch dabei die Bandagen anzubringen, so locker wie möglich, dass sie atmen und sich gut bewegen konnte und ihr armer Körper nicht noch mehr zu leiden hatte. Sie wollte doch sicher nicht verfrüht ihr Schwert hinschmeißen! Denn mit solch einer straffen Bandage, die sie tagtäglich zu tragen schien, würde dies viel schneller passieren, als es ihr lieb war!
Doch allzu lange konnte Estrid gar nicht verärgert darüber sein, nicht nur, weil ihr die Dunkelhaarige einerseits leidtat und sie in den wenigen Augenblicken, die beide geteilt hatte, diese in ihr Herz geschlossen hatte, sondern auch, weil sie bereits ein anderes Thema eingeschlagen hatte, was ihr ein Schmunzeln entlockte. Ach, die beiden!
„Hah? Ob er jemals eine hübsche Dame mit nach Hause gebracht hatte? Der Gute weiß ja gar nicht wohin mit sich selbst! Ich bin ehrlich gesagt erstaunt, dass er heute jemanden an seiner Seite hatte! Arngrim liebt seine Otta und er schließt so ziemlich jeden in sein Herz, aber seiner Familie hatte er noch nie eine Verflossene oder einen Verflossenen vorgestellt! Man muss schon was Besonderes sein, wenn man unsere Familie treffen darf!“, lachte die blonde Frau, tätschelte den Rücken der Magierin. „Und du bist was ganz Besonderes, Mina. Deswegen bitte ich dich, von Frau zu Frau, lass dir nicht zu viel Zeit mit der Wahrheit. Noch ist sein Herz nicht gebrochen und noch hast du die Zuversicht, dass, ganz gleich wie nahe ihr euch gekommen seid, er dich verstehen und es hinnehmen wird. Er mag dich nicht aufgrund deiner gespielten Männlichkeit und es sind auch nicht die starken Männer, die sein Herz erobern können. Wenn, dann bist du wahrscheinlich die Einzige, die sein Herz erobert hat, so verträumt hab ich den Dumpfschädel noch nie gesehen!“, sie stieß ein kurzes Lachen aus, hielt für einen Augenblick inne, ehe ihre Miene erneut ernster wurde. „Bitte mach es euch beiden nicht schwerer, du verdienst eine sorglose Reise und er verdient die Ehrlichkeit einer starken, fähigen Frau.“, sie ließ es sich nicht nehmen, sie wenigstens kurz in ihre Arme zu schließen und ein wenig anzuheben. „Und jetzt sollte ich mich wirklich um deine Kleidung kümmern und wir sollten meinem Bruder wohl die Chance geben, sich auch vom Dreck zu befreien, auch wenn mir etwas sagt, dass es ihn nicht einmal stört. Er ist manchmal wie ein streunender Hund!“, gespielt wütend schimpfte die Thorwalerin, sammelte dabei den kleinen Berg an Kleidung ein und huschte aus dem Baderaum, gefolgt von Mina. „Auch, wenn du einen Eid geschworen hast, in deiner Heimat zu bleiben und für dieses zu kämpfen, wünsche ich mir, dich bald wiedersehen zu können.“, entgegnete Estrid mit sehr leiser Stimme, ehe sie sich von der jungen Dame entfernte. Sie wusste, dass der Weg beiden guttun würde. Und etwas sagte ihr, dass vor allem Mina vielleicht mehr als nur ihre Pflicht und ihr Zuhause im Kopf haben würde, ja, dass sie vielleicht auf der Reise ein wenig mehr über sich selbst erfahren würde.

Arngrim hatte in der Zwischenzeit sein zweites Bier von Iwar zugeschoben bekommen, der sich lachend mit ihm unterhalten hatte, wenn nicht gerade Gäste etwas verlangten. Daheim zu sein war etwas Wunderbares und nichts war besser, als ein gutes Bier bei guter Gesellschaft. Die Jungs hatten mittlerweile sich wieder zurückgezogen, spielten ‚Pirat‘ in ihren Zimmern und schlugen sich wahrscheinlich mit Holzäxten die Schädel ein. Er liebte die beiden Störenfriede einfach zu sehr, so wie er alle seine Neffen und Nichten liebte, wären sie jetzt auch hier gewesen.
Ein wenig schade war es schon, dass ihn heute und auch morgen nicht mehr zu Gesicht bekommen würden, doch es war nicht das letzte Mal, dass der Thorwaler in Olport war. Sobald er Wendolyn sicher nach Andergast begleitet hatte, würde er zusehen, dass er- vielleicht nach einigen Tagen- eine Fähre zurück nach Thorwal bekam. Zumindest war dies sein Grundgedanke gewesen. Doch Einiges störte ihn dabei zutiefst. Zum einen würde es heißen, dass beide das Ziel erreicht hatten und das hieß, dass ihre Reise ein Ende genommen hätte und das wiederum hieß, dass auch sein Zusammensein mit Wendolyn ein Ende nehmen musste. Es war ein schrecklicher Gedanke und er war froh, dass er sich nicht jetzt mit diesem auseinandersetzen musste. Sie hatten Zeit, viel Zeit und er würde schon einen Weg finden, dass dies kein Lebewohl für immer und ewig war. Das wollte er einfach nicht!
Kaum hatten seine Gedanken sich wieder um Wendolyn gekreist, hatten seine grünen Augen diesen bereits in der Ferne erblicken können. Ein Blick in das Gesicht und all seine Sorgen waren wie verflogen. Stattdessen formten seine Lippen ein breites Grinsen, das er fröhlich dem Anderen entgegen strahlte, als sich dieser an seinen Tisch näherte. Schnell war ein Krug Bier für den jungen Magier gebracht, was man neben seinen abstellte.
„Wendolyn! Ich hab dich ohne Schmutz fast gar nicht erkannt!“, scherzte der Blondschopf, dabei energisch auf den Platz auf der Bank neben ihm klopfend. „Setz dich, Iwar bringt uns gleich was zu essen!“
Alleine bei dem Wort schien sein Magen sich zu melden und er hielt sich schützend den Bauch, entschuldigend lächelnd.
Arngrim rümpfe kurz seine Nase, nahm den Frischeduft des Kleineren auf, der angenehm in seine Nase stieg. Den Eigengeruch des Magiers konnte er jedoch nicht gänzlich abdecken und da war er froh darüber. „Ah, du riechst so gut. Nicht, dass du es vorher nicht getan hättest! Also du riechst eigentlich immer gut aber…ich sollte wahrscheinlich auch gleich ein Bad nehmen.“, er spürte, wie ein wenig Röte in seinen Wangen aufstieg, welche er versuchte mit einem lauten Lachen, gefolgt von einem großen Schluck Bier irgendwie zu kaschieren. „Du warst echt lange baden! Hat Estrid dir etwa irgendwelche peinlichen Geschichten von mir im Bad erzählt? Hat sie dir von dem Rock erzählt? Nach deinem Blick zu urteilen, hat sie das nicht, na immerhin!“, er nahm sich schnell noch einen Schluck vom goldenen Thorwalergebräu, wischte sich mit seinem Handrücken den Schaum vom Bart, ehe sein Blick erneut zu Wendolyn wanderte. Es war so schwer, seinen Blick auch nur kurz abzuwenden, beinahe unmöglich.
„Ich habe im Übrigen bereits ein Zelt, Schlafsäcke und Decken für uns besorgt. Dein Rucksack steht mit meinem in unserem Zimmer bereit, sodass wir morgen einfach nur aufstehen und losziehen können. Iwar hat es tagtäglich mit Reisenden zu tun, er hat mir direkt erklärt, was alles wichtig ist und mir alles Nötige mitgegeben. Wir haben sogar Kochgeschirr!“, plapperte der Thorwaler mit einem Hauch von Begeisterung und Aufregung zugleich. „Aber das Beste ist…wir können heute Nacht in einem großen Bett schlafen. Keine Ellbogen, die dich nachts ausversehen schlagen können! Ein Luxus, den wir danach für Wochen wahrscheinlich nicht haben werden.“, er lachte laut auf, legte beiläufig einen Arm um die Schulter des Kleineren, anschließend seinen Kopf küssend.
„Ich freue mich auf unsere Reise, das wird aufregend und spannend und…oh! Es gibt Braten!“, mit großen Augen starrte er die dampfenden Teller an, die ihnen gebracht wurden. Es war so lange her, seit er solch ein üppiges Mahl verspeist hatte, es fühlte sich ja beinahe wie sein Tsatag an!
„Übrigens bin ich dafür, dass wir beim nächsten Mal ein wenig Zeit sparen und gemeinsam das Bad teilen…also, aus praktischen Gründen versteht sich!“, murmelte der Seemann schmatzend, ließ es sich jedoch nicht nehmen, ein paar vielsagende Blicke in Wendolyns Richtung zu werfen. Was machte dieser Magier nur mit ihm, dass er seine Augen kaum von ihm abwenden konnte?

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Do Feb 07, 2019 10:50 pm

Zu wissen, dass sie anscheinend aus all den Männern und Frauen, mit denen Arngrim schon angebandelt hatte, doch noch irgendwo hervorstach, ließ Minas Gesicht leicht erröten und die Farbe in ihren Wangen wollte nicht weichen, bis sie wieder in den Schankraum traten. Estrid hatte ihr einigen Grund zum Nachdenken gegeben. Solch eine starke Frau war sie und weise auf ihre eigene Art. Mina fühlte sich geehrt, dass die Thorwalerin eine so hohe Meinung von ihr zu haben schien und stieß einen überraschten Laut aus, als sie einfach so den Boden unter den Füßen verlor. Bei ihr wirkte das tatsächlich noch müheloser als bei Anrgrim und das sollte schon etwas heißen. Noch immer war sie nachdenklich, wie sie dem Hünen beibringen sollte, was sie wirklich war. Estrid hatte Recht, je länger sie ein Geheimnis daraus machte, desto schwieriger würde es werden. Sie konnte das nicht einfach so auf sich sitzen lassen, allein schon Estrid zuliebe, die sie in so kurzer Zeit ins Herz geschlossen hatte. Die Ruhe und Geborgenheit, die sie im Baderaum verspürt hatte, wärmten immer noch ihr Herz, aber die Unruhe war erst ganz weggewischt, als sie Arngrim wieder erspähte. Ein Bier vor der Nase saß er dort und grinste ihr entgegen, ahnungslos, was gerade vorgefallen war und doch so bemüht, ihr gleich wieder ein gutes Gefühl zu geben. Sie ließ sich neben ihm auf die Bank sinken, immer noch ein wenig in Gedanken vertieft. Erst, als ein großer Krug Bier vor ihr auf den Tisch geknallt wurde, hob sie überrascht den Kopf.
„Heh, so schlimm sah ich ja wohl nicht aus!“, entgegnete sie irritiert und zog ihre Augenbrauen ein wenig enger zusammen.
„Aber du hast recht, DU solltest ganz sicher ein langes Bad nehmen“, stichelte sie zurück und boxte ihn leicht in die Seite, um ihm einen Moment zu geben, seine Fassung wiederzugewinnen. Immerhin sah es dem Seefahrer gar nicht ähnlich, dass er so neben sich stand.
„Ich wollte den Schmutz von Nostria nur besonders gründlich von mir abwaschen.“
Mina verzog leicht das Gesicht und nahm einen Schluck Bier. Das Zeugs hier war noch stärker als das, was sie auf dem Schiff hatte, aber es wäre wohl verschwendet gewesen, in Thorwal nicht einmal ordentlich vom Bier zu kosten.
„Estrid hat mir keine Geschichten über dich erzählt, aber ich habe das Gefühl, da gibt es einiges, was ich wissen sollte.“
Ein leichtes Lachen verließ ihre Lippen und sie blickte anerkennend zu Arngrim hinauf. Jetzt, da die Reise so kurz bevorstand, konnte sie eigentlich nur Vorfreude verspüren. All die Tage, die sie noch gemeinsam verbringen konnten! Wenn sie jetzt ihr Versteckspiel auch für ein paar Wochen ruhen lassen konnte….
„Was schulde ich deiner Familie denn? Ich kann das doch nicht alles einfach so nehmen, das fühlt sich nicht richtig an. Kann ich wenigstens mit ein bisschen Arbeit aushelfen, wenn ihr schon mal einen Magier hier habt?“
Aber Arngrims Familie schien davon nicht wirklich etwas hören zu wollen. Mit einem schweren Seufzen trank Mina einen weiteren Schluck Bier. Wenn sie ihren nächsten Sold bekam, würde sie ein paar Silbertaler herschicken, um sich für alles zu revanchieren, was man mit Geld ausgleichen konnte. Hin und wieder glitt ihr Blick zu Estrid, die mit dem Bewirten der anderen Gäste beschäftigt war, während Arngrim ihr munter von seinen Vorbereitungen erzählte. Konnte das Leben nicht immer so sein? Nun hatte Mina beinahe schon Schuldgefühle, dass sie Andergast so untreu wurde, aber die Art und Weise, wie Arngrim ihr Innerstes bis in den letzten Winkel erwärmte, wie er sie sanft an sich drückte und ihr einen Kuss auf die Haare setzte, lösten etwas in ihr, das sie nicht kannte.
Zum Glück gab es jetzt erst einmal Essen und Mina hatte noch etwas mehr Zeit, um sich zu überlegen, was sie dem Thorwaler erzählen wollte. Der Braten war ausgezeichnet, sodass Mina so oder so nicht viel gesprochen, sondern sich mit Essen beschäftigt hätte. Zuhören tat sie Arngrim natürlich trotzdem und sie musste leicht husten, als sie seine Worte vernahm. Dabei….
„Wieso beim nächsten Mal? Komm mit, es wird höchste Zeit!“
Mina war schnurstracks aufgestanden, den Größeren am Arm packend und ihn mit sich Richtung Badestube ziehend. Sie wusste nicht, ob das hier wirklich eine gut durchdachte Idee war, aber je länger sie darauf wartete, Arngrim die Wahrheit zu sagen, desto sehr zerfraß es sie.
Die feuchte Hitze schlug ihr direkt entgegen, als sie in den Raum trat und die Tür hinter sich schloss. Beiläufig erhitzte sie das Wasser im Zuber wieder ein wenig, Arngrim ernst ansehend.
„Arngrim, ich muss dir etwas gestehen.“
Sie ließ sich auf den Rand des Zubers sinken und fuhr mit den Fingern durch das angenehm warme Wasser. Es fiel ihr so schwer, dabei in Arngrims Hundeaugen zu blicken!
„Es war keine böse Absicht, das musst du mir glauben. Ich erkläre dir gerne alles, was du dazu wissen willst, nur bitte, verurteil mich nicht vorschnell.“
Mina biss sich voller Angst auf die Unterlippe, knetete ein Stück ihrer Kleidung zwischen ihren fahrigen Fingern.
„Mein Name ist überhaupt nicht Wendolyn.“
Mina räusperte sich und ließ zum ersten Mal auch die verstellte Stimme bleiben. Einen großen Unterschied machte es nicht und es brauchte auch ein wenig, bis Mina ganz in ihre normale Stimmlage zurückgefunden hatte, aber der Unterschied war dennoch merkbar.
„Ich heiße Mina“, presste sie leise hervor und hielt den Kopf angsterfüllt gesenkt. Was, wenn sie etwas in den grünen Augen sah, was sie nicht sehen wollte? Vielleicht hatte sie den Hünen schon ein bisschen zu lang an der Nase herumgeführt.

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BeitragThema: Re: Eichenherz   Eichenherz - Seite 2 Icon_minitime1Fr Feb 08, 2019 12:27 am

So gut Arngrim auch kochen konnte, sein Schwager konnte es noch ein wenig besser! Er hätte beinahe den Teller mit aufgegessen und genoss schmatzend seinen Braten, welchen er mit ordentlichen Schlücken seines Bieres hinunterspülte.
Vielleicht würden sie auf ihren Reisen ja manchmal gute Taverne finden, anstatt nur das verspeisen zu müssen, was sie auf ihrem Weg fanden! Ach, was auch immer auf sie zukommen würde, sie würden schon ein gutes Abenteuer daraus machen.
Der Thorwaler wollte gerade noch seinen letzten Bissen in den Mund befördern, als der Kleinere schon aufgebracht sich erhob und ihn regelrecht mit sich wegzog.
„Was? Aber das Essen! So schlimm rieche ich doch gar nicht!“, erwiderte er mit protestierender Stimme, dabei demonstrativ an sich selbst riechend. Nun gut, vielleicht hatte Wendolyn ja Recht und er brauchte dringend ein schönes Bad. Außerdem…wollte er mit ihm in den Zuber steigen?
Alleine der Gedanke löste ein angenehmes Kribbeln in seinem Inneren aus, sodass er sich ohne Wehr hatte mitziehen lassen. Vielleicht war dies irgendwie eine Art und Weise vom Magier, ihm zu zeigen, dass er etwas mehr Nähe nun zuließ?
Aufgeregt und verwirrt zugleich stolperte er in den warmen Raum hinein, der immer noch angenehm nach Seife roch. Wenn beide wirklich gemeinsam ein Bad nehmen wollten, hätte der Dunkelhaarige sich tatsächlich vorher die Zeit sparen sollen! Aber vielleicht war ihm die Idee ja auch jetzt gekommen und was auch immer ihn dazu motiviert hatte, er würde nicht schlecht darüber denken!
Während Wendolyn sich zum Zuber begab, zog der Thorwaler sich leicht stolpernd die Stiefel aus, sie zur Seite schmeißend, gefolgt vom Lederharnisch.
Kaum hatte er sein Leinenhemd über den Kopf gezogen, ließen die Worte des Anderen ihn kurz innehalten. Seine grünen Augen suchten die des Kleineren, ihn dabei fragend anblickend. „Was ist es denn? Hast du eigentlich gar nicht gebadet und dich mit Magie sauber gemacht? Oder bist du doch an der See interessiert?“, ein belustigtes Lächeln umspielte seine Züge, doch er merkte, dass es dem Magier ganz und gar nicht nach Scherzen zumute war, sodass dieses schnell verebbte und er eine ernstere Miene aufsetzte.
Verurteilen? Wieso sollte er ihn verurteilen? „Wendolyn, ich habe nicht vor dich vorschnell zu verurteilen, du kannst mir alles anvertrauen.“
Arngrim konnte sich nicht vorstellen, dass es irgendetwas da draußen gab, dass irgendein Geheimnis auf Dere existierten konnte, was ihn schlecht über den Magier hätte denken lassen. Dafür hatte er ihn zu gern gewonnen und ihn als einen wunderbaren Menschen kennengelernt. Was also bereitete ihm denn sorgen?
Gebannt folgten seine Augen den Lippenbewegungen des Anderen, verwirrt über die etwas andere Stimmlage, die seine Ohren erreicht hatte. Noch verwirrter jedoch über den Inhalt, der sich in seinem Kopf breitgemacht hatte. „M-Mina? Heißt das etwa….“, seine Augen weiteten sich und der schmale Mund formte ein stummes ‚O‘. War Wendolyn etwa….eine Frau? Aber wieso hätte er das so vehement versucht vor ihm zu verbergen. Was genau hatte das zu bedeuten?
Immer noch verwirrt blickte er in die Augen des Anderen. Oder der Anderen? Er glaubte erst, dass es irgendein Scherz war oder vielleicht ein Test, ob er nur an Männern oder auch Frauen interessiert war. Doch seine Miene….nein, so etwas würde er nicht sagen, um mit Arngrim irgendein Spiel zu spielen.
„Du…bist also eine Frau? Und du warst es auch immer gewesen und hast keine seltsamen Zauber gemacht?“, seine Frage war weniger vorwurfsvoll, nein, er stellte sie eher aus Verwirrung und Ratlosigkeit.
Nachdenklich kratzte der Seemann sich am Hinterkopf, ehe er es wagte, einige Schritte auf die junge Frau zuzugehen. „Na bei Swafnir, das mit dem Namen wird aber ein bisschen dauern müssen. Und ich dachte, ich kann mittlerweile jeden schnell erkennen! Ich dachte Magierkerle sind so und dann stellt sich raus, dass Magierkerle gar nicht so sind.“, er unterdrückte ein leises Lachen, stieß stattdessen ein leises Seufzen aus. Sie blickte ihn ja gar nicht an. Hatte sie Angst vor seinem Blick?
Umsichtig umfassten seine Finger das schmale Kinn, sodass er in die braunen Augen blicken konnte, dabei sanft lächelnd. „Mina klingt aber viel schöner.“, murmelte er leise, mit der freien Hand über das dunkle Haar fahrend.
„Du kannst mir auf der Reise alles erklären. Ich verurteile dich nicht, ich sehe dich nicht im anderen Licht und ich mag dich immer noch so sehr, wie beim ersten Tag, als du mich versteinert hast, um ehrlich zu sein sogar ein ganzes Stück mehr! Dass du auf einmal kein Mann bist, ändert nichts an meinen Gefühlen Dir gegenüber! Du bist immer du und...ich mag dich echt…Mina.“, es fühlte sich gut an, diesen neuen Namen über seine Lippen zu bringen. Es war sicherlich eine schwierige Sache zu offenbaren und Arngrim würde so gerne verstehen wollen, wieso es dazu kam, dass sie so lange sich als Mann tarnte, doch jetzt wirkten Erklärungen so nebensächlich.
Er wollte ihr die Gewissheit geben, dass es ihn nicht störte und das tat es auch nicht. Irgendwo war er sogar ein wenig stolz darauf, dass sie ihm dieses Geheimnis offenbart hatte. Es tat gut, dass man ihm so sehr vertraute. Noch besser tat es ihm jedoch, die zarten Lippen der Magierin zu küssen, was er auch im nächsten Augenschlag tat, dabei sanft ihren Kopf in seinen Händen haltend.
Wie nicht anders zu erwarten, sein Herz schlug immer noch bei solch einer zarten Berührung höher, jetzt vielleicht sogar ein klein wenig mehr.
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